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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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gute Wege. Für Deutschland eröffne" sich, wenn es auch nur einen Teil seiner
Auswanderung und seines Kapitals nach Transvaal und den Nachbargebieten
leitete, um so günstigere Aussichten. Nur muß man die Angelegenheit nicht
rein politisch anfassen, wie ein Teil unsrer Zeitungen geneigt ist. Die Vorder¬
seite dieses Problems ist überhaupt wirtschaftlich, und wirtschaftlich ist es an¬
zufassen. Warum haben unsre Landsleute die Ausbeutung der Goldlager des
Transvaal fast ganz in englische Hände fallen lassen? Warum sind sie nicht
in größerer Zahl schon früher eingewandert? Mit durchschnittlich 390 Aus¬
wanderern, wie sie aus Deutschland in dem Jahrzehnt 1884/93 nach Afrika gingen,
kann auch die geschickteste Politik nichts nufangen. Ob nicht die beiden Regie¬
rungen, die deutsche und die der südafrikanischen Republik etwas hätten thun
können, diese Zahl zu erhöhen? Es war möglich, und es ist noch möglich.
Aber wir berühren hier den wunden Punkt der Bismnrckischen Kolonialpolitik,
die für den notwendigen Zusammenhang der Kolonial- und Auswanderungs¬
frage keinen Sinn hatte, und wir können nur sagen, daß wir besseres von der
nächsten Zukunft erwarten. Das Staatsvermögen der Republik, besteht aus
großenteils noch unvermessenen Staatsliindereien im Betrage von etwa 25 Mil¬
lionen Kapmorgen. Warum kolonisirt man diesen herrlichen Raum nicht plan¬
mäßig? Früher hat man ihn deutschen Einwanderern nicht gönnen wollen,
vielleicht sieht man ein, daß es keinen bessern Schutz gegen die Überschwem¬
mung mit englischen Goldgräbern geben könnte, als eine handfeste, stamm¬
verwandte Vauernbevölkerung.

Die nächste Zukunft der Beziehungen zwischen dem Burenfreistaat und
dem überwältigend groß gewordnen englischen Südafrika steht noch unter dem
Einfluß der Expansion in den letzten zehn Jahren, deren Ausläufer die Swasi¬
land- und Tongalandfrage sind. In den Verträgen von 1881 und 1884 mit
der südafrikanischen Republik hatte sich England das Schutzrecht über eine
Anzahl von kleinen Häuptlingen Betschuanas westlich vom Transvaalgebiet
vorbehalten. Als die Buren in diese Gebiete, sei es mit Recht oder mit Un¬
recht, vordrangen und in Stellaland einen vergänglichen Ableger ihrer Re¬
publik gründeten, entsandte England einen Offizier mit kleiner Truppenmacht,
den General Charles Warren, der die Gebiete für England in Anspruch
"ahn. Das war der erste Schritt zur Ausbreitung nach Norden, dem nun,
als sich Deutschland in Südwestafrika festgesetzt hatte, weitere folgten: das
Protektorat über Vetschuanaland und die östliche Kalcchari 1885 und die
Schaffung der Kronkolonie Vetschuanaland südlich vom Molopvfluß, 1888 das
Vorrücken bis zum Sambesi, 1889 die Erteilung eines Charter an die Britische
Südafrikanische Gesellschaft, die nun alles weitere übernahm und durchführte.
Durch den Matabelekrieg, dessen Rechnung wie die eines andern Geschäfts
mit 2,2 Millionen Mark der vierten Jahresversammlung der Britisch-süd¬
afrikanischen Gesellschaft vorgelegt und sehr müßig befunden wurde, ist der


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gute Wege. Für Deutschland eröffne» sich, wenn es auch nur einen Teil seiner
Auswanderung und seines Kapitals nach Transvaal und den Nachbargebieten
leitete, um so günstigere Aussichten. Nur muß man die Angelegenheit nicht
rein politisch anfassen, wie ein Teil unsrer Zeitungen geneigt ist. Die Vorder¬
seite dieses Problems ist überhaupt wirtschaftlich, und wirtschaftlich ist es an¬
zufassen. Warum haben unsre Landsleute die Ausbeutung der Goldlager des
Transvaal fast ganz in englische Hände fallen lassen? Warum sind sie nicht
in größerer Zahl schon früher eingewandert? Mit durchschnittlich 390 Aus¬
wanderern, wie sie aus Deutschland in dem Jahrzehnt 1884/93 nach Afrika gingen,
kann auch die geschickteste Politik nichts nufangen. Ob nicht die beiden Regie¬
rungen, die deutsche und die der südafrikanischen Republik etwas hätten thun
können, diese Zahl zu erhöhen? Es war möglich, und es ist noch möglich.
Aber wir berühren hier den wunden Punkt der Bismnrckischen Kolonialpolitik,
die für den notwendigen Zusammenhang der Kolonial- und Auswanderungs¬
frage keinen Sinn hatte, und wir können nur sagen, daß wir besseres von der
nächsten Zukunft erwarten. Das Staatsvermögen der Republik, besteht aus
großenteils noch unvermessenen Staatsliindereien im Betrage von etwa 25 Mil¬
lionen Kapmorgen. Warum kolonisirt man diesen herrlichen Raum nicht plan¬
mäßig? Früher hat man ihn deutschen Einwanderern nicht gönnen wollen,
vielleicht sieht man ein, daß es keinen bessern Schutz gegen die Überschwem¬
mung mit englischen Goldgräbern geben könnte, als eine handfeste, stamm¬
verwandte Vauernbevölkerung.

Die nächste Zukunft der Beziehungen zwischen dem Burenfreistaat und
dem überwältigend groß gewordnen englischen Südafrika steht noch unter dem
Einfluß der Expansion in den letzten zehn Jahren, deren Ausläufer die Swasi¬
land- und Tongalandfrage sind. In den Verträgen von 1881 und 1884 mit
der südafrikanischen Republik hatte sich England das Schutzrecht über eine
Anzahl von kleinen Häuptlingen Betschuanas westlich vom Transvaalgebiet
vorbehalten. Als die Buren in diese Gebiete, sei es mit Recht oder mit Un¬
recht, vordrangen und in Stellaland einen vergänglichen Ableger ihrer Re¬
publik gründeten, entsandte England einen Offizier mit kleiner Truppenmacht,
den General Charles Warren, der die Gebiete für England in Anspruch
»ahn. Das war der erste Schritt zur Ausbreitung nach Norden, dem nun,
als sich Deutschland in Südwestafrika festgesetzt hatte, weitere folgten: das
Protektorat über Vetschuanaland und die östliche Kalcchari 1885 und die
Schaffung der Kronkolonie Vetschuanaland südlich vom Molopvfluß, 1888 das
Vorrücken bis zum Sambesi, 1889 die Erteilung eines Charter an die Britische
Südafrikanische Gesellschaft, die nun alles weitere übernahm und durchführte.
Durch den Matabelekrieg, dessen Rechnung wie die eines andern Geschäfts
mit 2,2 Millionen Mark der vierten Jahresversammlung der Britisch-süd¬
afrikanischen Gesellschaft vorgelegt und sehr müßig befunden wurde, ist der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/27>, abgerufen am 27.07.2024.