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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Sedini

himmlischen Lohn verweisen. Ich bin mit dem Brief zu meinem Vetter, dem
Pinselmacher, gelaufen, der hat mir ihn nur so weggerissen: Schnell zur Polizei,
Base, da steht ja Adresse und alles drauf -- ist er Euch was schuldig? -- Freilich,
und dir auch? -- Ja aber natürlich! Er kommt so daher und sagt, die Muhme
Bernarz hat mir mit einer Kleinigkeit ausgeholfen -- arme, alte Gans, kann sich ja
nicht zufrieden geben, wenn sie nicht ans ihren Silberlingen sitzt und brütet.
Es ist mir peinlich, daß sie mich jede Stunde mahnt, während mein Bankier
in Warschau mich warten läßt. Ein Name wie meiner sollte doch wohl Sicher¬
heit genug sein. Aber das versteht sie jn nicht -- und zuletzt hab ich ihm
hundert Mark gegeben. -- Geradsv wie mit mir, geradso wie mit mir! -- Ja
Vase, aber jetzt kommt zur Polizei. -- Nein nein, hab ich gesagt, das will ich
schon machen, denn mit der Polizei hab ich schon eh nichts wollen zu thun haben.
Paß nur auf, Franzi, wies weitergeht. Ich hab schon Recht gehabt. Einen
Brief hab ich ihm geschrieben. Wie das sauer gewesen ist für mich, Franzi! Die
fremdländische Überschrift hab ich mir machen lassen, in der Post in der Türken¬
straße kenne ich den PostHelfer. Geschrieben hab ich dein Grafen, er werd
doch wohl einsehen und um Gottes und seiner Seligkeit willen bedenken, was
das für eine Mühsal ist, sein Brot zu verdienen, wenn man die Mutter nimmer
hat und die Pension, und was der Mutter der Schmuck wert gewesen ist,
und an die andern gedacht ich noch gar nicht, denen ers ebenso gemacht hätte
wie mir, außer meinem Vetter, dem Pinselmacher, der würde auf die Polizei
gehen, wenn sich der Graf nicht besinnen und alles wiederschicken that! Darauf
hat er mir geschrieben: Verehrte Freundin! Ihre freundlichen Zeilen haben
mich lächeln gemacht, Sie sind zu gütig, und ich danke deswegen dem Himmel,
daß Sie die Polizei noch nicht zur Mitwisserin gemacht haben. Es ist nicht gut,
mit der Polizei zu thun haben, namentlich in diesem Falle, wo Sie durch
Angabe eines falschen Namens straffällig geworden sind. Ihr ergebner Eugen
Müller. Eine Adresse ist diesmal nicht dabei gewesen, und anch der Schnörkel
nicht, der seinen Grafennamen bedeutet hat. Ich bin heilfroh gewesen, daß es so
abgegangen ist. Nur mein Vetter hat gethan wie ein Toller und gesagt, der
Graf, der hätte fein Recht gehabt, polizeiwidrig dumm wär ich. Ich bin anch
nicht mehr zu ihm hin, wenn so was gewesen ist, und es sind noch zweimal
welche gekommen, die mich ums Geld betrogen haben, -- gefreut hats mich
nur, daß ich mich mit der Polizei niemalen eingelassen hab.

Und dann, dann sind bessere gekommen? fragte Franzi.

Erzsanschweine! sagte Fräulein Bernarz ruhig. Ja ja, Kind, fuhr sie
fort, als sie Franzis entsetzten Angen begegnete. Aber das ist nichts für
junge Ohren, meine Mutter selig hat das oft gesagt, obschon ich etlichemal
gedacht habe, besser, ich hätt es gewußt, wie die Menschen schlecht sind, als
dann so dastehen, daß sie ihr Spiel dran haben.

Ein Weilchen sah Fräulein Bernarz vor sich nieder, dann kam plötzlich


Sedini

himmlischen Lohn verweisen. Ich bin mit dem Brief zu meinem Vetter, dem
Pinselmacher, gelaufen, der hat mir ihn nur so weggerissen: Schnell zur Polizei,
Base, da steht ja Adresse und alles drauf — ist er Euch was schuldig? — Freilich,
und dir auch? — Ja aber natürlich! Er kommt so daher und sagt, die Muhme
Bernarz hat mir mit einer Kleinigkeit ausgeholfen — arme, alte Gans, kann sich ja
nicht zufrieden geben, wenn sie nicht ans ihren Silberlingen sitzt und brütet.
Es ist mir peinlich, daß sie mich jede Stunde mahnt, während mein Bankier
in Warschau mich warten läßt. Ein Name wie meiner sollte doch wohl Sicher¬
heit genug sein. Aber das versteht sie jn nicht — und zuletzt hab ich ihm
hundert Mark gegeben. — Geradsv wie mit mir, geradso wie mit mir! — Ja
Vase, aber jetzt kommt zur Polizei. — Nein nein, hab ich gesagt, das will ich
schon machen, denn mit der Polizei hab ich schon eh nichts wollen zu thun haben.
Paß nur auf, Franzi, wies weitergeht. Ich hab schon Recht gehabt. Einen
Brief hab ich ihm geschrieben. Wie das sauer gewesen ist für mich, Franzi! Die
fremdländische Überschrift hab ich mir machen lassen, in der Post in der Türken¬
straße kenne ich den PostHelfer. Geschrieben hab ich dein Grafen, er werd
doch wohl einsehen und um Gottes und seiner Seligkeit willen bedenken, was
das für eine Mühsal ist, sein Brot zu verdienen, wenn man die Mutter nimmer
hat und die Pension, und was der Mutter der Schmuck wert gewesen ist,
und an die andern gedacht ich noch gar nicht, denen ers ebenso gemacht hätte
wie mir, außer meinem Vetter, dem Pinselmacher, der würde auf die Polizei
gehen, wenn sich der Graf nicht besinnen und alles wiederschicken that! Darauf
hat er mir geschrieben: Verehrte Freundin! Ihre freundlichen Zeilen haben
mich lächeln gemacht, Sie sind zu gütig, und ich danke deswegen dem Himmel,
daß Sie die Polizei noch nicht zur Mitwisserin gemacht haben. Es ist nicht gut,
mit der Polizei zu thun haben, namentlich in diesem Falle, wo Sie durch
Angabe eines falschen Namens straffällig geworden sind. Ihr ergebner Eugen
Müller. Eine Adresse ist diesmal nicht dabei gewesen, und anch der Schnörkel
nicht, der seinen Grafennamen bedeutet hat. Ich bin heilfroh gewesen, daß es so
abgegangen ist. Nur mein Vetter hat gethan wie ein Toller und gesagt, der
Graf, der hätte fein Recht gehabt, polizeiwidrig dumm wär ich. Ich bin anch
nicht mehr zu ihm hin, wenn so was gewesen ist, und es sind noch zweimal
welche gekommen, die mich ums Geld betrogen haben, — gefreut hats mich
nur, daß ich mich mit der Polizei niemalen eingelassen hab.

Und dann, dann sind bessere gekommen? fragte Franzi.

Erzsanschweine! sagte Fräulein Bernarz ruhig. Ja ja, Kind, fuhr sie
fort, als sie Franzis entsetzten Angen begegnete. Aber das ist nichts für
junge Ohren, meine Mutter selig hat das oft gesagt, obschon ich etlichemal
gedacht habe, besser, ich hätt es gewußt, wie die Menschen schlecht sind, als
dann so dastehen, daß sie ihr Spiel dran haben.

Ein Weilchen sah Fräulein Bernarz vor sich nieder, dann kam plötzlich


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[0053] Sedini himmlischen Lohn verweisen. Ich bin mit dem Brief zu meinem Vetter, dem Pinselmacher, gelaufen, der hat mir ihn nur so weggerissen: Schnell zur Polizei, Base, da steht ja Adresse und alles drauf — ist er Euch was schuldig? — Freilich, und dir auch? — Ja aber natürlich! Er kommt so daher und sagt, die Muhme Bernarz hat mir mit einer Kleinigkeit ausgeholfen — arme, alte Gans, kann sich ja nicht zufrieden geben, wenn sie nicht ans ihren Silberlingen sitzt und brütet. Es ist mir peinlich, daß sie mich jede Stunde mahnt, während mein Bankier in Warschau mich warten läßt. Ein Name wie meiner sollte doch wohl Sicher¬ heit genug sein. Aber das versteht sie jn nicht — und zuletzt hab ich ihm hundert Mark gegeben. — Geradsv wie mit mir, geradso wie mit mir! — Ja Vase, aber jetzt kommt zur Polizei. — Nein nein, hab ich gesagt, das will ich schon machen, denn mit der Polizei hab ich schon eh nichts wollen zu thun haben. Paß nur auf, Franzi, wies weitergeht. Ich hab schon Recht gehabt. Einen Brief hab ich ihm geschrieben. Wie das sauer gewesen ist für mich, Franzi! Die fremdländische Überschrift hab ich mir machen lassen, in der Post in der Türken¬ straße kenne ich den PostHelfer. Geschrieben hab ich dein Grafen, er werd doch wohl einsehen und um Gottes und seiner Seligkeit willen bedenken, was das für eine Mühsal ist, sein Brot zu verdienen, wenn man die Mutter nimmer hat und die Pension, und was der Mutter der Schmuck wert gewesen ist, und an die andern gedacht ich noch gar nicht, denen ers ebenso gemacht hätte wie mir, außer meinem Vetter, dem Pinselmacher, der würde auf die Polizei gehen, wenn sich der Graf nicht besinnen und alles wiederschicken that! Darauf hat er mir geschrieben: Verehrte Freundin! Ihre freundlichen Zeilen haben mich lächeln gemacht, Sie sind zu gütig, und ich danke deswegen dem Himmel, daß Sie die Polizei noch nicht zur Mitwisserin gemacht haben. Es ist nicht gut, mit der Polizei zu thun haben, namentlich in diesem Falle, wo Sie durch Angabe eines falschen Namens straffällig geworden sind. Ihr ergebner Eugen Müller. Eine Adresse ist diesmal nicht dabei gewesen, und anch der Schnörkel nicht, der seinen Grafennamen bedeutet hat. Ich bin heilfroh gewesen, daß es so abgegangen ist. Nur mein Vetter hat gethan wie ein Toller und gesagt, der Graf, der hätte fein Recht gehabt, polizeiwidrig dumm wär ich. Ich bin anch nicht mehr zu ihm hin, wenn so was gewesen ist, und es sind noch zweimal welche gekommen, die mich ums Geld betrogen haben, — gefreut hats mich nur, daß ich mich mit der Polizei niemalen eingelassen hab. Und dann, dann sind bessere gekommen? fragte Franzi. Erzsanschweine! sagte Fräulein Bernarz ruhig. Ja ja, Kind, fuhr sie fort, als sie Franzis entsetzten Angen begegnete. Aber das ist nichts für junge Ohren, meine Mutter selig hat das oft gesagt, obschon ich etlichemal gedacht habe, besser, ich hätt es gewußt, wie die Menschen schlecht sind, als dann so dastehen, daß sie ihr Spiel dran haben. Ein Weilchen sah Fräulein Bernarz vor sich nieder, dann kam plötzlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/53>, abgerufen am 24.08.2024.