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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Zwei Vorrechte der Besitzenden im Rechtsverkehr

haben, eine so außergewöhnliche Begünstigung solcher Schuldner herbeizuführen,
über deren Vermögen Konkurs eröffnet worden ist. Denn die Bemerkung in
den amtlichen Motiven zur Konkursordnung: der Grund der Einführung des
Zwangsvergleichs sei der, daß man die wirtschaftliche Existenz des Schuldners
nicht der Willkür jedes einzelnen Gläubigers überlassen könne, träfe ja mit
viel größerm Recht bei einer ganzen Reihe andrer Schuldner zu, und nicht
bloß bei solchen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet ist. Zwar ist
von der Gesetzgebung niemand so zurückgesetzt, daß uicht über sein Vermögen
auf seinen oder seiner Gläubiger Antrag der Konkurs eröffnet werden könnte,
aber das Gesetz bestimmt weiter, daß der Antrag auf Eröffnung des Kon¬
kurses zurückzuweisen ist, wenn nicht eine zur Deckung der Kosten des Ver¬
fahrens genügende Masse vorhanden ist, und die Gerichte pflegen daher An¬
träge auf Konkurseröffnung zurückzuweisen, sobald ersichtlich ist, daß das
Aktivvermögen des Schuldners nicht wenigstens tausend Mark beträgt. Jeden¬
falls ist es hiernach ausgeschlossen, daß der Besitzlose, der seinen geringfügigen
Zahlnngsverpflichtnngen vorübergehend oder dauernd nachzukommen außer
stände ist, der Wohlthat des Konkurses und des Zwangsvcrgleichs genießt.
Man hat daher wohl noch niemals gehört, daß über das Vermögen eines
Arbeiters oder eines Handwerksmeisters von rein handwerksmäßigen Betriebe,
auch noch niemals, daß über das Vermögen eines Bauern der Konkurs er¬
öffnet worden sei. Denn der Kredit des Bauern ist gewöhnlich verbunden
mit hypothekarischer Verpfändung des Grundstücks; dies nebst dem Wirtschafts¬
inventar dient zur abgesonderten Befriedigung der Hypvthekenglüubiger, die
von ihrer Forderung keinen Pfennig abzulassen brauchen, sondern zur Be¬
friedigung des kleinsten Forderungsbetrags die Subhastation des Grundstücks
betreiben können. Da das Vermögen des Bauern aber erfahrungsgemäß nur
in dem Grundstück nebst dem Wirtschaftsinventar besteht, beides aber zur Be¬
friedigung der Hypvthekenglüubiger dient, so ist keine zur Eröffnung des Kon¬
kurses hinreichende Masse vorhanden, und der Bauer, der in Zahlungsstockung
gerät, kann der Wohlthat, von Rechts wegen seine Wechsel- und Geschäfts-
glüubiger durch Zwangsvergleich um einen Teil ihrer Forderungen zu bringen,
ebenso wenig teilhaftig werden wie der Arbeiter oder der Handwerker. That¬
sächlich ist also das Konkursverfahren und namentlich der Zwangsvergleich
eine durch nichts begründete Bevorzugung der Besitzenden, die man als Kauf¬
leute bezeichnet, wie denn unter fünfhundert Konkursen kaum einer ist, wo der
Gemeinschnldner nicht Kaufmann wäre (hierher gehören auch die Gutsbesitzer
und Handwerker, die ihren Beruf in kaufmännischer Weise betreiben).

Die schlimmen Folgen dieses unbegründeten Vorrechts sind zur Genüge
bekannt. Es ist geradezu ein Anreiz für unfertige Leute, sich wirtschaftlich
selbständig zu machen. Gelingt es nicht, sich die Selbständigkeit zu erhalten,
so stellt man seine Zahlungen ein und akkvrdirt im Konkurse mit den Glan-


Zwei Vorrechte der Besitzenden im Rechtsverkehr

haben, eine so außergewöhnliche Begünstigung solcher Schuldner herbeizuführen,
über deren Vermögen Konkurs eröffnet worden ist. Denn die Bemerkung in
den amtlichen Motiven zur Konkursordnung: der Grund der Einführung des
Zwangsvergleichs sei der, daß man die wirtschaftliche Existenz des Schuldners
nicht der Willkür jedes einzelnen Gläubigers überlassen könne, träfe ja mit
viel größerm Recht bei einer ganzen Reihe andrer Schuldner zu, und nicht
bloß bei solchen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet ist. Zwar ist
von der Gesetzgebung niemand so zurückgesetzt, daß uicht über sein Vermögen
auf seinen oder seiner Gläubiger Antrag der Konkurs eröffnet werden könnte,
aber das Gesetz bestimmt weiter, daß der Antrag auf Eröffnung des Kon¬
kurses zurückzuweisen ist, wenn nicht eine zur Deckung der Kosten des Ver¬
fahrens genügende Masse vorhanden ist, und die Gerichte pflegen daher An¬
träge auf Konkurseröffnung zurückzuweisen, sobald ersichtlich ist, daß das
Aktivvermögen des Schuldners nicht wenigstens tausend Mark beträgt. Jeden¬
falls ist es hiernach ausgeschlossen, daß der Besitzlose, der seinen geringfügigen
Zahlnngsverpflichtnngen vorübergehend oder dauernd nachzukommen außer
stände ist, der Wohlthat des Konkurses und des Zwangsvcrgleichs genießt.
Man hat daher wohl noch niemals gehört, daß über das Vermögen eines
Arbeiters oder eines Handwerksmeisters von rein handwerksmäßigen Betriebe,
auch noch niemals, daß über das Vermögen eines Bauern der Konkurs er¬
öffnet worden sei. Denn der Kredit des Bauern ist gewöhnlich verbunden
mit hypothekarischer Verpfändung des Grundstücks; dies nebst dem Wirtschafts¬
inventar dient zur abgesonderten Befriedigung der Hypvthekenglüubiger, die
von ihrer Forderung keinen Pfennig abzulassen brauchen, sondern zur Be¬
friedigung des kleinsten Forderungsbetrags die Subhastation des Grundstücks
betreiben können. Da das Vermögen des Bauern aber erfahrungsgemäß nur
in dem Grundstück nebst dem Wirtschaftsinventar besteht, beides aber zur Be¬
friedigung der Hypvthekenglüubiger dient, so ist keine zur Eröffnung des Kon¬
kurses hinreichende Masse vorhanden, und der Bauer, der in Zahlungsstockung
gerät, kann der Wohlthat, von Rechts wegen seine Wechsel- und Geschäfts-
glüubiger durch Zwangsvergleich um einen Teil ihrer Forderungen zu bringen,
ebenso wenig teilhaftig werden wie der Arbeiter oder der Handwerker. That¬
sächlich ist also das Konkursverfahren und namentlich der Zwangsvergleich
eine durch nichts begründete Bevorzugung der Besitzenden, die man als Kauf¬
leute bezeichnet, wie denn unter fünfhundert Konkursen kaum einer ist, wo der
Gemeinschnldner nicht Kaufmann wäre (hierher gehören auch die Gutsbesitzer
und Handwerker, die ihren Beruf in kaufmännischer Weise betreiben).

Die schlimmen Folgen dieses unbegründeten Vorrechts sind zur Genüge
bekannt. Es ist geradezu ein Anreiz für unfertige Leute, sich wirtschaftlich
selbständig zu machen. Gelingt es nicht, sich die Selbständigkeit zu erhalten,
so stellt man seine Zahlungen ein und akkvrdirt im Konkurse mit den Glan-


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[0518] Zwei Vorrechte der Besitzenden im Rechtsverkehr haben, eine so außergewöhnliche Begünstigung solcher Schuldner herbeizuführen, über deren Vermögen Konkurs eröffnet worden ist. Denn die Bemerkung in den amtlichen Motiven zur Konkursordnung: der Grund der Einführung des Zwangsvergleichs sei der, daß man die wirtschaftliche Existenz des Schuldners nicht der Willkür jedes einzelnen Gläubigers überlassen könne, träfe ja mit viel größerm Recht bei einer ganzen Reihe andrer Schuldner zu, und nicht bloß bei solchen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet ist. Zwar ist von der Gesetzgebung niemand so zurückgesetzt, daß uicht über sein Vermögen auf seinen oder seiner Gläubiger Antrag der Konkurs eröffnet werden könnte, aber das Gesetz bestimmt weiter, daß der Antrag auf Eröffnung des Kon¬ kurses zurückzuweisen ist, wenn nicht eine zur Deckung der Kosten des Ver¬ fahrens genügende Masse vorhanden ist, und die Gerichte pflegen daher An¬ träge auf Konkurseröffnung zurückzuweisen, sobald ersichtlich ist, daß das Aktivvermögen des Schuldners nicht wenigstens tausend Mark beträgt. Jeden¬ falls ist es hiernach ausgeschlossen, daß der Besitzlose, der seinen geringfügigen Zahlnngsverpflichtnngen vorübergehend oder dauernd nachzukommen außer stände ist, der Wohlthat des Konkurses und des Zwangsvcrgleichs genießt. Man hat daher wohl noch niemals gehört, daß über das Vermögen eines Arbeiters oder eines Handwerksmeisters von rein handwerksmäßigen Betriebe, auch noch niemals, daß über das Vermögen eines Bauern der Konkurs er¬ öffnet worden sei. Denn der Kredit des Bauern ist gewöhnlich verbunden mit hypothekarischer Verpfändung des Grundstücks; dies nebst dem Wirtschafts¬ inventar dient zur abgesonderten Befriedigung der Hypvthekenglüubiger, die von ihrer Forderung keinen Pfennig abzulassen brauchen, sondern zur Be¬ friedigung des kleinsten Forderungsbetrags die Subhastation des Grundstücks betreiben können. Da das Vermögen des Bauern aber erfahrungsgemäß nur in dem Grundstück nebst dem Wirtschaftsinventar besteht, beides aber zur Be¬ friedigung der Hypvthekenglüubiger dient, so ist keine zur Eröffnung des Kon¬ kurses hinreichende Masse vorhanden, und der Bauer, der in Zahlungsstockung gerät, kann der Wohlthat, von Rechts wegen seine Wechsel- und Geschäfts- glüubiger durch Zwangsvergleich um einen Teil ihrer Forderungen zu bringen, ebenso wenig teilhaftig werden wie der Arbeiter oder der Handwerker. That¬ sächlich ist also das Konkursverfahren und namentlich der Zwangsvergleich eine durch nichts begründete Bevorzugung der Besitzenden, die man als Kauf¬ leute bezeichnet, wie denn unter fünfhundert Konkursen kaum einer ist, wo der Gemeinschnldner nicht Kaufmann wäre (hierher gehören auch die Gutsbesitzer und Handwerker, die ihren Beruf in kaufmännischer Weise betreiben). Die schlimmen Folgen dieses unbegründeten Vorrechts sind zur Genüge bekannt. Es ist geradezu ein Anreiz für unfertige Leute, sich wirtschaftlich selbständig zu machen. Gelingt es nicht, sich die Selbständigkeit zu erhalten, so stellt man seine Zahlungen ein und akkvrdirt im Konkurse mit den Glan-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/518>, abgerufen am 23.06.2024.