Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.Der erste Beste mit dieser Angst im Herzen. Heute Abend Hütte noch vieles gut werden können, Aber jetzt wollte sie zu Bett gehen, wollte nichts mehr sehen und hören, Sie löschte die Lampe und die Kerzen an den dreiarmigen Wandleuchtern 7 Die Sonne schien, so gut sie konnte, durch die zugezvgnen Gardinen. Ein Was ist denn? fragte sie verwirrt, verträumt. Einige Augenblicke lang Sie sprang schnell aus dem Bett. Die Bilder der Eltern sahen ihr ent¬ Dafür muß ich ihm auch noch danken! Zögernd und vorsichtig öffnete sie dann die Thür zum Ankleidezimmer; In dem großen Schrank mit der Spiegclthür fand sie ihre Kleider, von Auf dem Flur begegnete ihr niemand. Aus dem untern Stock herauf Der erste Beste mit dieser Angst im Herzen. Heute Abend Hütte noch vieles gut werden können, Aber jetzt wollte sie zu Bett gehen, wollte nichts mehr sehen und hören, Sie löschte die Lampe und die Kerzen an den dreiarmigen Wandleuchtern 7 Die Sonne schien, so gut sie konnte, durch die zugezvgnen Gardinen. Ein Was ist denn? fragte sie verwirrt, verträumt. Einige Augenblicke lang Sie sprang schnell aus dem Bett. Die Bilder der Eltern sahen ihr ent¬ Dafür muß ich ihm auch noch danken! Zögernd und vorsichtig öffnete sie dann die Thür zum Ankleidezimmer; In dem großen Schrank mit der Spiegclthür fand sie ihre Kleider, von Auf dem Flur begegnete ihr niemand. Aus dem untern Stock herauf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220162"/> <fw type="header" place="top"> Der erste Beste</fw><lb/> <p xml:id="ID_1929" prev="#ID_1928"> mit dieser Angst im Herzen. Heute Abend Hütte noch vieles gut werden können,<lb/> wenn das nicht gekommen wäre mit Mamas Verschwinden. Du denkst das<lb/> nicht im Ernst, mein Kind? Doch, sie dachte es im Ernst. Wenn Mama hier<lb/> gewesen wäre, hätte sie sich wirklich freuen können, von Anfang bis zu Ende.<lb/> Dann wäre man auch „durch das ganze Haus gewandert," dann stünde sie<lb/> nun uicht so trübselig allein da herum, dann Ware man noch behaglich bei¬<lb/> sammen. Es war ja noch gar nicht spät.</p><lb/> <p xml:id="ID_1930"> Aber jetzt wollte sie zu Bett gehen, wollte nichts mehr sehen und hören,<lb/> wollte sich zusammenducken, mit Mamas Brief unter dem Kopfkissen und die<lb/> Augen zumachen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1931"> Sie löschte die Lampe und die Kerzen an den dreiarmigen Wandleuchtern<lb/> aus. In dem matten Licht des Mondes, der zum Fenster hereinsah, kleidete<lb/> sie sich hastig aus und huschte ins Bett.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 7</head><lb/> <p xml:id="ID_1932"> Die Sonne schien, so gut sie konnte, durch die zugezvgnen Gardinen. Ein<lb/> feiner Strahl hatte sich durch eine Spalte hereingeschlichen und spann seinen<lb/> lichten Faden über die Bettdecke, über Margaretens Schulter, über die warm-<lb/> geschlafne Wange und das blonde Haar. Die Schlüferin wischte mit der<lb/> Hand übers Gesicht, er mochte sie stören. Als er aber zudringlich weiter¬<lb/> leuchtete, öffnete sie die Angen und setzte sich mit einem Ruck aufrecht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1933"> Was ist denn? fragte sie verwirrt, verträumt. Einige Augenblicke lang<lb/> mußte sie sich besinnen, wo sie wäre. Dann legte sich ihr gleich wieder ein<lb/> dumpfer Druck auf die Brust. Sie warf einen scheuen Blick zur Seite: das<lb/> Bett neben ihr war leer. Nun strich sie mit beiden Händen das Haar aus<lb/> der Stirn und atmete tief auf. Baun griff sie nach ihrer Uhr auf dem Nacht¬<lb/> tischchen. Acht vorbei. Auf Wiedersehen beim Frühstück, hatte er gestern Abend<lb/> gesagt. Ein Gefühl, aus Scheu und Beschämung gemischt, schlich ihr übers<lb/> Herz. Wie sollte dieser Tag sein, nachdem gestern der Abend so ganz anders<lb/> geworden war, als er — und Mama — sich ihn ausgedacht hatten? Wenn<lb/> nur dieses erste Wiedersehen schon überstanden wäre! Sie legte sich wieder<lb/> zurück und zog die Decke bis ans Kinn hinauf. So eingewickelt und zusammen¬<lb/> geduckt fühlte sie sich gleichsam noch geborgen, versteckt. Dann hob sie aber<lb/> doch wieder unruhig den Kopf. Gott mochte wissen, wie früh man am Ende<lb/> auf dem Lande frühstückte. Und nun die sogenannte Hausfrauenwürde — man<lb/> war ja nicht mehr ans Reisen, jetzt wurde alles mögliche von ihr verlangt.<lb/> Und wenn anch dieses Mamsclling vielleicht für den Frühstückstisch sorgte —<lb/> Wer weiß, wie lange die da unten fertig sind, und ich muß nachsitzen. Dann<lb/> lachen womöglich die verschiednen Jünglinge über mich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1934"> Sie sprang schnell aus dem Bett. Die Bilder der Eltern sahen ihr ent¬<lb/> gegen, jetzt im hellen Tageslicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1935"> Dafür muß ich ihm auch noch danken!</p><lb/> <p xml:id="ID_1936"> Zögernd und vorsichtig öffnete sie dann die Thür zum Ankleidezimmer;<lb/> es war leer. Zum Überfluß schob sie aber noch den Riegel um der Flur¬<lb/> thür zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1937"> In dem großen Schrank mit der Spiegclthür fand sie ihre Kleider, von<lb/> der Hand der Mutter geordnet. Sie huschte flink in ein Helles, leichtes<lb/> Gewand.</p><lb/> <p xml:id="ID_1938" next="#ID_1939"> Auf dem Flur begegnete ihr niemand. Aus dem untern Stock herauf</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0486]
Der erste Beste
mit dieser Angst im Herzen. Heute Abend Hütte noch vieles gut werden können,
wenn das nicht gekommen wäre mit Mamas Verschwinden. Du denkst das
nicht im Ernst, mein Kind? Doch, sie dachte es im Ernst. Wenn Mama hier
gewesen wäre, hätte sie sich wirklich freuen können, von Anfang bis zu Ende.
Dann wäre man auch „durch das ganze Haus gewandert," dann stünde sie
nun uicht so trübselig allein da herum, dann Ware man noch behaglich bei¬
sammen. Es war ja noch gar nicht spät.
Aber jetzt wollte sie zu Bett gehen, wollte nichts mehr sehen und hören,
wollte sich zusammenducken, mit Mamas Brief unter dem Kopfkissen und die
Augen zumachen.
Sie löschte die Lampe und die Kerzen an den dreiarmigen Wandleuchtern
aus. In dem matten Licht des Mondes, der zum Fenster hereinsah, kleidete
sie sich hastig aus und huschte ins Bett.
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Die Sonne schien, so gut sie konnte, durch die zugezvgnen Gardinen. Ein
feiner Strahl hatte sich durch eine Spalte hereingeschlichen und spann seinen
lichten Faden über die Bettdecke, über Margaretens Schulter, über die warm-
geschlafne Wange und das blonde Haar. Die Schlüferin wischte mit der
Hand übers Gesicht, er mochte sie stören. Als er aber zudringlich weiter¬
leuchtete, öffnete sie die Angen und setzte sich mit einem Ruck aufrecht.
Was ist denn? fragte sie verwirrt, verträumt. Einige Augenblicke lang
mußte sie sich besinnen, wo sie wäre. Dann legte sich ihr gleich wieder ein
dumpfer Druck auf die Brust. Sie warf einen scheuen Blick zur Seite: das
Bett neben ihr war leer. Nun strich sie mit beiden Händen das Haar aus
der Stirn und atmete tief auf. Baun griff sie nach ihrer Uhr auf dem Nacht¬
tischchen. Acht vorbei. Auf Wiedersehen beim Frühstück, hatte er gestern Abend
gesagt. Ein Gefühl, aus Scheu und Beschämung gemischt, schlich ihr übers
Herz. Wie sollte dieser Tag sein, nachdem gestern der Abend so ganz anders
geworden war, als er — und Mama — sich ihn ausgedacht hatten? Wenn
nur dieses erste Wiedersehen schon überstanden wäre! Sie legte sich wieder
zurück und zog die Decke bis ans Kinn hinauf. So eingewickelt und zusammen¬
geduckt fühlte sie sich gleichsam noch geborgen, versteckt. Dann hob sie aber
doch wieder unruhig den Kopf. Gott mochte wissen, wie früh man am Ende
auf dem Lande frühstückte. Und nun die sogenannte Hausfrauenwürde — man
war ja nicht mehr ans Reisen, jetzt wurde alles mögliche von ihr verlangt.
Und wenn anch dieses Mamsclling vielleicht für den Frühstückstisch sorgte —
Wer weiß, wie lange die da unten fertig sind, und ich muß nachsitzen. Dann
lachen womöglich die verschiednen Jünglinge über mich.
Sie sprang schnell aus dem Bett. Die Bilder der Eltern sahen ihr ent¬
gegen, jetzt im hellen Tageslicht.
Dafür muß ich ihm auch noch danken!
Zögernd und vorsichtig öffnete sie dann die Thür zum Ankleidezimmer;
es war leer. Zum Überfluß schob sie aber noch den Riegel um der Flur¬
thür zu.
In dem großen Schrank mit der Spiegclthür fand sie ihre Kleider, von
der Hand der Mutter geordnet. Sie huschte flink in ein Helles, leichtes
Gewand.
Auf dem Flur begegnete ihr niemand. Aus dem untern Stock herauf
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