Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.Wandlungen des Ich im Aeitenstrome Prälat? -- Ja! -- Das werden Sie bereuen! -- I wo! -- Damit trat er Nach Ausbruch des Kulturkampfs mag er wohl manchmal gedacht haben: Ich ging nun ins Alumnat zurück und traf den Rektor. Es war nicht Ich rannte nnn zunächst zu Reinkens -- nicht zu Hause. Dann zu Protest des Kaplcms Jentsch gegen das Verfahren des Fürstbischoflichen General- Breslau, den 1. Mai 1870 Hochwürdigstes Fürstbischvfliches Generalvikariatamt! Infolge meiner Erklärung in der Schlesischen Zeitung vom 22. April s.. o. Wandlungen des Ich im Aeitenstrome Prälat? — Ja! — Das werden Sie bereuen! — I wo! — Damit trat er Nach Ausbruch des Kulturkampfs mag er wohl manchmal gedacht haben: Ich ging nun ins Alumnat zurück und traf den Rektor. Es war nicht Ich rannte nnn zunächst zu Reinkens — nicht zu Hause. Dann zu Protest des Kaplcms Jentsch gegen das Verfahren des Fürstbischoflichen General- Breslau, den 1. Mai 1870 Hochwürdigstes Fürstbischvfliches Generalvikariatamt! Infolge meiner Erklärung in der Schlesischen Zeitung vom 22. April s.. o. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220800"/> <fw type="header" place="top"> Wandlungen des Ich im Aeitenstrome</fw><lb/> <p xml:id="ID_1883" prev="#ID_1882"> Prälat? — Ja! — Das werden Sie bereuen! — I wo! — Damit trat er<lb/> in sein Arbeitszimmer zurück und schlug die Thür hinter sich zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1884"> Nach Ausbruch des Kulturkampfs mag er wohl manchmal gedacht haben:<lb/> der Kerl hat doch am Ende Recht gehabt! Schließlich jedoch haben die Er¬<lb/> eignisse ihm gegen mich Recht gegeben. Aber man kann nicht wissen, vielleicht<lb/> giebt das nächste Jahrhundert mir wieder Recht. Als ich ein paar Jahre<lb/> später einem Bekannten diese Geschichten erzählte und bis zur Vorlegung der<lb/> Briefe gekommen war, rief er verwundert: Das haben Sie gethan? Da merkte<lb/> ich erst, daß ich damit eigentlich illoyal gehandelt hatte. In Stunden großer<lb/> Aufregung hat man eben immer nur den nächsten Zweck im Auge und denkt<lb/> an nichts von dem, was nicht unmittelbar darauf Beziehung hat. Übrigens<lb/> bin ich überzeugt, daß meine Indiskretion niemand geschadet hat. Bei den<lb/> Professoren und ErzPriestern konnte davon keine Rede sein, und an die Kciplüue<lb/> wird Neukirch, der wichtigere Sorgen hatte, schon im nächsten Augenblick gar<lb/> nicht mehr, jedenfalls nicht grollend, gedacht haben. Ihm persönlich war ja<lb/> alles, was Opponenten sagten und schrieben, aus der Seele gesprochen, und<lb/> ein „öffentliches Ärgernis" hatten sie nicht gegeben. Auch wußte ich ans Er¬<lb/> fahrung, daß die Herren am Dom stets streng loyal handeln und namentlich<lb/> niemals den Grundsatz verletzen: <znock non est in aotis, non «zst in aurato;<lb/> den Zustimmenden also brachte meine Indiskretion durchaus keine Gefahr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1885"> Ich ging nun ins Alumnat zurück und traf den Rektor. Es war nicht<lb/> mehr Sauer, vor dem ich mich gefürchtet haben würde, sondern sein Nach¬<lb/> folger: ein unbedeutender Mensch und gewöhnlicher Betbruder, dessen fromme<lb/> Redensarten mich anwiderten, und der mir nicht im geringsten imponirte. Nach¬<lb/> dem er mir die Tagesordnung vorgeschrieben hatte, sagte ich: Ehe ich anfange,<lb/> werde ich mich vorher einmal mit Herrn Professor Reinkens besprechen. —<lb/> Nein, erwiderte er, das geht nicht; von diesem Augenblicke an dürfen Sie vor<lb/> Ablauf von acht Tagen das Alumnat nicht mehr verlassen! — Was, rief ich,<lb/> eine Freiheitsberaubung? Da will ich mich doch erst einmal erkundigen, ob<lb/> Sie das Recht dazu haben! Pförtner, meinen Koffer ins Deutsche Haus!</p><lb/> <p xml:id="ID_1886"> Ich rannte nnn zunächst zu Reinkens — nicht zu Hause. Dann zu<lb/> Elvenich — nicht zu Hause; zu Weber — auch nicht zu Hause. Dann rannte<lb/> ich noch ein paar Stunden zwecklos herum. In der Nacht konnte ich natür¬<lb/> lich kein Ange zuthun und heckte folgenden Protest aus, den ich, sobald der<lb/> Morgen graute, mit Bleistift zu Papier brachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1887"> Protest des Kaplcms Jentsch gegen das Verfahren des Fürstbischoflichen General-<lb/> viknriatamts.</p><lb/> <p xml:id="ID_1888"> Breslau, den 1. Mai 1870</p><lb/> <note type="salute"> Hochwürdigstes Fürstbischvfliches Generalvikariatamt!</note><lb/> <p xml:id="ID_1889" next="#ID_1890"> Infolge meiner Erklärung in der Schlesischen Zeitung vom 22. April s.. o.<lb/> bin ich nach protokollarischer Beantwortung einiger an mich gerichteten Fragen durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
Wandlungen des Ich im Aeitenstrome
Prälat? — Ja! — Das werden Sie bereuen! — I wo! — Damit trat er
in sein Arbeitszimmer zurück und schlug die Thür hinter sich zu.
Nach Ausbruch des Kulturkampfs mag er wohl manchmal gedacht haben:
der Kerl hat doch am Ende Recht gehabt! Schließlich jedoch haben die Er¬
eignisse ihm gegen mich Recht gegeben. Aber man kann nicht wissen, vielleicht
giebt das nächste Jahrhundert mir wieder Recht. Als ich ein paar Jahre
später einem Bekannten diese Geschichten erzählte und bis zur Vorlegung der
Briefe gekommen war, rief er verwundert: Das haben Sie gethan? Da merkte
ich erst, daß ich damit eigentlich illoyal gehandelt hatte. In Stunden großer
Aufregung hat man eben immer nur den nächsten Zweck im Auge und denkt
an nichts von dem, was nicht unmittelbar darauf Beziehung hat. Übrigens
bin ich überzeugt, daß meine Indiskretion niemand geschadet hat. Bei den
Professoren und ErzPriestern konnte davon keine Rede sein, und an die Kciplüue
wird Neukirch, der wichtigere Sorgen hatte, schon im nächsten Augenblick gar
nicht mehr, jedenfalls nicht grollend, gedacht haben. Ihm persönlich war ja
alles, was Opponenten sagten und schrieben, aus der Seele gesprochen, und
ein „öffentliches Ärgernis" hatten sie nicht gegeben. Auch wußte ich ans Er¬
fahrung, daß die Herren am Dom stets streng loyal handeln und namentlich
niemals den Grundsatz verletzen: <znock non est in aotis, non «zst in aurato;
den Zustimmenden also brachte meine Indiskretion durchaus keine Gefahr.
Ich ging nun ins Alumnat zurück und traf den Rektor. Es war nicht
mehr Sauer, vor dem ich mich gefürchtet haben würde, sondern sein Nach¬
folger: ein unbedeutender Mensch und gewöhnlicher Betbruder, dessen fromme
Redensarten mich anwiderten, und der mir nicht im geringsten imponirte. Nach¬
dem er mir die Tagesordnung vorgeschrieben hatte, sagte ich: Ehe ich anfange,
werde ich mich vorher einmal mit Herrn Professor Reinkens besprechen. —
Nein, erwiderte er, das geht nicht; von diesem Augenblicke an dürfen Sie vor
Ablauf von acht Tagen das Alumnat nicht mehr verlassen! — Was, rief ich,
eine Freiheitsberaubung? Da will ich mich doch erst einmal erkundigen, ob
Sie das Recht dazu haben! Pförtner, meinen Koffer ins Deutsche Haus!
Ich rannte nnn zunächst zu Reinkens — nicht zu Hause. Dann zu
Elvenich — nicht zu Hause; zu Weber — auch nicht zu Hause. Dann rannte
ich noch ein paar Stunden zwecklos herum. In der Nacht konnte ich natür¬
lich kein Ange zuthun und heckte folgenden Protest aus, den ich, sobald der
Morgen graute, mit Bleistift zu Papier brachte.
Protest des Kaplcms Jentsch gegen das Verfahren des Fürstbischoflichen General-
viknriatamts.
Breslau, den 1. Mai 1870
Hochwürdigstes Fürstbischvfliches Generalvikariatamt!
Infolge meiner Erklärung in der Schlesischen Zeitung vom 22. April s.. o.
bin ich nach protokollarischer Beantwortung einiger an mich gerichteten Fragen durch
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