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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Kirche und Schule

Der zweite Punkt, an dem die Kirche noch mit der Volksschule in Be¬
rührung steht, ist der sogenannte Kirchendienst der Kirchschullehrer; er umfaßt
ursprünglich die alten Pflichten der Küster. Nun sind aber diese Pflichten
unsern jetzigen Volksschullehrern auch keine Annehmlichkeit mehr; wie die
meisten Kirchschullehrer nichts mehr von der alten Küstertracht, der Schalaune,
wissen wollen, so paßt ihnen auch der sogenannte niedere Kirchendienst, also
das Säubern der Kirche, das Läuten der Glocken, das Aufziehen der Kirchen¬
uhr u. dergl. schon lange nicht mehr. Man kann ihnen das in gewisser Be¬
ziehung nicht verdenken, denn ihr Einkommen vom Schuldienst ist zwar durch¬
aus nicht glänzend, aber doch so, daß einer nicht gerade auf das Einkommen
vom Kirchendienst angewiesen ist.*) Und andrerseits -- niemand kann zween
Herrn dienen; der Kirchendienst der Kirchschullehrer führt in der That bis¬
weilen zu Unzuträglichkeiten, sodaß vom "schulischen" oder auch "unterricht¬
lichen" Standpunkte aus die Ablösung des Kirchendienstes wünschenswert ist.
Vom Standpunkte der Kirche aus erst recht; denn sie würde dadurch erst
wieder in den Stand gesetzt werden, ein selbständiges Küsteramt zu vergeben
und ihren Diener ganz für sich in Anspruch zu nehmen. Aber selbstverständ¬
lich müssen die Volksschullehrer, indem sie den Küsterdienst abgeben, auch auf
das Küstereinkommen verzichten. Das ist aber meist nicht unbeträchtlich, es
schwankt, im Königreiche Sachsen wenigstens, zwischen 200 und 1200 Mark
und besteht aus den Erträgnissen des Kirchschul-, richtiger des Küsterleheus
und baren Betrügen, die verschiedne kirchliche Kassen zahlen. Die Ausein¬
andersetzung ist aber gar nicht so einfach; denn vielfach stehen die Schulgebäude
auf dem Grunde und Boden der alten Küsterlehen. Trotzdem wird sie kommen,
ja wenn man sieht, wie im Königreich Sachsen einerseits von der weltlichen
Behörde auf die reinliche Scheidung zwischen Kirchschullehen und schlichtem
sehnlicher gesehen wird, und mit welcher Zähigkeit andrerseits die kirchliche
Behörde über den Rechten der Kirche an die Küsterlehen wacht, erhält man
den Eindruck, als ob da, bewußt oder unbewußt, bereits auf die notwendige
Trennung hingearbeitet würde. Geistliche und Lehrer sollten sich bemühen,
diese Trennung, die in beider Interesse liegt, zu beschleunigen; falsch und



*) Im Königreich Sachsen bezieht ein Volksschullehrer -- nach Z 4 des Gesetzes vom
4- Mai 1892 -- außer freier Dienstwohnung bei seiner Anstellung als ständiger Lehrer ein
Einkommen von 1000 Mark, das nach einer vom sünfuudzwcuizigsten Lebensjahre des Lehrers
an zu rechnenden Dienstzeit von 5 Jahren bis auf 1200 Mark
" 10 " " " 1350 "
" 15 ,, ., ., 1600 "
" 20 " ,. 1600 .,
"26 " " " 1700 "
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durch Alterszulage", die vorläufig noch die Gemeinde zu gewähren hat, zu erhöhen ist. In
den Städten sind vielfach bessere Gehaltsstaffeln.
Kirche und Schule

Der zweite Punkt, an dem die Kirche noch mit der Volksschule in Be¬
rührung steht, ist der sogenannte Kirchendienst der Kirchschullehrer; er umfaßt
ursprünglich die alten Pflichten der Küster. Nun sind aber diese Pflichten
unsern jetzigen Volksschullehrern auch keine Annehmlichkeit mehr; wie die
meisten Kirchschullehrer nichts mehr von der alten Küstertracht, der Schalaune,
wissen wollen, so paßt ihnen auch der sogenannte niedere Kirchendienst, also
das Säubern der Kirche, das Läuten der Glocken, das Aufziehen der Kirchen¬
uhr u. dergl. schon lange nicht mehr. Man kann ihnen das in gewisser Be¬
ziehung nicht verdenken, denn ihr Einkommen vom Schuldienst ist zwar durch¬
aus nicht glänzend, aber doch so, daß einer nicht gerade auf das Einkommen
vom Kirchendienst angewiesen ist.*) Und andrerseits — niemand kann zween
Herrn dienen; der Kirchendienst der Kirchschullehrer führt in der That bis¬
weilen zu Unzuträglichkeiten, sodaß vom „schulischen" oder auch „unterricht¬
lichen" Standpunkte aus die Ablösung des Kirchendienstes wünschenswert ist.
Vom Standpunkte der Kirche aus erst recht; denn sie würde dadurch erst
wieder in den Stand gesetzt werden, ein selbständiges Küsteramt zu vergeben
und ihren Diener ganz für sich in Anspruch zu nehmen. Aber selbstverständ¬
lich müssen die Volksschullehrer, indem sie den Küsterdienst abgeben, auch auf
das Küstereinkommen verzichten. Das ist aber meist nicht unbeträchtlich, es
schwankt, im Königreiche Sachsen wenigstens, zwischen 200 und 1200 Mark
und besteht aus den Erträgnissen des Kirchschul-, richtiger des Küsterleheus
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andersetzung ist aber gar nicht so einfach; denn vielfach stehen die Schulgebäude
auf dem Grunde und Boden der alten Küsterlehen. Trotzdem wird sie kommen,
ja wenn man sieht, wie im Königreich Sachsen einerseits von der weltlichen
Behörde auf die reinliche Scheidung zwischen Kirchschullehen und schlichtem
sehnlicher gesehen wird, und mit welcher Zähigkeit andrerseits die kirchliche
Behörde über den Rechten der Kirche an die Küsterlehen wacht, erhält man
den Eindruck, als ob da, bewußt oder unbewußt, bereits auf die notwendige
Trennung hingearbeitet würde. Geistliche und Lehrer sollten sich bemühen,
diese Trennung, die in beider Interesse liegt, zu beschleunigen; falsch und



*) Im Königreich Sachsen bezieht ein Volksschullehrer — nach Z 4 des Gesetzes vom
4- Mai 1892 — außer freier Dienstwohnung bei seiner Anstellung als ständiger Lehrer ein
Einkommen von 1000 Mark, das nach einer vom sünfuudzwcuizigsten Lebensjahre des Lehrers
an zu rechnenden Dienstzeit von 5 Jahren bis auf 1200 Mark
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[0469] Kirche und Schule Der zweite Punkt, an dem die Kirche noch mit der Volksschule in Be¬ rührung steht, ist der sogenannte Kirchendienst der Kirchschullehrer; er umfaßt ursprünglich die alten Pflichten der Küster. Nun sind aber diese Pflichten unsern jetzigen Volksschullehrern auch keine Annehmlichkeit mehr; wie die meisten Kirchschullehrer nichts mehr von der alten Küstertracht, der Schalaune, wissen wollen, so paßt ihnen auch der sogenannte niedere Kirchendienst, also das Säubern der Kirche, das Läuten der Glocken, das Aufziehen der Kirchen¬ uhr u. dergl. schon lange nicht mehr. Man kann ihnen das in gewisser Be¬ ziehung nicht verdenken, denn ihr Einkommen vom Schuldienst ist zwar durch¬ aus nicht glänzend, aber doch so, daß einer nicht gerade auf das Einkommen vom Kirchendienst angewiesen ist.*) Und andrerseits — niemand kann zween Herrn dienen; der Kirchendienst der Kirchschullehrer führt in der That bis¬ weilen zu Unzuträglichkeiten, sodaß vom „schulischen" oder auch „unterricht¬ lichen" Standpunkte aus die Ablösung des Kirchendienstes wünschenswert ist. Vom Standpunkte der Kirche aus erst recht; denn sie würde dadurch erst wieder in den Stand gesetzt werden, ein selbständiges Küsteramt zu vergeben und ihren Diener ganz für sich in Anspruch zu nehmen. Aber selbstverständ¬ lich müssen die Volksschullehrer, indem sie den Küsterdienst abgeben, auch auf das Küstereinkommen verzichten. Das ist aber meist nicht unbeträchtlich, es schwankt, im Königreiche Sachsen wenigstens, zwischen 200 und 1200 Mark und besteht aus den Erträgnissen des Kirchschul-, richtiger des Küsterleheus und baren Betrügen, die verschiedne kirchliche Kassen zahlen. Die Ausein¬ andersetzung ist aber gar nicht so einfach; denn vielfach stehen die Schulgebäude auf dem Grunde und Boden der alten Küsterlehen. Trotzdem wird sie kommen, ja wenn man sieht, wie im Königreich Sachsen einerseits von der weltlichen Behörde auf die reinliche Scheidung zwischen Kirchschullehen und schlichtem sehnlicher gesehen wird, und mit welcher Zähigkeit andrerseits die kirchliche Behörde über den Rechten der Kirche an die Küsterlehen wacht, erhält man den Eindruck, als ob da, bewußt oder unbewußt, bereits auf die notwendige Trennung hingearbeitet würde. Geistliche und Lehrer sollten sich bemühen, diese Trennung, die in beider Interesse liegt, zu beschleunigen; falsch und *) Im Königreich Sachsen bezieht ein Volksschullehrer — nach Z 4 des Gesetzes vom 4- Mai 1892 — außer freier Dienstwohnung bei seiner Anstellung als ständiger Lehrer ein Einkommen von 1000 Mark, das nach einer vom sünfuudzwcuizigsten Lebensjahre des Lehrers an zu rechnenden Dienstzeit von 5 Jahren bis auf 1200 Mark „ 10 „ „ „ 1350 „ „ 15 ,, ., ., 1600 „ „ 20 „ ,. 1600 ., „26 „ „ „ 1700 „ ,. 30 „ „ „ 1S00 „ durch Alterszulage«, die vorläufig noch die Gemeinde zu gewähren hat, zu erhöhen ist. In den Städten sind vielfach bessere Gehaltsstaffeln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/469>, abgerufen am 24.06.2024.