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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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lauter in freihändlerischen Sinne zu entwickeln. Es sollte der Anfang einer
Bewegung sein, den Freihandel zu "einem Grundgesetz des britischen Reichs"
zu machen. Deswegen hatte er schon bei den Verhandlungen zwischen dem
Reiche und der Britisch-südafrikanischen Gesellschaft eine Klausel angeboten,
daß in dem neuen Gebiet englische Waren nie einen höhern Zoll sollten zahlen
müssen als in dem jetzigen südafrikanischen Zollverein. Im Kap-Parlament er¬
klärte er das damit, es sei doch vollständig sicher, daß sich die Kolonien und
Staaten südlich vom Sambesi vereinigen würden, und mit diesem Angebot habe
er die Zusicherung geben wollen, daß das vereinigte Südafrika bereit sei, diese
Zollvergünstigung für englische Waren für immer zu garantiren. Die Reichs¬
regierung lehnte aber die großmütige Klausel ab. Ebenso der jetzt verstorbne
kanadische Premierminister Sir John Thompson, dem Rhodes vorschlug, die
Kapkolonie und Kanada sollten sich die freie Einfuhr bestimmter Artikel gegen¬
seitig zusichern. In beiden Fällen würde ein für die internationalen Be¬
ziehungen des englischen Reichs verhängnisvoller Schritt geschehen sein, dessen
Folgen englische Staatsmänner mit der äußersten Vorsicht zu erwägen haben.
Der Zollabschluß der ungeheuern Gebiete des englischen Weltreichs gegen alle
nichtenglischen Länder der Erde wäre nach unsrer Überzeugung der Nagel zum
Sarge dieses Reiches.

Man kann nun nicht wissen, ob der Minister der Kapkolonie solche und
ähnliche Pläne selbst ernsthaft nimmt. Rhodes gehört zu jenen schwer zu be¬
urteilenden englischen Staatsmännern, die donquichotisch schillern. Es könnte
sein, daß er sich so imperialistisch geberdet, bloß um Kapital und Auswanderer
heranzuziehen. Seine häufigen und zur Übertreibung neigenden Reden, die
Sicherheit seiner Überzeugungen, die an fixe Ideen streift in allem, was
Imperialismus betrifft, besonders aber der oft wiederholte Grundsatz seiner Po¬
litik: "Freihandel mit dem Reich, mit dem Vorbehalt, gegen fremde Länder so
zu handeln, wie die Umstände gebieten," -- müssen einem englischen, aber anch
einem kanadischen oder australischen Realpolitiker thöricht vorkommen. Aber
Deutschland muß deu Mann einstweilen ernst nehmen; er hat Einfluß, Geld
und Thatkraft. Es muß aber auch nie den Maßstab vergessen, mit dem hier zu
messen ist. Die Weiße Bevölkerung, ans die allein diese großsprecherische Ju-
phrut?vllo^ sich stützen kann, war 1891 etwa der des Großherzogtums Olden¬
burg zu vergleichen, und alle Gold- und Diamantenfuude und die amtliche und
private Anpreisung des Ackerbodens von Rhodesia hatten die Zahl der eng¬
lischen Auswanderer nach allen Teilen Südafrikas 1894 doch erst auf 13000,
d. h. deu achten Teil der nach den Vereinigten Staaten auswandernden ge¬
hoben. Bewahrheitet sich die Vorhersage, daß die Ansiedlung weißer Land-
bauer in Rhodesia bis etwa hundert englische Meilen an den Sambesi mög¬
lich sei, daß sich also das "afrikanische Australien" so weit ausbreiten könne,
dann hat es mit der Anfiillung dieser Gebiete mit englischen Auswanderern


lauter in freihändlerischen Sinne zu entwickeln. Es sollte der Anfang einer
Bewegung sein, den Freihandel zu „einem Grundgesetz des britischen Reichs"
zu machen. Deswegen hatte er schon bei den Verhandlungen zwischen dem
Reiche und der Britisch-südafrikanischen Gesellschaft eine Klausel angeboten,
daß in dem neuen Gebiet englische Waren nie einen höhern Zoll sollten zahlen
müssen als in dem jetzigen südafrikanischen Zollverein. Im Kap-Parlament er¬
klärte er das damit, es sei doch vollständig sicher, daß sich die Kolonien und
Staaten südlich vom Sambesi vereinigen würden, und mit diesem Angebot habe
er die Zusicherung geben wollen, daß das vereinigte Südafrika bereit sei, diese
Zollvergünstigung für englische Waren für immer zu garantiren. Die Reichs¬
regierung lehnte aber die großmütige Klausel ab. Ebenso der jetzt verstorbne
kanadische Premierminister Sir John Thompson, dem Rhodes vorschlug, die
Kapkolonie und Kanada sollten sich die freie Einfuhr bestimmter Artikel gegen¬
seitig zusichern. In beiden Fällen würde ein für die internationalen Be¬
ziehungen des englischen Reichs verhängnisvoller Schritt geschehen sein, dessen
Folgen englische Staatsmänner mit der äußersten Vorsicht zu erwägen haben.
Der Zollabschluß der ungeheuern Gebiete des englischen Weltreichs gegen alle
nichtenglischen Länder der Erde wäre nach unsrer Überzeugung der Nagel zum
Sarge dieses Reiches.

Man kann nun nicht wissen, ob der Minister der Kapkolonie solche und
ähnliche Pläne selbst ernsthaft nimmt. Rhodes gehört zu jenen schwer zu be¬
urteilenden englischen Staatsmännern, die donquichotisch schillern. Es könnte
sein, daß er sich so imperialistisch geberdet, bloß um Kapital und Auswanderer
heranzuziehen. Seine häufigen und zur Übertreibung neigenden Reden, die
Sicherheit seiner Überzeugungen, die an fixe Ideen streift in allem, was
Imperialismus betrifft, besonders aber der oft wiederholte Grundsatz seiner Po¬
litik: „Freihandel mit dem Reich, mit dem Vorbehalt, gegen fremde Länder so
zu handeln, wie die Umstände gebieten," — müssen einem englischen, aber anch
einem kanadischen oder australischen Realpolitiker thöricht vorkommen. Aber
Deutschland muß deu Mann einstweilen ernst nehmen; er hat Einfluß, Geld
und Thatkraft. Es muß aber auch nie den Maßstab vergessen, mit dem hier zu
messen ist. Die Weiße Bevölkerung, ans die allein diese großsprecherische Ju-
phrut?vllo^ sich stützen kann, war 1891 etwa der des Großherzogtums Olden¬
burg zu vergleichen, und alle Gold- und Diamantenfuude und die amtliche und
private Anpreisung des Ackerbodens von Rhodesia hatten die Zahl der eng¬
lischen Auswanderer nach allen Teilen Südafrikas 1894 doch erst auf 13000,
d. h. deu achten Teil der nach den Vereinigten Staaten auswandernden ge¬
hoben. Bewahrheitet sich die Vorhersage, daß die Ansiedlung weißer Land-
bauer in Rhodesia bis etwa hundert englische Meilen an den Sambesi mög¬
lich sei, daß sich also das „afrikanische Australien" so weit ausbreiten könne,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/26>, abgerufen am 27.07.2024.