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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Lukas Lranachs Holzschnitte und Rupferstichs

Versuch, das Leben Cranachs im Zusammenhange und auf einem breitern
geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Hintergrunde zu erzählen. Abbildungen,
die doch bei einer Künstlerbiographie jetzt mit Recht für unerläßlich gelten,
hat keins dieser beiden Bücher. Einige wenige Nachbildungen Crnnachscher
Gemälde sind der Lebensbeschreibung beigegeben, die sich im ersten Bande von
Dohmes "Kunst und Künstlern des Mittelalters und der Neuzeit" findet (Leipzig,
1877), einige weitere, vorzüglich ausgewählte der meisterhaften Charakteristik
Cranachs, die Janitschek in seiner "Geschichte der Deutschen Malerei" (Berlin,
1890) gegeben hat. Eine Anzahl von Buchverzierungen, die Crcinach zuge¬
schrieben werden (Titeleinfasfungen und Initialen), hat Vutsch im ersten Bande
seiner "Bücherornamentik der Renaissance" (Leipzig, 1878) nachbilden lassen,
ein paar Porträts G. Hirth in seinen "Bildern ans der Lutherzeit" (München,
1883), eine Auswahl von Holzschnitten aus illustrirten Wittenberger Drucken
(ven Wittenberger Heiligtnmsbuch, dem Passional Christi und Antichristi und
der Lutherschen Bibelübersetzung) Mulder in seiner "Deutschen Bücherillustra¬
tion der Gothik und Frtthrenaissanee" (München, 1884). Das ist aber alles,
was weitern Kreisen bis jetzt von Cranachs Werken zugänglich gemacht worden
ist. Wie wenig vermag aber das eine Vorstellung von seiner Künstlerschaft
zu geben! Die haben bis jetzt doch nur die engen Kreise derer gehabt, die sich
ans Liebhaberei (als Sammler) oder von Berufs wegen (als Kunsthistoriker
von Fach) von einer größern Anzahl von Originalen des Künstlers (Gemälden,
Holzschnitten und Kupferstichen) Kenntnis verschaffen konnten oder mußten.
Und selbst denen wird das Studium des Künstlers erschwert durch einen Um¬
stand: der Name Lukas Crcmnch bedeutet nicht bloß eine Künstlerpersvnlichkeit,
er bedeutet vor allein auch eine Geschäftsfirma.

Während uns Dürer und Holbein ausschließlich oder fast ausschließlich
als Künstler im heutigen Sinne geläufig sind, ist Cranach immer ein halber
Handwerker gewesen; er ist in der deutschen Kunst der klassische Vertreter der
Übergangsstufe, auf der sich die Kunst vom Handwerk lvsringt. Das Maler¬
handwerk war in seiner Familie erblich. Schon sein Vater war in dem Städtchen
Kronach in Franken Maler gewesen: ^ xatrs g.rtsm gre>.pllivam clicUeit, heißt es in
der Gedächtnisrede auf ihn, die kurz nach seinem Tode verfaßt und 1556 in den
Tnrmknopf der Wittenberger Stadtkirche gelegt wurde.") Und Lukas Cranach
selbst leitete in Wittenberg eine große Malerwerkstatt, die alles lieferte, was der
heutige "Kunstmaler," aber auch alles, was der heutige Dekorationsmaler,
Stubenmaler, Anstreicher, Lackirer, Firmenschreiber, Vergolder liefert. Bei
"Meister Lukas" in Wittenberg konnte man sich "konterfeien" lassen, man



KraPlii-AM natürlich für pivtori-"in; seit der Hmnanistenzeit gefiel man sich in der
Anwendmig griechischer Ausdrücke. An den beschränkten Sinn unsrer heutigen "graphischen"
Künste ist dabei nicht zu denken.
Lukas Lranachs Holzschnitte und Rupferstichs

Versuch, das Leben Cranachs im Zusammenhange und auf einem breitern
geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Hintergrunde zu erzählen. Abbildungen,
die doch bei einer Künstlerbiographie jetzt mit Recht für unerläßlich gelten,
hat keins dieser beiden Bücher. Einige wenige Nachbildungen Crnnachscher
Gemälde sind der Lebensbeschreibung beigegeben, die sich im ersten Bande von
Dohmes „Kunst und Künstlern des Mittelalters und der Neuzeit" findet (Leipzig,
1877), einige weitere, vorzüglich ausgewählte der meisterhaften Charakteristik
Cranachs, die Janitschek in seiner „Geschichte der Deutschen Malerei" (Berlin,
1890) gegeben hat. Eine Anzahl von Buchverzierungen, die Crcinach zuge¬
schrieben werden (Titeleinfasfungen und Initialen), hat Vutsch im ersten Bande
seiner „Bücherornamentik der Renaissance" (Leipzig, 1878) nachbilden lassen,
ein paar Porträts G. Hirth in seinen „Bildern ans der Lutherzeit" (München,
1883), eine Auswahl von Holzschnitten aus illustrirten Wittenberger Drucken
(ven Wittenberger Heiligtnmsbuch, dem Passional Christi und Antichristi und
der Lutherschen Bibelübersetzung) Mulder in seiner „Deutschen Bücherillustra¬
tion der Gothik und Frtthrenaissanee" (München, 1884). Das ist aber alles,
was weitern Kreisen bis jetzt von Cranachs Werken zugänglich gemacht worden
ist. Wie wenig vermag aber das eine Vorstellung von seiner Künstlerschaft
zu geben! Die haben bis jetzt doch nur die engen Kreise derer gehabt, die sich
ans Liebhaberei (als Sammler) oder von Berufs wegen (als Kunsthistoriker
von Fach) von einer größern Anzahl von Originalen des Künstlers (Gemälden,
Holzschnitten und Kupferstichen) Kenntnis verschaffen konnten oder mußten.
Und selbst denen wird das Studium des Künstlers erschwert durch einen Um¬
stand: der Name Lukas Crcmnch bedeutet nicht bloß eine Künstlerpersvnlichkeit,
er bedeutet vor allein auch eine Geschäftsfirma.

Während uns Dürer und Holbein ausschließlich oder fast ausschließlich
als Künstler im heutigen Sinne geläufig sind, ist Cranach immer ein halber
Handwerker gewesen; er ist in der deutschen Kunst der klassische Vertreter der
Übergangsstufe, auf der sich die Kunst vom Handwerk lvsringt. Das Maler¬
handwerk war in seiner Familie erblich. Schon sein Vater war in dem Städtchen
Kronach in Franken Maler gewesen: ^ xatrs g.rtsm gre>.pllivam clicUeit, heißt es in
der Gedächtnisrede auf ihn, die kurz nach seinem Tode verfaßt und 1556 in den
Tnrmknopf der Wittenberger Stadtkirche gelegt wurde.") Und Lukas Cranach
selbst leitete in Wittenberg eine große Malerwerkstatt, die alles lieferte, was der
heutige „Kunstmaler," aber auch alles, was der heutige Dekorationsmaler,
Stubenmaler, Anstreicher, Lackirer, Firmenschreiber, Vergolder liefert. Bei
„Meister Lukas" in Wittenberg konnte man sich „konterfeien" lassen, man



KraPlii-AM natürlich für pivtori-»in; seit der Hmnanistenzeit gefiel man sich in der
Anwendmig griechischer Ausdrücke. An den beschränkten Sinn unsrer heutigen „graphischen"
Künste ist dabei nicht zu denken.
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[0290] Lukas Lranachs Holzschnitte und Rupferstichs Versuch, das Leben Cranachs im Zusammenhange und auf einem breitern geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Hintergrunde zu erzählen. Abbildungen, die doch bei einer Künstlerbiographie jetzt mit Recht für unerläßlich gelten, hat keins dieser beiden Bücher. Einige wenige Nachbildungen Crnnachscher Gemälde sind der Lebensbeschreibung beigegeben, die sich im ersten Bande von Dohmes „Kunst und Künstlern des Mittelalters und der Neuzeit" findet (Leipzig, 1877), einige weitere, vorzüglich ausgewählte der meisterhaften Charakteristik Cranachs, die Janitschek in seiner „Geschichte der Deutschen Malerei" (Berlin, 1890) gegeben hat. Eine Anzahl von Buchverzierungen, die Crcinach zuge¬ schrieben werden (Titeleinfasfungen und Initialen), hat Vutsch im ersten Bande seiner „Bücherornamentik der Renaissance" (Leipzig, 1878) nachbilden lassen, ein paar Porträts G. Hirth in seinen „Bildern ans der Lutherzeit" (München, 1883), eine Auswahl von Holzschnitten aus illustrirten Wittenberger Drucken (ven Wittenberger Heiligtnmsbuch, dem Passional Christi und Antichristi und der Lutherschen Bibelübersetzung) Mulder in seiner „Deutschen Bücherillustra¬ tion der Gothik und Frtthrenaissanee" (München, 1884). Das ist aber alles, was weitern Kreisen bis jetzt von Cranachs Werken zugänglich gemacht worden ist. Wie wenig vermag aber das eine Vorstellung von seiner Künstlerschaft zu geben! Die haben bis jetzt doch nur die engen Kreise derer gehabt, die sich ans Liebhaberei (als Sammler) oder von Berufs wegen (als Kunsthistoriker von Fach) von einer größern Anzahl von Originalen des Künstlers (Gemälden, Holzschnitten und Kupferstichen) Kenntnis verschaffen konnten oder mußten. Und selbst denen wird das Studium des Künstlers erschwert durch einen Um¬ stand: der Name Lukas Crcmnch bedeutet nicht bloß eine Künstlerpersvnlichkeit, er bedeutet vor allein auch eine Geschäftsfirma. Während uns Dürer und Holbein ausschließlich oder fast ausschließlich als Künstler im heutigen Sinne geläufig sind, ist Cranach immer ein halber Handwerker gewesen; er ist in der deutschen Kunst der klassische Vertreter der Übergangsstufe, auf der sich die Kunst vom Handwerk lvsringt. Das Maler¬ handwerk war in seiner Familie erblich. Schon sein Vater war in dem Städtchen Kronach in Franken Maler gewesen: ^ xatrs g.rtsm gre>.pllivam clicUeit, heißt es in der Gedächtnisrede auf ihn, die kurz nach seinem Tode verfaßt und 1556 in den Tnrmknopf der Wittenberger Stadtkirche gelegt wurde.") Und Lukas Cranach selbst leitete in Wittenberg eine große Malerwerkstatt, die alles lieferte, was der heutige „Kunstmaler," aber auch alles, was der heutige Dekorationsmaler, Stubenmaler, Anstreicher, Lackirer, Firmenschreiber, Vergolder liefert. Bei „Meister Lukas" in Wittenberg konnte man sich „konterfeien" lassen, man KraPlii-AM natürlich für pivtori-»in; seit der Hmnanistenzeit gefiel man sich in der Anwendmig griechischer Ausdrücke. An den beschränkten Sinn unsrer heutigen „graphischen" Künste ist dabei nicht zu denken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/290>, abgerufen am 28.06.2024.