Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Aenntnis der englischen ZVeltpolitik

bis Johannisburg fortsetzen, das in erstaunlich kurzer Zeit schon 1893 erreicht
worden ist. Man weiß, wie lange die zähen Bemühungen Englands dauern,
die Delagoabai zu gewinnen, deren Bedeutung ja anch Deutschland durch die
Ausdehnung der Fahrten der subventionirten Dampfer bis dahin und die
Schaffung eines Vizekonsulats in Lonren^o Marquez anerkannt hat. Seitdem
es aber England gelungen ist, durch die raschen Vorstöße gegen die Matabele
und die Entwicklung des Sambestlmides die Südafrikanische Republik von Norden
und Osten her zu umfassen und sich durch den im Mai 1891 Portugal ab-
gezwunguen Vertrag den freien Zugang von der Küste nach Maschonaland zu
sichern, hat diese schöne Bucht viel von ihrem politischen Wert verloren, und
die dieses Jahr bevorstehende Eröffnung der Delagvabahn ist nicht mehr das
wichtige Ereignis, das sie gewesen wäre, wenn statt der Engländer die Buren
vom Limpopo an den Sambesi vorgedrungen wären, oder wenn sich Deutsch¬
land von der Südwestküste Afrikas nach dem Innern ausgebreitet hätte, ehe
es England gelungen war, den breiten Streifen seines Betschuanenprotektorats
zwischen Deutsche und Buren zu legen. Die finanzielle Ohnmacht Portugals
wird England, wenn man es gewähren läßt, auch zum Besitzer der aus seinen
binnenländischen Besitzungen am Sambesi und Nhassa zum Meere führenden
Wege machen, die dadurch die schwache Souveränität Portugals in diesem
wertvollen Gebiet einfach zerschneiden werden.

Der zweite Trumpf in dieser Politik, die die Herrschaft durch wirtschaftliche
Mittel sachte gewinnt, ist der Zollverein. Dr. Jameson nannte in einem Vor¬
trag in London, dem der Prinz vou Wales beiwohnte, am 28. Januar 189S
das künftige Britisch-Südcifrika ein Verkehrsgebiet "fast so groß wie Europa,"
d. h. wenn die Angliederung des Oranjefreistaats und der südafrikanischen
Republik erreicht sein werde, die er voreilig als bevorstehend bezeichnete. Für
den südafrikanischen Zollverein, sagte er, ist die Kapkolonie und der Orcmje-
freistciat, sowie die 50000 Einwanderer vom Kap und aus England in Trans¬
vaal; gegen ihn find entschieden die 15 000 Buren (? 24000 Wehrpflichtige
sind 1892 gezählt worden) der südafrikanischen Republik, und gleichgiltig ist
Natal. Nach unsrer Kenntnis ist der Oranjefreistaat nicht so sicher, nur in
der Südhälfte ist er an das englische Verkehrsgebiet gebunden. Die Südafri¬
kanische Republik aber, die im Begriff ist, sich den freien Weg zum Meere zu
bahnen, den sie sich hoffentlich noch verbreitern wird, dürfte um so weniger
geneigt sein, sich dieser Vereinigung anzuschließen, als diese ausgesprochen
"imperialistische" Ziele verfolgt. Getreu seiner Politik, in England die
Großbriten für sich zu interessiren und in Afrika mit den Sonderbestrebungen
zu liebäugeln und ans beiden Quelle" Macht und Einfluß zu ziehen, hat
Rhodes den Plan entworfen, den Finanztarif der Kapkolonie und ihrer Neben-



*) Der Oranjefreistaat hat am Is- Juni d. I. zunächst nur beschlossen, eine vorberatende
Zollkonferenz zu beschicken.
Grenzboten III 1895 3
Zur Aenntnis der englischen ZVeltpolitik

bis Johannisburg fortsetzen, das in erstaunlich kurzer Zeit schon 1893 erreicht
worden ist. Man weiß, wie lange die zähen Bemühungen Englands dauern,
die Delagoabai zu gewinnen, deren Bedeutung ja anch Deutschland durch die
Ausdehnung der Fahrten der subventionirten Dampfer bis dahin und die
Schaffung eines Vizekonsulats in Lonren^o Marquez anerkannt hat. Seitdem
es aber England gelungen ist, durch die raschen Vorstöße gegen die Matabele
und die Entwicklung des Sambestlmides die Südafrikanische Republik von Norden
und Osten her zu umfassen und sich durch den im Mai 1891 Portugal ab-
gezwunguen Vertrag den freien Zugang von der Küste nach Maschonaland zu
sichern, hat diese schöne Bucht viel von ihrem politischen Wert verloren, und
die dieses Jahr bevorstehende Eröffnung der Delagvabahn ist nicht mehr das
wichtige Ereignis, das sie gewesen wäre, wenn statt der Engländer die Buren
vom Limpopo an den Sambesi vorgedrungen wären, oder wenn sich Deutsch¬
land von der Südwestküste Afrikas nach dem Innern ausgebreitet hätte, ehe
es England gelungen war, den breiten Streifen seines Betschuanenprotektorats
zwischen Deutsche und Buren zu legen. Die finanzielle Ohnmacht Portugals
wird England, wenn man es gewähren läßt, auch zum Besitzer der aus seinen
binnenländischen Besitzungen am Sambesi und Nhassa zum Meere führenden
Wege machen, die dadurch die schwache Souveränität Portugals in diesem
wertvollen Gebiet einfach zerschneiden werden.

Der zweite Trumpf in dieser Politik, die die Herrschaft durch wirtschaftliche
Mittel sachte gewinnt, ist der Zollverein. Dr. Jameson nannte in einem Vor¬
trag in London, dem der Prinz vou Wales beiwohnte, am 28. Januar 189S
das künftige Britisch-Südcifrika ein Verkehrsgebiet „fast so groß wie Europa,"
d. h. wenn die Angliederung des Oranjefreistaats und der südafrikanischen
Republik erreicht sein werde, die er voreilig als bevorstehend bezeichnete. Für
den südafrikanischen Zollverein, sagte er, ist die Kapkolonie und der Orcmje-
freistciat, sowie die 50000 Einwanderer vom Kap und aus England in Trans¬
vaal; gegen ihn find entschieden die 15 000 Buren (? 24000 Wehrpflichtige
sind 1892 gezählt worden) der südafrikanischen Republik, und gleichgiltig ist
Natal. Nach unsrer Kenntnis ist der Oranjefreistaat nicht so sicher, nur in
der Südhälfte ist er an das englische Verkehrsgebiet gebunden. Die Südafri¬
kanische Republik aber, die im Begriff ist, sich den freien Weg zum Meere zu
bahnen, den sie sich hoffentlich noch verbreitern wird, dürfte um so weniger
geneigt sein, sich dieser Vereinigung anzuschließen, als diese ausgesprochen
„imperialistische" Ziele verfolgt. Getreu seiner Politik, in England die
Großbriten für sich zu interessiren und in Afrika mit den Sonderbestrebungen
zu liebäugeln und ans beiden Quelle» Macht und Einfluß zu ziehen, hat
Rhodes den Plan entworfen, den Finanztarif der Kapkolonie und ihrer Neben-



*) Der Oranjefreistaat hat am Is- Juni d. I. zunächst nur beschlossen, eine vorberatende
Zollkonferenz zu beschicken.
Grenzboten III 1895 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220351"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Aenntnis der englischen ZVeltpolitik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_40" prev="#ID_39"> bis Johannisburg fortsetzen, das in erstaunlich kurzer Zeit schon 1893 erreicht<lb/>
worden ist. Man weiß, wie lange die zähen Bemühungen Englands dauern,<lb/>
die Delagoabai zu gewinnen, deren Bedeutung ja anch Deutschland durch die<lb/>
Ausdehnung der Fahrten der subventionirten Dampfer bis dahin und die<lb/>
Schaffung eines Vizekonsulats in Lonren^o Marquez anerkannt hat. Seitdem<lb/>
es aber England gelungen ist, durch die raschen Vorstöße gegen die Matabele<lb/>
und die Entwicklung des Sambestlmides die Südafrikanische Republik von Norden<lb/>
und Osten her zu umfassen und sich durch den im Mai 1891 Portugal ab-<lb/>
gezwunguen Vertrag den freien Zugang von der Küste nach Maschonaland zu<lb/>
sichern, hat diese schöne Bucht viel von ihrem politischen Wert verloren, und<lb/>
die dieses Jahr bevorstehende Eröffnung der Delagvabahn ist nicht mehr das<lb/>
wichtige Ereignis, das sie gewesen wäre, wenn statt der Engländer die Buren<lb/>
vom Limpopo an den Sambesi vorgedrungen wären, oder wenn sich Deutsch¬<lb/>
land von der Südwestküste Afrikas nach dem Innern ausgebreitet hätte, ehe<lb/>
es England gelungen war, den breiten Streifen seines Betschuanenprotektorats<lb/>
zwischen Deutsche und Buren zu legen. Die finanzielle Ohnmacht Portugals<lb/>
wird England, wenn man es gewähren läßt, auch zum Besitzer der aus seinen<lb/>
binnenländischen Besitzungen am Sambesi und Nhassa zum Meere führenden<lb/>
Wege machen, die dadurch die schwache Souveränität Portugals in diesem<lb/>
wertvollen Gebiet einfach zerschneiden werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_41" next="#ID_42"> Der zweite Trumpf in dieser Politik, die die Herrschaft durch wirtschaftliche<lb/>
Mittel sachte gewinnt, ist der Zollverein. Dr. Jameson nannte in einem Vor¬<lb/>
trag in London, dem der Prinz vou Wales beiwohnte, am 28. Januar 189S<lb/>
das künftige Britisch-Südcifrika ein Verkehrsgebiet &#x201E;fast so groß wie Europa,"<lb/>
d. h. wenn die Angliederung des Oranjefreistaats und der südafrikanischen<lb/>
Republik erreicht sein werde, die er voreilig als bevorstehend bezeichnete. Für<lb/>
den südafrikanischen Zollverein, sagte er, ist die Kapkolonie und der Orcmje-<lb/>
freistciat, sowie die 50000 Einwanderer vom Kap und aus England in Trans¬<lb/>
vaal; gegen ihn find entschieden die 15 000 Buren (? 24000 Wehrpflichtige<lb/>
sind 1892 gezählt worden) der südafrikanischen Republik, und gleichgiltig ist<lb/>
Natal. Nach unsrer Kenntnis ist der Oranjefreistaat nicht so sicher, nur in<lb/>
der Südhälfte ist er an das englische Verkehrsgebiet gebunden. Die Südafri¬<lb/>
kanische Republik aber, die im Begriff ist, sich den freien Weg zum Meere zu<lb/>
bahnen, den sie sich hoffentlich noch verbreitern wird, dürfte um so weniger<lb/>
geneigt sein, sich dieser Vereinigung anzuschließen, als diese ausgesprochen<lb/>
&#x201E;imperialistische" Ziele verfolgt. Getreu seiner Politik, in England die<lb/>
Großbriten für sich zu interessiren und in Afrika mit den Sonderbestrebungen<lb/>
zu liebäugeln und ans beiden Quelle» Macht und Einfluß zu ziehen, hat<lb/>
Rhodes den Plan entworfen, den Finanztarif der Kapkolonie und ihrer Neben-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_3" place="foot"> *) Der Oranjefreistaat hat am Is- Juni d. I. zunächst nur beschlossen, eine vorberatende<lb/>
Zollkonferenz zu beschicken.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1895 3</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0025] Zur Aenntnis der englischen ZVeltpolitik bis Johannisburg fortsetzen, das in erstaunlich kurzer Zeit schon 1893 erreicht worden ist. Man weiß, wie lange die zähen Bemühungen Englands dauern, die Delagoabai zu gewinnen, deren Bedeutung ja anch Deutschland durch die Ausdehnung der Fahrten der subventionirten Dampfer bis dahin und die Schaffung eines Vizekonsulats in Lonren^o Marquez anerkannt hat. Seitdem es aber England gelungen ist, durch die raschen Vorstöße gegen die Matabele und die Entwicklung des Sambestlmides die Südafrikanische Republik von Norden und Osten her zu umfassen und sich durch den im Mai 1891 Portugal ab- gezwunguen Vertrag den freien Zugang von der Küste nach Maschonaland zu sichern, hat diese schöne Bucht viel von ihrem politischen Wert verloren, und die dieses Jahr bevorstehende Eröffnung der Delagvabahn ist nicht mehr das wichtige Ereignis, das sie gewesen wäre, wenn statt der Engländer die Buren vom Limpopo an den Sambesi vorgedrungen wären, oder wenn sich Deutsch¬ land von der Südwestküste Afrikas nach dem Innern ausgebreitet hätte, ehe es England gelungen war, den breiten Streifen seines Betschuanenprotektorats zwischen Deutsche und Buren zu legen. Die finanzielle Ohnmacht Portugals wird England, wenn man es gewähren läßt, auch zum Besitzer der aus seinen binnenländischen Besitzungen am Sambesi und Nhassa zum Meere führenden Wege machen, die dadurch die schwache Souveränität Portugals in diesem wertvollen Gebiet einfach zerschneiden werden. Der zweite Trumpf in dieser Politik, die die Herrschaft durch wirtschaftliche Mittel sachte gewinnt, ist der Zollverein. Dr. Jameson nannte in einem Vor¬ trag in London, dem der Prinz vou Wales beiwohnte, am 28. Januar 189S das künftige Britisch-Südcifrika ein Verkehrsgebiet „fast so groß wie Europa," d. h. wenn die Angliederung des Oranjefreistaats und der südafrikanischen Republik erreicht sein werde, die er voreilig als bevorstehend bezeichnete. Für den südafrikanischen Zollverein, sagte er, ist die Kapkolonie und der Orcmje- freistciat, sowie die 50000 Einwanderer vom Kap und aus England in Trans¬ vaal; gegen ihn find entschieden die 15 000 Buren (? 24000 Wehrpflichtige sind 1892 gezählt worden) der südafrikanischen Republik, und gleichgiltig ist Natal. Nach unsrer Kenntnis ist der Oranjefreistaat nicht so sicher, nur in der Südhälfte ist er an das englische Verkehrsgebiet gebunden. Die Südafri¬ kanische Republik aber, die im Begriff ist, sich den freien Weg zum Meere zu bahnen, den sie sich hoffentlich noch verbreitern wird, dürfte um so weniger geneigt sein, sich dieser Vereinigung anzuschließen, als diese ausgesprochen „imperialistische" Ziele verfolgt. Getreu seiner Politik, in England die Großbriten für sich zu interessiren und in Afrika mit den Sonderbestrebungen zu liebäugeln und ans beiden Quelle» Macht und Einfluß zu ziehen, hat Rhodes den Plan entworfen, den Finanztarif der Kapkolonie und ihrer Neben- *) Der Oranjefreistaat hat am Is- Juni d. I. zunächst nur beschlossen, eine vorberatende Zollkonferenz zu beschicken. Grenzboten III 1895 3

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/25
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/25>, abgerufen am 27.07.2024.