Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.Sedini Jammer von einer andern Seite her angegangen, das kam von den soliden Der erste war ein Graf, ein Polak -- und mit der Polizei soll man nichts Ja, wie denn, sagte Franzi und sperrte ihre lebhaften Augen auf, hat er Ah, gar kein Schein! Aus Paris hat er geschrieben, ein feines Brieferl. Sedini Jammer von einer andern Seite her angegangen, das kam von den soliden Der erste war ein Graf, ein Polak — und mit der Polizei soll man nichts Ja, wie denn, sagte Franzi und sperrte ihre lebhaften Augen auf, hat er Ah, gar kein Schein! Aus Paris hat er geschrieben, ein feines Brieferl. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0052" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219728"/> <fw type="header" place="top"> Sedini</fw><lb/> <p xml:id="ID_115" prev="#ID_114"> Jammer von einer andern Seite her angegangen, das kam von den soliden<lb/> Herren, und davon erzählte sie der Franzi.</p><lb/> <p xml:id="ID_116"> Der erste war ein Graf, ein Polak — und mit der Polizei soll man nichts<lb/> zu thun haben, Franzi, das merk dir für dein ganzes Leben, und schreib nur<lb/> nachher gleich den Zettel zum Anmelden, sonst krieg ichs mit ihr zu thun noch<lb/> in meinem Alter, hörst du wohl, Franzi? Der hat mir alles abgebvrgt, was<lb/> ich gehabt habe, und nur das wenige aus der Auktion von der Mutter selig ihren<lb/> Sachen hat mein Vetter, der Pinselmacher, gehabt, und den hab ich mich nicht<lb/> gewagt drum anzugehen, sonst hätt es der Polak auch genommen. Dann<lb/> ist mein Graf eines Tages gekommen und hat mir gesagt: Ihr Vetter, der<lb/> Weber — und er hat nur so mit dem Daumen über die Schulter gewiesen —<lb/> drängt mich unanständig. Ich habe sechzig Mark bei ihm aufstehe:?, es ist<lb/> höchst peinlich, wie sich der alte Geizhals benimmt. Thun Sie mir den Ge¬<lb/> fallen und geben Sie mir den kleinen Betrag. Sie kennen mich ja, freilich,<lb/> er könnte mich auch kennen. Aber dieses Mahnen ist für einen Mann von<lb/> meinem Namen unerträglich — übermorgen spätestens muß mein Wechsel aus<lb/> Warschau da sein! Das alles hat er mir so hingesagt in seiner feinen Sprache,<lb/> wie er bei meiner Küche vorbeigekommen ist, und ich eben den Kaffee ans<lb/> Feuer thu! — Herr Graf, hab ich gesagt, was mein ist, wissen Sie genau,<lb/> weil sich in Händen haben — nix ist mehr da! — Gewiß, gewiß, sagt er.<lb/> Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, mir so aufzuhelfen, und es ist un¬<lb/> verantwortlich von dem Menschen, meinem Bankier, daß er noch nicht schickt.<lb/> Aber da war das Rüster von Ihrer Frau Großmutter, sagten Sie nicht so?<lb/> Werden Sie das einige Stunden entbehre» können? — Ich habe lachen müssen.<lb/> Das Rüster habe ich nie getragen, manchmal hats mir die Mutter gezeigt,<lb/> wie sie noch am Leben gewesen ist; anfassen hab ichs kaum dürfen. Und jetzt<lb/> fragt der, ob ichs so nötig brauche, wenn ich am Herd steh mit rußigen<lb/> Händen. Weils mich aber gefreut hat, daß er das Geschmeide lobt, und dann,<lb/> daß ich jetzt Herr drüber bin, da sind wir mit einander an den Kasten gegangen,<lb/> wo es gelegen hat. Es hat eine große Schließe gehabt, wie ein Thor, in dem<lb/> ein Drache sitzt, der mit seinem Schweif ein Gitterwerk flicht. Augen von<lb/> Granaten hat er gehabt, und fünf Halsschnurl Granaten sind an dem Rüster<lb/> gewesen, und noch drei kleine Goldschlösser, zwei an den Seiten und hinten<lb/> eins. Mein Graf hat mir eine Verbeugung gemacht, und meinen Schmuck<lb/> bin ich losgewesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_117"> Ja, wie denn, sagte Franzi und sperrte ihre lebhaften Augen auf, hat er<lb/> ihn denn nicht wiedergebracht?</p><lb/> <p xml:id="ID_118" next="#ID_119"> Ah, gar kein Schein! Aus Paris hat er geschrieben, ein feines Brieferl.<lb/> Ordentlich gerochen hats nach Vornehmheit: mir und denen, die ihm so freund¬<lb/> lich ausgeholfen hätten, wollt er schön danken, leider wär er nicht in der Lage,<lb/> die anvertrauten Gelder und Gegenstände zurückzugeben, und thät uns auf einen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0052]
Sedini
Jammer von einer andern Seite her angegangen, das kam von den soliden
Herren, und davon erzählte sie der Franzi.
Der erste war ein Graf, ein Polak — und mit der Polizei soll man nichts
zu thun haben, Franzi, das merk dir für dein ganzes Leben, und schreib nur
nachher gleich den Zettel zum Anmelden, sonst krieg ichs mit ihr zu thun noch
in meinem Alter, hörst du wohl, Franzi? Der hat mir alles abgebvrgt, was
ich gehabt habe, und nur das wenige aus der Auktion von der Mutter selig ihren
Sachen hat mein Vetter, der Pinselmacher, gehabt, und den hab ich mich nicht
gewagt drum anzugehen, sonst hätt es der Polak auch genommen. Dann
ist mein Graf eines Tages gekommen und hat mir gesagt: Ihr Vetter, der
Weber — und er hat nur so mit dem Daumen über die Schulter gewiesen —
drängt mich unanständig. Ich habe sechzig Mark bei ihm aufstehe:?, es ist
höchst peinlich, wie sich der alte Geizhals benimmt. Thun Sie mir den Ge¬
fallen und geben Sie mir den kleinen Betrag. Sie kennen mich ja, freilich,
er könnte mich auch kennen. Aber dieses Mahnen ist für einen Mann von
meinem Namen unerträglich — übermorgen spätestens muß mein Wechsel aus
Warschau da sein! Das alles hat er mir so hingesagt in seiner feinen Sprache,
wie er bei meiner Küche vorbeigekommen ist, und ich eben den Kaffee ans
Feuer thu! — Herr Graf, hab ich gesagt, was mein ist, wissen Sie genau,
weil sich in Händen haben — nix ist mehr da! — Gewiß, gewiß, sagt er.
Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, mir so aufzuhelfen, und es ist un¬
verantwortlich von dem Menschen, meinem Bankier, daß er noch nicht schickt.
Aber da war das Rüster von Ihrer Frau Großmutter, sagten Sie nicht so?
Werden Sie das einige Stunden entbehre» können? — Ich habe lachen müssen.
Das Rüster habe ich nie getragen, manchmal hats mir die Mutter gezeigt,
wie sie noch am Leben gewesen ist; anfassen hab ichs kaum dürfen. Und jetzt
fragt der, ob ichs so nötig brauche, wenn ich am Herd steh mit rußigen
Händen. Weils mich aber gefreut hat, daß er das Geschmeide lobt, und dann,
daß ich jetzt Herr drüber bin, da sind wir mit einander an den Kasten gegangen,
wo es gelegen hat. Es hat eine große Schließe gehabt, wie ein Thor, in dem
ein Drache sitzt, der mit seinem Schweif ein Gitterwerk flicht. Augen von
Granaten hat er gehabt, und fünf Halsschnurl Granaten sind an dem Rüster
gewesen, und noch drei kleine Goldschlösser, zwei an den Seiten und hinten
eins. Mein Graf hat mir eine Verbeugung gemacht, und meinen Schmuck
bin ich losgewesen.
Ja, wie denn, sagte Franzi und sperrte ihre lebhaften Augen auf, hat er
ihn denn nicht wiedergebracht?
Ah, gar kein Schein! Aus Paris hat er geschrieben, ein feines Brieferl.
Ordentlich gerochen hats nach Vornehmheit: mir und denen, die ihm so freund¬
lich ausgeholfen hätten, wollt er schön danken, leider wär er nicht in der Lage,
die anvertrauten Gelder und Gegenstände zurückzugeben, und thät uns auf einen
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