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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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LuiÄs L"n"achs l^olzschnitto mit K"pfersti6^e

einem urkundlichen Zeugnis dafür, daß dieses Bild schon 1503 bei der Ein¬
weihung der Kirche vorhanden gewesen ist, und Nebenaltarbilder von Dürer,
die sich in der Kirche befanden, sind nachweislich erst ein paar Jahre später
geliefert worden. Sollte aber die Kirche ohne ein Bild ihres Hauptaltars
geweiht und in Gebrauch genommen worden sein? Jedenfalls trat Cranach
schon als fertiger Künstler und als Künstler von Ruf in des Kurfürsten Dienste.
Über seinen Bildungsgang ist nichts bekannt. Er wird, nachdem er bei seinem
Vater ausgelernt hatte, gewandert sein, aber sicherlich nur auf deutschem Boden.
Italien hat er uicht gesehen, in den Niederlanden ist er erst 1508 einmal im
Auftrage seines fürstlichen Herrn auf kurze Zeit gewesen. Von Werken Cranachs
ans der Zeit vor seiner Berufung ist nicht ein einziges bekannt geworden,
weder ein Gemälde, noch ein Stich, noch ein Holzschnitt; vielleicht gehen sie
unter fremdem Namen, unter dem Namen der Meister, bei denen er auf der
Wanderschaft gearbeitet hat. Das früheste nachweisbare Bild von ihm ist die
"Ruhe auf der Flucht" mit spielenden und musizirenden Engeln, früher im
Palazzo Seiarrn in Rom, jetzt in der Sammlung des (kürzlich verstorbnen)
Dr. Fiedler in München, ein entzückendes Bild, das auf den ersten Blick wohl
niemand für ein Crcmachsches hält (nachgebildet bei Janitschek). Unmittelbar
an dieses früheste erhaltene Werk schließt sich nun die vorliegende Auswahl
von Holzschnitten und Kupferstichen an.

Von den 53 Holzschnitten dieses Bandes sind 22 datirt, 31 undatirt.
Von den datirten ist einer aus dem Jahre 1505, elf sind aus dem Jahre
1506, einer von 1508, sieben von 1509, je einer von 1516 und 1519. Von
den undatirten lassen sich aber noch zwei (oder drei) datiren. Es sind nämlich
unter den Holzschnitten auch vier bunte, die mit zwei Holzstöcken gedruckt sind,
einem, der die Umrisse und Schatten schwarz druckte, und einem, der einen farbigen,
gewöhnlich braunen Grund druckte und dabei weiße Lichter stehen ließ, die aus
der Platte ausgeschnitten waren. Drei dieser Holzschnitte sind doppelt da,
einmal nur schwarz (mit einer Platte gedruckt) und einmal bunt. Schon
Schuchardt hat vermutet, daß Cranch der erste gewesen sei, der den Farben-
hvlzschnitt zu künstlerischen Zwecken verwendet habe, und Lippmann erhebt
diese Vermutung durch eine hübsche Beweisführung zur Gewißheit. Eins der
doppelt vorhandnen Bilder nun, ein Geharnischter zu Pferde, undatirt, ist das
einemal schwarz, das andremal gold auf blauem Grunde gedruckt; das Original
des Golddrucks befindet sich in einer englischen Privatsammlung. Nun geht
aus Briefen Peutingers, des bekannten Rats Kaiser Maximilians, hervor, daß
Kurfürst Friedrich im Jahre 1507 "Kurisser (d. i. Kürassiere) von Gold und
Silber durch Sein Fürstliche Gnaden Maler mit dem Druck gefertiget" an
Kaiser Max geschickt und sich dessen Urteil darüber ausgebeten hat. Es kann
kein Zweifel sein, daß der goldgedruckte Geharnischte einer dieser "Knrisser"
Von 1507 ist.


LuiÄs L»n»achs l^olzschnitto mit K»pfersti6^e

einem urkundlichen Zeugnis dafür, daß dieses Bild schon 1503 bei der Ein¬
weihung der Kirche vorhanden gewesen ist, und Nebenaltarbilder von Dürer,
die sich in der Kirche befanden, sind nachweislich erst ein paar Jahre später
geliefert worden. Sollte aber die Kirche ohne ein Bild ihres Hauptaltars
geweiht und in Gebrauch genommen worden sein? Jedenfalls trat Cranach
schon als fertiger Künstler und als Künstler von Ruf in des Kurfürsten Dienste.
Über seinen Bildungsgang ist nichts bekannt. Er wird, nachdem er bei seinem
Vater ausgelernt hatte, gewandert sein, aber sicherlich nur auf deutschem Boden.
Italien hat er uicht gesehen, in den Niederlanden ist er erst 1508 einmal im
Auftrage seines fürstlichen Herrn auf kurze Zeit gewesen. Von Werken Cranachs
ans der Zeit vor seiner Berufung ist nicht ein einziges bekannt geworden,
weder ein Gemälde, noch ein Stich, noch ein Holzschnitt; vielleicht gehen sie
unter fremdem Namen, unter dem Namen der Meister, bei denen er auf der
Wanderschaft gearbeitet hat. Das früheste nachweisbare Bild von ihm ist die
„Ruhe auf der Flucht" mit spielenden und musizirenden Engeln, früher im
Palazzo Seiarrn in Rom, jetzt in der Sammlung des (kürzlich verstorbnen)
Dr. Fiedler in München, ein entzückendes Bild, das auf den ersten Blick wohl
niemand für ein Crcmachsches hält (nachgebildet bei Janitschek). Unmittelbar
an dieses früheste erhaltene Werk schließt sich nun die vorliegende Auswahl
von Holzschnitten und Kupferstichen an.

Von den 53 Holzschnitten dieses Bandes sind 22 datirt, 31 undatirt.
Von den datirten ist einer aus dem Jahre 1505, elf sind aus dem Jahre
1506, einer von 1508, sieben von 1509, je einer von 1516 und 1519. Von
den undatirten lassen sich aber noch zwei (oder drei) datiren. Es sind nämlich
unter den Holzschnitten auch vier bunte, die mit zwei Holzstöcken gedruckt sind,
einem, der die Umrisse und Schatten schwarz druckte, und einem, der einen farbigen,
gewöhnlich braunen Grund druckte und dabei weiße Lichter stehen ließ, die aus
der Platte ausgeschnitten waren. Drei dieser Holzschnitte sind doppelt da,
einmal nur schwarz (mit einer Platte gedruckt) und einmal bunt. Schon
Schuchardt hat vermutet, daß Cranch der erste gewesen sei, der den Farben-
hvlzschnitt zu künstlerischen Zwecken verwendet habe, und Lippmann erhebt
diese Vermutung durch eine hübsche Beweisführung zur Gewißheit. Eins der
doppelt vorhandnen Bilder nun, ein Geharnischter zu Pferde, undatirt, ist das
einemal schwarz, das andremal gold auf blauem Grunde gedruckt; das Original
des Golddrucks befindet sich in einer englischen Privatsammlung. Nun geht
aus Briefen Peutingers, des bekannten Rats Kaiser Maximilians, hervor, daß
Kurfürst Friedrich im Jahre 1507 „Kurisser (d. i. Kürassiere) von Gold und
Silber durch Sein Fürstliche Gnaden Maler mit dem Druck gefertiget" an
Kaiser Max geschickt und sich dessen Urteil darüber ausgebeten hat. Es kann
kein Zweifel sein, daß der goldgedruckte Geharnischte einer dieser „Knrisser"
Von 1507 ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/293>, abgerufen am 24.08.2024.