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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Italienische Eindrücke

die nächstens in Kiel erscheinen werden, riesige Schiffe von 130 bis 140 Meter
Länge und 13000 bis 14000 Tonnen Wasserverdrängung mit drei Schorn¬
steinen, zwei Panzerdrehtürmen und einer Panzerbatterie in zwei Etagen mitt¬
schiffs, größer als unsre größten deutschen von der Brandenburgklasse; selbst
mein kleiner Barkenführer zeigte sie mir, als er mich zu ihnen hinausruderte,
mit ganz besondern: Selbstgefühl. Eigentümlich genug nahm es sich aus,
als sie später mehrere Tage lang wenige hundert Meter von der Villa nazio-
uale entfernt im freien Golfe ankerten, bei Tage immer von Booten umringt,
bei Nacht in elektrischem Licht strahlend, die furchtbarsten Zerstörungsmaschinen
inmitten dieser herrlichen, lebensprühenden Umgebung.

Der energische Patriotismus der Italiener zeigt sich auch in ihren aus¬
wärtigen Verhältnissen. Sie wollen eine Großmacht sein und bleiben, trotz
aller schweren Opfer; sie wollen daher auch die grünweißrote Fahne überall
entfalten, wo es ihr Interesse fordert. Die Kolonialpolitik ist dort in der
That eine nationale Sache geworden, obwohl es an Opposition dagegen keines¬
wegs fehlt und eine starke Strömung gegen eine weitere Ausdehnung der
Colonia Eritrea besteht, weil sie der schwierigen finanziellen Lage des Landes
nicht entspreche. Aber zurückweichen will doch niemand mehr, das verbietet
schon die Ehre der nationalen Fahne, die dort weht. Die Zeitungen bringen
stets sehr genaue Nachrichten von dort, die bedeutendern schicken ihre eignen
Berichterstatter hin, und es besteht sogar in Massaua schon eine italienische
Wochenschrift für koloniale Interessen, ki'^erica Itslitmg,, die auch in Italien
viel gekauft und gelesen wird. Mit besondrer Spannung verfolgte man im
April den Vormarsch ans Adigrat, die Zeitungen brachten neben ausführlichen
Berichten auch Kartenskizzen und Bilder, und vielleicht gab es in diesen Wochen
keinen populäreren Namen in ganz Italien als General Baratieri, beiläufig
ein Südtiroler aus dem Tridentinischen. Die Bedeutung, die man diesen
Dingen beilegt, geht auch daraus hervor, daß Florenz die Säule auf der
Piazza d'Jndipendenza, die dem Andenken der Einheitskriege gewidmet ist, zu¬
gleich den Gefallenen von Dogali 1887 geweiht hat.

Eine große Rolle im politischen Leben Italiens spielen die Zeitungen.
Jede ansehnliche Stadt hat ihre eignen Blätter, die zuweilen täglich zweimal
oder gar dreimal erscheinen und weniger auf das Abonnement als auf den
Einzelverkauf in den Kiosken und durch Austräger rechnen. In den Kiosken
erhält man auch Zeitungen aus andern Städten, die Ausrufer haben meist
nur bestimmte einheimische. Von deutschen Blättern fand man hie und da,
namentlich in Rom und Neapel, die Münchner Neuesten Nachrichten und das
Berliner Tageblatt, seltener die (Münchner) Allgemeine Zeitung. Da sich jeder
seine Zeitung kauft (5 Centesimi 1 Soldo), so trifft man in den Kaffee¬
häusern nur selten Zeitungen an. Die Parteistellung ist natürlich sehr ver¬
schieden, doch stehen wohl alle Blätter, mit Ausnahme der klerikalen, auf dem


Italienische Eindrücke

die nächstens in Kiel erscheinen werden, riesige Schiffe von 130 bis 140 Meter
Länge und 13000 bis 14000 Tonnen Wasserverdrängung mit drei Schorn¬
steinen, zwei Panzerdrehtürmen und einer Panzerbatterie in zwei Etagen mitt¬
schiffs, größer als unsre größten deutschen von der Brandenburgklasse; selbst
mein kleiner Barkenführer zeigte sie mir, als er mich zu ihnen hinausruderte,
mit ganz besondern: Selbstgefühl. Eigentümlich genug nahm es sich aus,
als sie später mehrere Tage lang wenige hundert Meter von der Villa nazio-
uale entfernt im freien Golfe ankerten, bei Tage immer von Booten umringt,
bei Nacht in elektrischem Licht strahlend, die furchtbarsten Zerstörungsmaschinen
inmitten dieser herrlichen, lebensprühenden Umgebung.

Der energische Patriotismus der Italiener zeigt sich auch in ihren aus¬
wärtigen Verhältnissen. Sie wollen eine Großmacht sein und bleiben, trotz
aller schweren Opfer; sie wollen daher auch die grünweißrote Fahne überall
entfalten, wo es ihr Interesse fordert. Die Kolonialpolitik ist dort in der
That eine nationale Sache geworden, obwohl es an Opposition dagegen keines¬
wegs fehlt und eine starke Strömung gegen eine weitere Ausdehnung der
Colonia Eritrea besteht, weil sie der schwierigen finanziellen Lage des Landes
nicht entspreche. Aber zurückweichen will doch niemand mehr, das verbietet
schon die Ehre der nationalen Fahne, die dort weht. Die Zeitungen bringen
stets sehr genaue Nachrichten von dort, die bedeutendern schicken ihre eignen
Berichterstatter hin, und es besteht sogar in Massaua schon eine italienische
Wochenschrift für koloniale Interessen, ki'^erica Itslitmg,, die auch in Italien
viel gekauft und gelesen wird. Mit besondrer Spannung verfolgte man im
April den Vormarsch ans Adigrat, die Zeitungen brachten neben ausführlichen
Berichten auch Kartenskizzen und Bilder, und vielleicht gab es in diesen Wochen
keinen populäreren Namen in ganz Italien als General Baratieri, beiläufig
ein Südtiroler aus dem Tridentinischen. Die Bedeutung, die man diesen
Dingen beilegt, geht auch daraus hervor, daß Florenz die Säule auf der
Piazza d'Jndipendenza, die dem Andenken der Einheitskriege gewidmet ist, zu¬
gleich den Gefallenen von Dogali 1887 geweiht hat.

Eine große Rolle im politischen Leben Italiens spielen die Zeitungen.
Jede ansehnliche Stadt hat ihre eignen Blätter, die zuweilen täglich zweimal
oder gar dreimal erscheinen und weniger auf das Abonnement als auf den
Einzelverkauf in den Kiosken und durch Austräger rechnen. In den Kiosken
erhält man auch Zeitungen aus andern Städten, die Ausrufer haben meist
nur bestimmte einheimische. Von deutschen Blättern fand man hie und da,
namentlich in Rom und Neapel, die Münchner Neuesten Nachrichten und das
Berliner Tageblatt, seltener die (Münchner) Allgemeine Zeitung. Da sich jeder
seine Zeitung kauft (5 Centesimi 1 Soldo), so trifft man in den Kaffee¬
häusern nur selten Zeitungen an. Die Parteistellung ist natürlich sehr ver¬
schieden, doch stehen wohl alle Blätter, mit Ausnahme der klerikalen, auf dem


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[0575] Italienische Eindrücke die nächstens in Kiel erscheinen werden, riesige Schiffe von 130 bis 140 Meter Länge und 13000 bis 14000 Tonnen Wasserverdrängung mit drei Schorn¬ steinen, zwei Panzerdrehtürmen und einer Panzerbatterie in zwei Etagen mitt¬ schiffs, größer als unsre größten deutschen von der Brandenburgklasse; selbst mein kleiner Barkenführer zeigte sie mir, als er mich zu ihnen hinausruderte, mit ganz besondern: Selbstgefühl. Eigentümlich genug nahm es sich aus, als sie später mehrere Tage lang wenige hundert Meter von der Villa nazio- uale entfernt im freien Golfe ankerten, bei Tage immer von Booten umringt, bei Nacht in elektrischem Licht strahlend, die furchtbarsten Zerstörungsmaschinen inmitten dieser herrlichen, lebensprühenden Umgebung. Der energische Patriotismus der Italiener zeigt sich auch in ihren aus¬ wärtigen Verhältnissen. Sie wollen eine Großmacht sein und bleiben, trotz aller schweren Opfer; sie wollen daher auch die grünweißrote Fahne überall entfalten, wo es ihr Interesse fordert. Die Kolonialpolitik ist dort in der That eine nationale Sache geworden, obwohl es an Opposition dagegen keines¬ wegs fehlt und eine starke Strömung gegen eine weitere Ausdehnung der Colonia Eritrea besteht, weil sie der schwierigen finanziellen Lage des Landes nicht entspreche. Aber zurückweichen will doch niemand mehr, das verbietet schon die Ehre der nationalen Fahne, die dort weht. Die Zeitungen bringen stets sehr genaue Nachrichten von dort, die bedeutendern schicken ihre eignen Berichterstatter hin, und es besteht sogar in Massaua schon eine italienische Wochenschrift für koloniale Interessen, ki'^erica Itslitmg,, die auch in Italien viel gekauft und gelesen wird. Mit besondrer Spannung verfolgte man im April den Vormarsch ans Adigrat, die Zeitungen brachten neben ausführlichen Berichten auch Kartenskizzen und Bilder, und vielleicht gab es in diesen Wochen keinen populäreren Namen in ganz Italien als General Baratieri, beiläufig ein Südtiroler aus dem Tridentinischen. Die Bedeutung, die man diesen Dingen beilegt, geht auch daraus hervor, daß Florenz die Säule auf der Piazza d'Jndipendenza, die dem Andenken der Einheitskriege gewidmet ist, zu¬ gleich den Gefallenen von Dogali 1887 geweiht hat. Eine große Rolle im politischen Leben Italiens spielen die Zeitungen. Jede ansehnliche Stadt hat ihre eignen Blätter, die zuweilen täglich zweimal oder gar dreimal erscheinen und weniger auf das Abonnement als auf den Einzelverkauf in den Kiosken und durch Austräger rechnen. In den Kiosken erhält man auch Zeitungen aus andern Städten, die Ausrufer haben meist nur bestimmte einheimische. Von deutschen Blättern fand man hie und da, namentlich in Rom und Neapel, die Münchner Neuesten Nachrichten und das Berliner Tageblatt, seltener die (Münchner) Allgemeine Zeitung. Da sich jeder seine Zeitung kauft (5 Centesimi 1 Soldo), so trifft man in den Kaffee¬ häusern nur selten Zeitungen an. Die Parteistellung ist natürlich sehr ver¬ schieden, doch stehen wohl alle Blätter, mit Ausnahme der klerikalen, auf dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/575>, abgerufen am 25.08.2024.