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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Das Kapital von Aarl Marx

der Produktivkräfte im Auge hat -- mit welchen Opfern an Menschen und
Kapitalwerten immer erkauft -- ist gerade das bedeutende an ihm. Die
Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Auf¬
gabe und Berechtigung des Kapitals. Eben damit schafft es unbewußt die
materiellen Bedingungen einer höhern Produktionsform. Was Ricardo be¬
unruhigt, ist, daß die Profitrate, der Stachel der kapitalistischen Produktion
und Bedingung wie Treiber der Akkumulation, durch die Entwicklung der
Produktion selbst gefährdet wird. Es zeigt sich hier vom Standpunkte der
kapitalistischen Produktion selbst ihre Schranke, ihre Relativität, daß sie keine
absolute, sondern nur eine historische, einer gewissen beschränkten Entwicklungs-
epvchc der materiellen Produktionsbedingungen entsprechende Produktions¬
weise ist."

Kurz vorher wird diese Schranke folgendermaßen beschrieben: "Die wahre
Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: daß
das Kapital und seine Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt,
als Motiv und Zweck der Produktion erscheint; daß die Produktion nur Pro¬
duktion für das Kapital ist ^populär ausgedrückt: für den Geldverdienst von
Leuten, die sich weder darum kümmern, in wie weit ihre Waren ein gesell¬
schaftliches Bedürfnis befriedigen, noch einen Begriff davon haben), und nicht
umgekehrt die Produktionsmittel bloße Mittel für die stets sich erweiternde
Gestaltung des Lebensprozesses für die Gesellschaft der Produzenten sind. Die
Schranken, in denen sich die Erhaltung und Verwertung des Kapitalwerts,
die auf der Enteignung und Verarmung der großen Masse der Produzenten
beruht, allein bewegen kann, diese Schranken treten daher bestündig in Wider¬
spruch mit den Produktivnsmethoden, die das Kapital zu seinem Zweck an¬
wenden muß, und die auf unbeschränkte Vermehrung der Produktion, auf die
Produktion als Selbstzweck, ans unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen
Produktivkräfte der Arbeit lossteuern. Das Mittel -- unbedingte Entwicklung
der gesellschaftlichen Produktivkräfte -- gerät in fortwährenden Konflikt mit
dem beschränkten Zweck, der Verwertung des vorhandnen Kapitals. Wenn daher
die kapitalistische Produktionsweise ein historisches Mittel ist, die materielle
Produktivkraft zu entwickeln und den ihr entsprechenden Weltmarkt zu schaffen,
ist sie zugleich der beständige Widerspruch zwischen dieser ihrer historischen
Aufgabe und den ihr entsprechenden gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen-"
Es wird dann weiter ausgeführt, wie zugleich die Verminderung des variabel"
Kapitals im Verhältnis zum konstanten fortwährend künstliche Übervölkerung
erzeugt, sodaß sich auf dem einen Pol der Gesellschaft Überschuß unverwend¬
barer Menschen, auf dem andern Überfluß unverwendbaren Kapitals anhäuft.
Unverwendbar ist aber vorzugsweise das Kapital der kleinern Kapitalisten, die
bei einer kleinen Profitrate nicht bestehen können. In Schwindelunternehmungen
suchen sie einen höhern Profit herauszuschlagen, verlieren aber dabei ihr Ver-


Das Kapital von Aarl Marx

der Produktivkräfte im Auge hat — mit welchen Opfern an Menschen und
Kapitalwerten immer erkauft — ist gerade das bedeutende an ihm. Die
Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Auf¬
gabe und Berechtigung des Kapitals. Eben damit schafft es unbewußt die
materiellen Bedingungen einer höhern Produktionsform. Was Ricardo be¬
unruhigt, ist, daß die Profitrate, der Stachel der kapitalistischen Produktion
und Bedingung wie Treiber der Akkumulation, durch die Entwicklung der
Produktion selbst gefährdet wird. Es zeigt sich hier vom Standpunkte der
kapitalistischen Produktion selbst ihre Schranke, ihre Relativität, daß sie keine
absolute, sondern nur eine historische, einer gewissen beschränkten Entwicklungs-
epvchc der materiellen Produktionsbedingungen entsprechende Produktions¬
weise ist."

Kurz vorher wird diese Schranke folgendermaßen beschrieben: „Die wahre
Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: daß
das Kapital und seine Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt,
als Motiv und Zweck der Produktion erscheint; daß die Produktion nur Pro¬
duktion für das Kapital ist ^populär ausgedrückt: für den Geldverdienst von
Leuten, die sich weder darum kümmern, in wie weit ihre Waren ein gesell¬
schaftliches Bedürfnis befriedigen, noch einen Begriff davon haben), und nicht
umgekehrt die Produktionsmittel bloße Mittel für die stets sich erweiternde
Gestaltung des Lebensprozesses für die Gesellschaft der Produzenten sind. Die
Schranken, in denen sich die Erhaltung und Verwertung des Kapitalwerts,
die auf der Enteignung und Verarmung der großen Masse der Produzenten
beruht, allein bewegen kann, diese Schranken treten daher bestündig in Wider¬
spruch mit den Produktivnsmethoden, die das Kapital zu seinem Zweck an¬
wenden muß, und die auf unbeschränkte Vermehrung der Produktion, auf die
Produktion als Selbstzweck, ans unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen
Produktivkräfte der Arbeit lossteuern. Das Mittel — unbedingte Entwicklung
der gesellschaftlichen Produktivkräfte — gerät in fortwährenden Konflikt mit
dem beschränkten Zweck, der Verwertung des vorhandnen Kapitals. Wenn daher
die kapitalistische Produktionsweise ein historisches Mittel ist, die materielle
Produktivkraft zu entwickeln und den ihr entsprechenden Weltmarkt zu schaffen,
ist sie zugleich der beständige Widerspruch zwischen dieser ihrer historischen
Aufgabe und den ihr entsprechenden gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen-"
Es wird dann weiter ausgeführt, wie zugleich die Verminderung des variabel»
Kapitals im Verhältnis zum konstanten fortwährend künstliche Übervölkerung
erzeugt, sodaß sich auf dem einen Pol der Gesellschaft Überschuß unverwend¬
barer Menschen, auf dem andern Überfluß unverwendbaren Kapitals anhäuft.
Unverwendbar ist aber vorzugsweise das Kapital der kleinern Kapitalisten, die
bei einer kleinen Profitrate nicht bestehen können. In Schwindelunternehmungen
suchen sie einen höhern Profit herauszuschlagen, verlieren aber dabei ihr Ver-


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[0140] Das Kapital von Aarl Marx der Produktivkräfte im Auge hat — mit welchen Opfern an Menschen und Kapitalwerten immer erkauft — ist gerade das bedeutende an ihm. Die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Auf¬ gabe und Berechtigung des Kapitals. Eben damit schafft es unbewußt die materiellen Bedingungen einer höhern Produktionsform. Was Ricardo be¬ unruhigt, ist, daß die Profitrate, der Stachel der kapitalistischen Produktion und Bedingung wie Treiber der Akkumulation, durch die Entwicklung der Produktion selbst gefährdet wird. Es zeigt sich hier vom Standpunkte der kapitalistischen Produktion selbst ihre Schranke, ihre Relativität, daß sie keine absolute, sondern nur eine historische, einer gewissen beschränkten Entwicklungs- epvchc der materiellen Produktionsbedingungen entsprechende Produktions¬ weise ist." Kurz vorher wird diese Schranke folgendermaßen beschrieben: „Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: daß das Kapital und seine Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt, als Motiv und Zweck der Produktion erscheint; daß die Produktion nur Pro¬ duktion für das Kapital ist ^populär ausgedrückt: für den Geldverdienst von Leuten, die sich weder darum kümmern, in wie weit ihre Waren ein gesell¬ schaftliches Bedürfnis befriedigen, noch einen Begriff davon haben), und nicht umgekehrt die Produktionsmittel bloße Mittel für die stets sich erweiternde Gestaltung des Lebensprozesses für die Gesellschaft der Produzenten sind. Die Schranken, in denen sich die Erhaltung und Verwertung des Kapitalwerts, die auf der Enteignung und Verarmung der großen Masse der Produzenten beruht, allein bewegen kann, diese Schranken treten daher bestündig in Wider¬ spruch mit den Produktivnsmethoden, die das Kapital zu seinem Zweck an¬ wenden muß, und die auf unbeschränkte Vermehrung der Produktion, auf die Produktion als Selbstzweck, ans unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit lossteuern. Das Mittel — unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte — gerät in fortwährenden Konflikt mit dem beschränkten Zweck, der Verwertung des vorhandnen Kapitals. Wenn daher die kapitalistische Produktionsweise ein historisches Mittel ist, die materielle Produktivkraft zu entwickeln und den ihr entsprechenden Weltmarkt zu schaffen, ist sie zugleich der beständige Widerspruch zwischen dieser ihrer historischen Aufgabe und den ihr entsprechenden gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen-" Es wird dann weiter ausgeführt, wie zugleich die Verminderung des variabel» Kapitals im Verhältnis zum konstanten fortwährend künstliche Übervölkerung erzeugt, sodaß sich auf dem einen Pol der Gesellschaft Überschuß unverwend¬ barer Menschen, auf dem andern Überfluß unverwendbaren Kapitals anhäuft. Unverwendbar ist aber vorzugsweise das Kapital der kleinern Kapitalisten, die bei einer kleinen Profitrate nicht bestehen können. In Schwindelunternehmungen suchen sie einen höhern Profit herauszuschlagen, verlieren aber dabei ihr Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/140>, abgerufen am 28.07.2024.