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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Das Kapital von Aarl Marx

empfangen, gleichen die Kapitalisten als Teilhaber des Riesenaktiengeschäfts,
das die Weltwirtschaft genannt wird. Allerdings erfolgt die Ausgleichung
der Profitraten bloß im großen und ganzen; im einzelnen erleidet sie
viele Ausnahmen. Die Ausgleichung "vollzieht sich um so rascher, 1. je
mobiler das Kapital, d. h. je leichter es übertragbar ist von einer Sphäre und
von einem Ort zum andern; 2. je rascher die Arbeitskraft von einer Sphäre
in die andre und von einem lokalen Produktionspunkt auf den andern werfbar
ist. Ur. 1 nimmt vollständige Handelsfreiheit im Innern der Gesellschaft an
und Beseitigung aller Monopole, außer den natürlichen, nämlich aus der kapi¬
talistischen Produktionsweise selbst entspringenden; ferner Entwicklung des
Kreditsystems, das die unorganische Masse des disponibel" gesellschaftlichen
Kapitals den einzelnen Kapitalisten gegenüber konzentrirt; endlich Unterordnn",
der verschiednen Produktionssphären unter Kapitalisten (die Ausgleichung
stößt auf Hindernisse, wenn sich massenhafte nicht kapitalistisch betriebne Pro¬
duktionszweige, z. B. Ackerbau durch Kleinbauern, zwischen die kapitalistischen
Betriebe einschieben und mit ihnen verketten); endlich große Dichtigkeit der Be¬
völkerung. Ur. 2 setzt voraus Aufhebung aller Gesetze, die die Arbeiter hindern,
aus einer Produktionssphäre in die andre oder aus einem Lokalsitz der Pro¬
duktion nach irgend einem andern überzusiedeln; Gleichgültigkeit des Arbeiters
gegen den Inhalt seiner Arbeit; möglichste Reduzirung der Arbeit in allen
Produktionssphüren auf einfache Arbeit; Wegfall aller professionellen Vorurteile
bei den Arbeitern; endlich und namentlich Unterwerfung des Arbeiters unter
die kapitalistische Produktionsweise."

Aus dem Umstände, daß der Profit in dem Verhältnis sinkt, als das
konstante Kapital das variable überwiegt, folgt, daß die Prositrate in Ländern
mit fortgeschrittener Technik niedriger sein muß als dort, wo noch wenig oder
gar keine Maschinen angewandt werden, und daß die Prositrate mit fort¬
schreitender Technik stetig sinken muß. Die Profitrate, nicht die Prositmasse.
Diese steigt im Gegenteil, weil das Fallen der Rate mehr als aufgewogen
wird durch die Vergrößerung und dann durch die Konzentrirung des Kapitals.
Trotz sinkenden Zinsfußes -- im Sinken des Zinsfußes kommt die Vermin¬
derung der Profitrate zum Vorschein -- sind die großen Einkommen heute
größer als in irgend einer frühern Zeit und steigen immer noch. Freilich
wird, wie der Ausgleich, so das Sinken der Profitrate immer wieder auf¬
gehalten, weil das kapitalistische System -- glücklicherweise! -- noch nirgends
völlig durchgeführt ist; man kann deshalb nicht sagen , daß sie wirklich immer
und überall sänke, sondern nur, daß sie die Neigung habe, zu sinken. Aber
daß sie im großen und ganzen sinkt, Hut schon Ricardo bemerkt. Marx sagt
darüber: "Daß die bloße Möglichkeit Ricardo beunruhigt, zeigt sein tiefes
Verständnis der Bedingungen der kapitalistischen Produktion. Was ihm vor¬
geworfen wird, daß er, um die Menschen unbekümmert, nur die Entwicklung


Das Kapital von Aarl Marx

empfangen, gleichen die Kapitalisten als Teilhaber des Riesenaktiengeschäfts,
das die Weltwirtschaft genannt wird. Allerdings erfolgt die Ausgleichung
der Profitraten bloß im großen und ganzen; im einzelnen erleidet sie
viele Ausnahmen. Die Ausgleichung „vollzieht sich um so rascher, 1. je
mobiler das Kapital, d. h. je leichter es übertragbar ist von einer Sphäre und
von einem Ort zum andern; 2. je rascher die Arbeitskraft von einer Sphäre
in die andre und von einem lokalen Produktionspunkt auf den andern werfbar
ist. Ur. 1 nimmt vollständige Handelsfreiheit im Innern der Gesellschaft an
und Beseitigung aller Monopole, außer den natürlichen, nämlich aus der kapi¬
talistischen Produktionsweise selbst entspringenden; ferner Entwicklung des
Kreditsystems, das die unorganische Masse des disponibel« gesellschaftlichen
Kapitals den einzelnen Kapitalisten gegenüber konzentrirt; endlich Unterordnn«,
der verschiednen Produktionssphären unter Kapitalisten (die Ausgleichung
stößt auf Hindernisse, wenn sich massenhafte nicht kapitalistisch betriebne Pro¬
duktionszweige, z. B. Ackerbau durch Kleinbauern, zwischen die kapitalistischen
Betriebe einschieben und mit ihnen verketten); endlich große Dichtigkeit der Be¬
völkerung. Ur. 2 setzt voraus Aufhebung aller Gesetze, die die Arbeiter hindern,
aus einer Produktionssphäre in die andre oder aus einem Lokalsitz der Pro¬
duktion nach irgend einem andern überzusiedeln; Gleichgültigkeit des Arbeiters
gegen den Inhalt seiner Arbeit; möglichste Reduzirung der Arbeit in allen
Produktionssphüren auf einfache Arbeit; Wegfall aller professionellen Vorurteile
bei den Arbeitern; endlich und namentlich Unterwerfung des Arbeiters unter
die kapitalistische Produktionsweise."

Aus dem Umstände, daß der Profit in dem Verhältnis sinkt, als das
konstante Kapital das variable überwiegt, folgt, daß die Prositrate in Ländern
mit fortgeschrittener Technik niedriger sein muß als dort, wo noch wenig oder
gar keine Maschinen angewandt werden, und daß die Prositrate mit fort¬
schreitender Technik stetig sinken muß. Die Profitrate, nicht die Prositmasse.
Diese steigt im Gegenteil, weil das Fallen der Rate mehr als aufgewogen
wird durch die Vergrößerung und dann durch die Konzentrirung des Kapitals.
Trotz sinkenden Zinsfußes — im Sinken des Zinsfußes kommt die Vermin¬
derung der Profitrate zum Vorschein — sind die großen Einkommen heute
größer als in irgend einer frühern Zeit und steigen immer noch. Freilich
wird, wie der Ausgleich, so das Sinken der Profitrate immer wieder auf¬
gehalten, weil das kapitalistische System — glücklicherweise! — noch nirgends
völlig durchgeführt ist; man kann deshalb nicht sagen , daß sie wirklich immer
und überall sänke, sondern nur, daß sie die Neigung habe, zu sinken. Aber
daß sie im großen und ganzen sinkt, Hut schon Ricardo bemerkt. Marx sagt
darüber: „Daß die bloße Möglichkeit Ricardo beunruhigt, zeigt sein tiefes
Verständnis der Bedingungen der kapitalistischen Produktion. Was ihm vor¬
geworfen wird, daß er, um die Menschen unbekümmert, nur die Entwicklung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/139>, abgerufen am 28.07.2024.