Neapel verglichen, wie "ein übelplazirtes Kloster" vor. Gewiß, an bestrickenden Reiz der Lage kann es sich nicht mit Neapel messen, aber der Wechsel von Thal und Hügel in der Stadt selbst giebt beständig die herrlichsten Blicke, bald über einzelne Teile, bald über das ganze Hüusermeer hinweg auf die Campagna, die im Frühjahr ein üppig grünes, blumenbuntes Weideland ist, unterbrochen nur von einzelnen Pachthöfen, den endlosen Bogen der Aquädukte und den weithin sichtbaren Gräberreihen der Via Appia, die schnurgeraden Laufs dem Albanergebirge zueilt. Im weiten Halbrund umschließen den Horizont die langen Linien der Gebirge. Hier leuchtet an der Wand der Sa- binerberge Tivoli auf, dort schimmern vom Albanergebirge herüber Frascati, Rocca ti Papa, Castel Gandolfo, und wenn beim Sonnenuntergang der feurige Ball hinter der Peterskuppel sinkt und alles in bläulich-violetten Duft ein¬ taucht und die Glocken der weiten Stadt zum Ave Maria läuten, während du einsam oben auf dem Monte Testaecio stehst, die Pyramide des Cestius an der getürmten Zinnenmauer Aureliens und die dunkeln Chpressen des deutsch¬ protestantischen Friedhofs zu Füßen, dann giebt das ein Landschaftsbild, das an ernster Großartigkeit auf der ganzen Erde nicht seinesgleichen hat. Und dann wieder der Blick vom Tempel der Sibylle in Tivoli hinab auf die senk¬ recht abstürzenden, mit üppigem Grün bekleidcteten Felsschluchten, in die zahl¬ lose schäumende Wasserstürze rauschen, oder die Aussicht vom Monte Cavo, dem uralten heiligen Berge des Latinerbundes, dem natürlichen, überall sichtbaren Mittelpunkte Latinas, auf der einen Seite nach dem riesigen vulkanischen Ring¬ wall, der die kreisrunde, grüne Ebne des Castro ti Annibale umschließt, und dem weiten zweiten Walle von Tusculum und Rocca priore, auf der andern tief hinunter nach dem stillen, dunkeln Spiegel des Albaner- und des Nemisees zwischen steilen, jetzt üppig bewachsenen Kraterwänden, hinaus über die grüne Campagna auf Rom, dessen Häusermassen in der Ferne wie ein breiter, Heller Streifen aufleuchten, und auf die lichtblaue Fläche des Meeres. Für¬ wahr, wer vermißte in diesem Bilde die dunkeln Wälder der Heimat? Enger als irgendwo sonst zeigt sich die Verbindung von Gebirge und Meer beim Golfe von Neapel. Wer wollte sagen, welcher Standpunkt das schönere Ge¬ samtbild bietet: ob das alte Kartäuserkloster San Martin" am Castell San Elmo mit seiner unvergleichlichen Stadtansicht, oder die herrliche Küstenstraße nach dem Posilippo. oder die Höhe von Camaldoli, oder endlich der Vesuv, der von seinem Gipfel aus wie eine ungeheure, unheimliche schwarzgraue An¬ häufung von Asche, Lava und Schlacke inmitten einer gesegneten, blühenden Landschaft erscheint? Aber auch jeder einzelne Punkt ringsum ist von eigner Schönheit: Pompeji auf reich angebauter Fläche mit dem alten Zerstörer, dem Vesuv, hinter sich, der Sorrentiner Gebirgskette und dem Meere vor sich, Castellamare zwischen grünen Waldbergen und der See, das in saftigem Grün Prangende schöne Thal von La Cava zwischen Nocera und Salerno, dann
Italienische Gindrücke
Neapel verglichen, wie „ein übelplazirtes Kloster" vor. Gewiß, an bestrickenden Reiz der Lage kann es sich nicht mit Neapel messen, aber der Wechsel von Thal und Hügel in der Stadt selbst giebt beständig die herrlichsten Blicke, bald über einzelne Teile, bald über das ganze Hüusermeer hinweg auf die Campagna, die im Frühjahr ein üppig grünes, blumenbuntes Weideland ist, unterbrochen nur von einzelnen Pachthöfen, den endlosen Bogen der Aquädukte und den weithin sichtbaren Gräberreihen der Via Appia, die schnurgeraden Laufs dem Albanergebirge zueilt. Im weiten Halbrund umschließen den Horizont die langen Linien der Gebirge. Hier leuchtet an der Wand der Sa- binerberge Tivoli auf, dort schimmern vom Albanergebirge herüber Frascati, Rocca ti Papa, Castel Gandolfo, und wenn beim Sonnenuntergang der feurige Ball hinter der Peterskuppel sinkt und alles in bläulich-violetten Duft ein¬ taucht und die Glocken der weiten Stadt zum Ave Maria läuten, während du einsam oben auf dem Monte Testaecio stehst, die Pyramide des Cestius an der getürmten Zinnenmauer Aureliens und die dunkeln Chpressen des deutsch¬ protestantischen Friedhofs zu Füßen, dann giebt das ein Landschaftsbild, das an ernster Großartigkeit auf der ganzen Erde nicht seinesgleichen hat. Und dann wieder der Blick vom Tempel der Sibylle in Tivoli hinab auf die senk¬ recht abstürzenden, mit üppigem Grün bekleidcteten Felsschluchten, in die zahl¬ lose schäumende Wasserstürze rauschen, oder die Aussicht vom Monte Cavo, dem uralten heiligen Berge des Latinerbundes, dem natürlichen, überall sichtbaren Mittelpunkte Latinas, auf der einen Seite nach dem riesigen vulkanischen Ring¬ wall, der die kreisrunde, grüne Ebne des Castro ti Annibale umschließt, und dem weiten zweiten Walle von Tusculum und Rocca priore, auf der andern tief hinunter nach dem stillen, dunkeln Spiegel des Albaner- und des Nemisees zwischen steilen, jetzt üppig bewachsenen Kraterwänden, hinaus über die grüne Campagna auf Rom, dessen Häusermassen in der Ferne wie ein breiter, Heller Streifen aufleuchten, und auf die lichtblaue Fläche des Meeres. Für¬ wahr, wer vermißte in diesem Bilde die dunkeln Wälder der Heimat? Enger als irgendwo sonst zeigt sich die Verbindung von Gebirge und Meer beim Golfe von Neapel. Wer wollte sagen, welcher Standpunkt das schönere Ge¬ samtbild bietet: ob das alte Kartäuserkloster San Martin» am Castell San Elmo mit seiner unvergleichlichen Stadtansicht, oder die herrliche Küstenstraße nach dem Posilippo. oder die Höhe von Camaldoli, oder endlich der Vesuv, der von seinem Gipfel aus wie eine ungeheure, unheimliche schwarzgraue An¬ häufung von Asche, Lava und Schlacke inmitten einer gesegneten, blühenden Landschaft erscheint? Aber auch jeder einzelne Punkt ringsum ist von eigner Schönheit: Pompeji auf reich angebauter Fläche mit dem alten Zerstörer, dem Vesuv, hinter sich, der Sorrentiner Gebirgskette und dem Meere vor sich, Castellamare zwischen grünen Waldbergen und der See, das in saftigem Grün Prangende schöne Thal von La Cava zwischen Nocera und Salerno, dann
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Italienische Gindrücke
Neapel verglichen, wie „ein übelplazirtes Kloster" vor. Gewiß, an bestrickenden
Reiz der Lage kann es sich nicht mit Neapel messen, aber der Wechsel von
Thal und Hügel in der Stadt selbst giebt beständig die herrlichsten Blicke,
bald über einzelne Teile, bald über das ganze Hüusermeer hinweg auf die
Campagna, die im Frühjahr ein üppig grünes, blumenbuntes Weideland ist,
unterbrochen nur von einzelnen Pachthöfen, den endlosen Bogen der Aquädukte
und den weithin sichtbaren Gräberreihen der Via Appia, die schnurgeraden
Laufs dem Albanergebirge zueilt. Im weiten Halbrund umschließen den
Horizont die langen Linien der Gebirge. Hier leuchtet an der Wand der Sa-
binerberge Tivoli auf, dort schimmern vom Albanergebirge herüber Frascati,
Rocca ti Papa, Castel Gandolfo, und wenn beim Sonnenuntergang der feurige
Ball hinter der Peterskuppel sinkt und alles in bläulich-violetten Duft ein¬
taucht und die Glocken der weiten Stadt zum Ave Maria läuten, während du
einsam oben auf dem Monte Testaecio stehst, die Pyramide des Cestius an der
getürmten Zinnenmauer Aureliens und die dunkeln Chpressen des deutsch¬
protestantischen Friedhofs zu Füßen, dann giebt das ein Landschaftsbild, das
an ernster Großartigkeit auf der ganzen Erde nicht seinesgleichen hat. Und
dann wieder der Blick vom Tempel der Sibylle in Tivoli hinab auf die senk¬
recht abstürzenden, mit üppigem Grün bekleidcteten Felsschluchten, in die zahl¬
lose schäumende Wasserstürze rauschen, oder die Aussicht vom Monte Cavo, dem
uralten heiligen Berge des Latinerbundes, dem natürlichen, überall sichtbaren
Mittelpunkte Latinas, auf der einen Seite nach dem riesigen vulkanischen Ring¬
wall, der die kreisrunde, grüne Ebne des Castro ti Annibale umschließt, und dem
weiten zweiten Walle von Tusculum und Rocca priore, auf der andern tief
hinunter nach dem stillen, dunkeln Spiegel des Albaner- und des Nemisees
zwischen steilen, jetzt üppig bewachsenen Kraterwänden, hinaus über die grüne
Campagna auf Rom, dessen Häusermassen in der Ferne wie ein breiter,
Heller Streifen aufleuchten, und auf die lichtblaue Fläche des Meeres. Für¬
wahr, wer vermißte in diesem Bilde die dunkeln Wälder der Heimat? Enger
als irgendwo sonst zeigt sich die Verbindung von Gebirge und Meer beim
Golfe von Neapel. Wer wollte sagen, welcher Standpunkt das schönere Ge¬
samtbild bietet: ob das alte Kartäuserkloster San Martin» am Castell San
Elmo mit seiner unvergleichlichen Stadtansicht, oder die herrliche Küstenstraße
nach dem Posilippo. oder die Höhe von Camaldoli, oder endlich der Vesuv,
der von seinem Gipfel aus wie eine ungeheure, unheimliche schwarzgraue An¬
häufung von Asche, Lava und Schlacke inmitten einer gesegneten, blühenden
Landschaft erscheint? Aber auch jeder einzelne Punkt ringsum ist von eigner
Schönheit: Pompeji auf reich angebauter Fläche mit dem alten Zerstörer, dem
Vesuv, hinter sich, der Sorrentiner Gebirgskette und dem Meere vor sich,
Castellamare zwischen grünen Waldbergen und der See, das in saftigem Grün
Prangende schöne Thal von La Cava zwischen Nocera und Salerno, dann
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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/610>, abgerufen am 30.12.2024.
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