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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Das Kapital von Karl Marx

sich aber nicht darüber einigen, was zu dem einen und was zu dem andern
zu rechnen sei. Marx teilt das Produktionskapital in doppelter Weise ein:
einmal in festes und flüssiges, das andremal in konstantes und variables. Dem
fixen Kapital: Gebäuden, Maschinen (auch kultivirter Boden gehört dazu), stellt
er als flüssiges oder zirkulirendes (wohl zu unterscheiden von dem Zirkulations¬
kapital, d. h. dem Kaufmannskapital, das die fertigen Waren umtreibt) gegen¬
über die Rohstoffe (samt Hilfsstoffen, Kohlen u. s. w.) und die Arbeitslöhne.
Andrerseits faßt er die Bestandteile des fixen Kapitals (genauer gesagt den
Wert ihrer jährlichen Abnutzung) und die Rohstoffe unter dem Namen kon¬
stantes Kapital zusammen (so genannt, weil ihr Wert unverändert in das
Produkt eingeht und in dessen Verkaufspreis wiedererscheint), und diesem gegen¬
über den Arbeitslohn, den er variables Kapital nennt, weil es nicht unver¬
ändert bleibt, sondern den Rohstoffen Wert zusetzt und um diesen Mehrwert
vergrößert im Verkaufspreis wiedererscheint. Da es nur das variable Ka¬
pital ist, dessen Aufwendung den Materialien Wert zusetzt, also dem Unter¬
nehmer Profit abwirft, fo hängt, oakteri8 xaribus, die Größe der Profitrate,
d. h. des Verhältnisses des Profits zum aufgewendeten Kapital, von dessen
Zusammensetzung ab. Je mehr variables Kapital im Verhältnis zum kon¬
stanten verwendet wird, desto größer ist die Profitrate, im umgekehrten Falle
desto kleiner. Da nun aber dieses Verhältnis in den verschiednen Produktions¬
zweigen, ja sogar innerhalb eines und desselben sehr verschieden ist, darum
müßten auch die Profitraten sehr verschieden sein. Wie kommt nun eine Durch¬
schnittsprofitrate zustande? Wie gehts zu, daß es meistens ziemlich gleichgültig
für die Höhe des Gewinns ist, in welchen Produktionszweig ein Kapitalist
sein Geld steckt? Zunächst, antwortet Marx, entstehen allerdings sehr ver-
schiedne Profitraten. Aber sobald der Kapitalist bemerkt, daß sich sein Geld
zu niedrig verzinst, zieht er es aus dem schlecht rentirenden Geschäftszweige
heraus und steckt es in einen lohnender". Dieses Hin- und Herfluten des
Kapitals erzeugt nach und nach eine Durchschnittsprofitrate, wobei es aller¬
dings vorkommen kann, dnß die Waren des einen Fabrikanten unter, die des
andern über ihrem eigentlichen Werte verkauft werden. Alle Kapitalisten bilden
zusammen gewissermaßen eine große Aktiengesellschaft, in der jeder seinen Anteil
am Gesamtertrage xro rata des eingeschossenen Kapitals empfängt, wenn er
auch nach der Natur seines eignen Betriebs vielleicht eigentlich mehr oder
weniger zu beanspruchen hätte, wie es ja auch bei einem einzelnen wirklichen
Aktienunteruehmeu vorkommt, daß das eine Erzeugnis mit hohem Gewinn,
ein andres sogar mit Verlust verkauft wird. Bei einem Vcchnnetz bringt
die eine Linie viel, die andre wenig, vielleicht sogar weniger als nichts; die
Personenbeförderung deckt meistens kaum die Kosten, sodaß nur der Fracht¬
verkehr die Eisenbahnen rentabel macht. Also nicht den Kassen der einzelnen
Bahnstationen, sondern den Aktionären, die alle denselben Durchschnittsertrag


Das Kapital von Karl Marx

sich aber nicht darüber einigen, was zu dem einen und was zu dem andern
zu rechnen sei. Marx teilt das Produktionskapital in doppelter Weise ein:
einmal in festes und flüssiges, das andremal in konstantes und variables. Dem
fixen Kapital: Gebäuden, Maschinen (auch kultivirter Boden gehört dazu), stellt
er als flüssiges oder zirkulirendes (wohl zu unterscheiden von dem Zirkulations¬
kapital, d. h. dem Kaufmannskapital, das die fertigen Waren umtreibt) gegen¬
über die Rohstoffe (samt Hilfsstoffen, Kohlen u. s. w.) und die Arbeitslöhne.
Andrerseits faßt er die Bestandteile des fixen Kapitals (genauer gesagt den
Wert ihrer jährlichen Abnutzung) und die Rohstoffe unter dem Namen kon¬
stantes Kapital zusammen (so genannt, weil ihr Wert unverändert in das
Produkt eingeht und in dessen Verkaufspreis wiedererscheint), und diesem gegen¬
über den Arbeitslohn, den er variables Kapital nennt, weil es nicht unver¬
ändert bleibt, sondern den Rohstoffen Wert zusetzt und um diesen Mehrwert
vergrößert im Verkaufspreis wiedererscheint. Da es nur das variable Ka¬
pital ist, dessen Aufwendung den Materialien Wert zusetzt, also dem Unter¬
nehmer Profit abwirft, fo hängt, oakteri8 xaribus, die Größe der Profitrate,
d. h. des Verhältnisses des Profits zum aufgewendeten Kapital, von dessen
Zusammensetzung ab. Je mehr variables Kapital im Verhältnis zum kon¬
stanten verwendet wird, desto größer ist die Profitrate, im umgekehrten Falle
desto kleiner. Da nun aber dieses Verhältnis in den verschiednen Produktions¬
zweigen, ja sogar innerhalb eines und desselben sehr verschieden ist, darum
müßten auch die Profitraten sehr verschieden sein. Wie kommt nun eine Durch¬
schnittsprofitrate zustande? Wie gehts zu, daß es meistens ziemlich gleichgültig
für die Höhe des Gewinns ist, in welchen Produktionszweig ein Kapitalist
sein Geld steckt? Zunächst, antwortet Marx, entstehen allerdings sehr ver-
schiedne Profitraten. Aber sobald der Kapitalist bemerkt, daß sich sein Geld
zu niedrig verzinst, zieht er es aus dem schlecht rentirenden Geschäftszweige
heraus und steckt es in einen lohnender». Dieses Hin- und Herfluten des
Kapitals erzeugt nach und nach eine Durchschnittsprofitrate, wobei es aller¬
dings vorkommen kann, dnß die Waren des einen Fabrikanten unter, die des
andern über ihrem eigentlichen Werte verkauft werden. Alle Kapitalisten bilden
zusammen gewissermaßen eine große Aktiengesellschaft, in der jeder seinen Anteil
am Gesamtertrage xro rata des eingeschossenen Kapitals empfängt, wenn er
auch nach der Natur seines eignen Betriebs vielleicht eigentlich mehr oder
weniger zu beanspruchen hätte, wie es ja auch bei einem einzelnen wirklichen
Aktienunteruehmeu vorkommt, daß das eine Erzeugnis mit hohem Gewinn,
ein andres sogar mit Verlust verkauft wird. Bei einem Vcchnnetz bringt
die eine Linie viel, die andre wenig, vielleicht sogar weniger als nichts; die
Personenbeförderung deckt meistens kaum die Kosten, sodaß nur der Fracht¬
verkehr die Eisenbahnen rentabel macht. Also nicht den Kassen der einzelnen
Bahnstationen, sondern den Aktionären, die alle denselben Durchschnittsertrag


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[0138] Das Kapital von Karl Marx sich aber nicht darüber einigen, was zu dem einen und was zu dem andern zu rechnen sei. Marx teilt das Produktionskapital in doppelter Weise ein: einmal in festes und flüssiges, das andremal in konstantes und variables. Dem fixen Kapital: Gebäuden, Maschinen (auch kultivirter Boden gehört dazu), stellt er als flüssiges oder zirkulirendes (wohl zu unterscheiden von dem Zirkulations¬ kapital, d. h. dem Kaufmannskapital, das die fertigen Waren umtreibt) gegen¬ über die Rohstoffe (samt Hilfsstoffen, Kohlen u. s. w.) und die Arbeitslöhne. Andrerseits faßt er die Bestandteile des fixen Kapitals (genauer gesagt den Wert ihrer jährlichen Abnutzung) und die Rohstoffe unter dem Namen kon¬ stantes Kapital zusammen (so genannt, weil ihr Wert unverändert in das Produkt eingeht und in dessen Verkaufspreis wiedererscheint), und diesem gegen¬ über den Arbeitslohn, den er variables Kapital nennt, weil es nicht unver¬ ändert bleibt, sondern den Rohstoffen Wert zusetzt und um diesen Mehrwert vergrößert im Verkaufspreis wiedererscheint. Da es nur das variable Ka¬ pital ist, dessen Aufwendung den Materialien Wert zusetzt, also dem Unter¬ nehmer Profit abwirft, fo hängt, oakteri8 xaribus, die Größe der Profitrate, d. h. des Verhältnisses des Profits zum aufgewendeten Kapital, von dessen Zusammensetzung ab. Je mehr variables Kapital im Verhältnis zum kon¬ stanten verwendet wird, desto größer ist die Profitrate, im umgekehrten Falle desto kleiner. Da nun aber dieses Verhältnis in den verschiednen Produktions¬ zweigen, ja sogar innerhalb eines und desselben sehr verschieden ist, darum müßten auch die Profitraten sehr verschieden sein. Wie kommt nun eine Durch¬ schnittsprofitrate zustande? Wie gehts zu, daß es meistens ziemlich gleichgültig für die Höhe des Gewinns ist, in welchen Produktionszweig ein Kapitalist sein Geld steckt? Zunächst, antwortet Marx, entstehen allerdings sehr ver- schiedne Profitraten. Aber sobald der Kapitalist bemerkt, daß sich sein Geld zu niedrig verzinst, zieht er es aus dem schlecht rentirenden Geschäftszweige heraus und steckt es in einen lohnender». Dieses Hin- und Herfluten des Kapitals erzeugt nach und nach eine Durchschnittsprofitrate, wobei es aller¬ dings vorkommen kann, dnß die Waren des einen Fabrikanten unter, die des andern über ihrem eigentlichen Werte verkauft werden. Alle Kapitalisten bilden zusammen gewissermaßen eine große Aktiengesellschaft, in der jeder seinen Anteil am Gesamtertrage xro rata des eingeschossenen Kapitals empfängt, wenn er auch nach der Natur seines eignen Betriebs vielleicht eigentlich mehr oder weniger zu beanspruchen hätte, wie es ja auch bei einem einzelnen wirklichen Aktienunteruehmeu vorkommt, daß das eine Erzeugnis mit hohem Gewinn, ein andres sogar mit Verlust verkauft wird. Bei einem Vcchnnetz bringt die eine Linie viel, die andre wenig, vielleicht sogar weniger als nichts; die Personenbeförderung deckt meistens kaum die Kosten, sodaß nur der Fracht¬ verkehr die Eisenbahnen rentabel macht. Also nicht den Kassen der einzelnen Bahnstationen, sondern den Aktionären, die alle denselben Durchschnittsertrag

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/138>, abgerufen am 28.07.2024.