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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik

andern nach. Der berühmte Leichhardt, einer der bedeutendsten unter den ersten
Erforschern des Innern Australiens, weilte hier schon in den vierziger Jahren,
und von Adelaide aus nahm Viktor Streich, ein Württemberger, dem wir
treffliche wissenschaftliche Berichte verdanken, als Geolog und Mineralog an
der großen Expedition des Sir Thomas Eider nach Westaustralien teil. So
lehrt Südaustralien, was Nordamerika lehrt, daß die Deutschen am besten
gedeihen, wo mit einer Bevölkerung von Bauern und Gewerbtreibenden eine
intelligente Minderheit von Geistlichen, Lehrern, Ärzten und Politikern -- denn
auch das ist dort ein Beruf -- eng zusammenhängt.

Der deutsche Kaufmann hat gerade in Australien für das Deutschtum
weniger geleistet. Doch das ist überall ähnlich und liegt zum Teil im Berufe.
Er tritt weder in großer Zahl auf, noch wurzelt er sich tief ein, und seine
Arbeit ist kosmopolitischer Natur. Daß aber der Aufschwung, den der deutsche
Handel neuerdings in Australien genommen hat, den dortigen Deutschen über¬
haupt zu gute kommen wird, wenn sie bei der geringfügigen Zuwanderung
nicht aus andern Gründen zurückgehen, darf man wohl hoffen. Daß Deutsch¬
lands Handelswelt so spät erst auf Australien aufmerksam wurde, und daß
es erst einer energischen Agitation, die nicht von den Seestädten, sondern
von Landratten, wie Jung und Januasch, ausging, gelang, für die ersten
großen internationalen Ausstellungen von Sydney und Melbourne (1878 und
1880) in Deutschland ein thatkräftiges Interesse wachzurufen, spricht übrigens
nicht sehr für den Weitblick unsrer Großkaufleute. Es ist hier im kleinen die¬
selbe Geschichte wie einst mit Amerika, mit dem unsre Seestädte erst lange nach
den Spaniern, Portugiesen, Franzosen, Holländern und Engländern Verbin¬
dungen anknüpften, die sich sehr langsam entwickelten. Diesmal ist es mit
Hilfe der Regierung rascher gegangen. Der Klage über den Mangel direkter
Verbindungen mit Australien ist 1881 durch eine hamburgisch-australische Linie
abgeholfen, und seit 1886 ist die mit Staatsunterstützung arbeitende Postdampfer¬
linie des Norddeutschen Lloyd dazugekommen, die allerdings in viel höherm
Maße der Einfuhr der australischen Erzeugnisse nach Deutschland als der deut¬
schen Ausfuhr uach Australien genützt hat, wie es denn im allgemeinen be¬
zeichnend für das Festhalten der Australier an den englischen Beziehungen ist,
daß sich trotz der Zollschranken und der Wettbewerbung die Einfuhr aus Eng¬
land "ach Australien viel langsamer vermindert als die Ausfuhr von dort nach
England und die beherrschende Stellung des Londoner Marktes für austra¬
lische Waren.




Grenzboten II 189558
Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik

andern nach. Der berühmte Leichhardt, einer der bedeutendsten unter den ersten
Erforschern des Innern Australiens, weilte hier schon in den vierziger Jahren,
und von Adelaide aus nahm Viktor Streich, ein Württemberger, dem wir
treffliche wissenschaftliche Berichte verdanken, als Geolog und Mineralog an
der großen Expedition des Sir Thomas Eider nach Westaustralien teil. So
lehrt Südaustralien, was Nordamerika lehrt, daß die Deutschen am besten
gedeihen, wo mit einer Bevölkerung von Bauern und Gewerbtreibenden eine
intelligente Minderheit von Geistlichen, Lehrern, Ärzten und Politikern — denn
auch das ist dort ein Beruf — eng zusammenhängt.

Der deutsche Kaufmann hat gerade in Australien für das Deutschtum
weniger geleistet. Doch das ist überall ähnlich und liegt zum Teil im Berufe.
Er tritt weder in großer Zahl auf, noch wurzelt er sich tief ein, und seine
Arbeit ist kosmopolitischer Natur. Daß aber der Aufschwung, den der deutsche
Handel neuerdings in Australien genommen hat, den dortigen Deutschen über¬
haupt zu gute kommen wird, wenn sie bei der geringfügigen Zuwanderung
nicht aus andern Gründen zurückgehen, darf man wohl hoffen. Daß Deutsch¬
lands Handelswelt so spät erst auf Australien aufmerksam wurde, und daß
es erst einer energischen Agitation, die nicht von den Seestädten, sondern
von Landratten, wie Jung und Januasch, ausging, gelang, für die ersten
großen internationalen Ausstellungen von Sydney und Melbourne (1878 und
1880) in Deutschland ein thatkräftiges Interesse wachzurufen, spricht übrigens
nicht sehr für den Weitblick unsrer Großkaufleute. Es ist hier im kleinen die¬
selbe Geschichte wie einst mit Amerika, mit dem unsre Seestädte erst lange nach
den Spaniern, Portugiesen, Franzosen, Holländern und Engländern Verbin¬
dungen anknüpften, die sich sehr langsam entwickelten. Diesmal ist es mit
Hilfe der Regierung rascher gegangen. Der Klage über den Mangel direkter
Verbindungen mit Australien ist 1881 durch eine hamburgisch-australische Linie
abgeholfen, und seit 1886 ist die mit Staatsunterstützung arbeitende Postdampfer¬
linie des Norddeutschen Lloyd dazugekommen, die allerdings in viel höherm
Maße der Einfuhr der australischen Erzeugnisse nach Deutschland als der deut¬
schen Ausfuhr uach Australien genützt hat, wie es denn im allgemeinen be¬
zeichnend für das Festhalten der Australier an den englischen Beziehungen ist,
daß sich trotz der Zollschranken und der Wettbewerbung die Einfuhr aus Eng¬
land «ach Australien viel langsamer vermindert als die Ausfuhr von dort nach
England und die beherrschende Stellung des Londoner Marktes für austra¬
lische Waren.




Grenzboten II 189558
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[0465] Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik andern nach. Der berühmte Leichhardt, einer der bedeutendsten unter den ersten Erforschern des Innern Australiens, weilte hier schon in den vierziger Jahren, und von Adelaide aus nahm Viktor Streich, ein Württemberger, dem wir treffliche wissenschaftliche Berichte verdanken, als Geolog und Mineralog an der großen Expedition des Sir Thomas Eider nach Westaustralien teil. So lehrt Südaustralien, was Nordamerika lehrt, daß die Deutschen am besten gedeihen, wo mit einer Bevölkerung von Bauern und Gewerbtreibenden eine intelligente Minderheit von Geistlichen, Lehrern, Ärzten und Politikern — denn auch das ist dort ein Beruf — eng zusammenhängt. Der deutsche Kaufmann hat gerade in Australien für das Deutschtum weniger geleistet. Doch das ist überall ähnlich und liegt zum Teil im Berufe. Er tritt weder in großer Zahl auf, noch wurzelt er sich tief ein, und seine Arbeit ist kosmopolitischer Natur. Daß aber der Aufschwung, den der deutsche Handel neuerdings in Australien genommen hat, den dortigen Deutschen über¬ haupt zu gute kommen wird, wenn sie bei der geringfügigen Zuwanderung nicht aus andern Gründen zurückgehen, darf man wohl hoffen. Daß Deutsch¬ lands Handelswelt so spät erst auf Australien aufmerksam wurde, und daß es erst einer energischen Agitation, die nicht von den Seestädten, sondern von Landratten, wie Jung und Januasch, ausging, gelang, für die ersten großen internationalen Ausstellungen von Sydney und Melbourne (1878 und 1880) in Deutschland ein thatkräftiges Interesse wachzurufen, spricht übrigens nicht sehr für den Weitblick unsrer Großkaufleute. Es ist hier im kleinen die¬ selbe Geschichte wie einst mit Amerika, mit dem unsre Seestädte erst lange nach den Spaniern, Portugiesen, Franzosen, Holländern und Engländern Verbin¬ dungen anknüpften, die sich sehr langsam entwickelten. Diesmal ist es mit Hilfe der Regierung rascher gegangen. Der Klage über den Mangel direkter Verbindungen mit Australien ist 1881 durch eine hamburgisch-australische Linie abgeholfen, und seit 1886 ist die mit Staatsunterstützung arbeitende Postdampfer¬ linie des Norddeutschen Lloyd dazugekommen, die allerdings in viel höherm Maße der Einfuhr der australischen Erzeugnisse nach Deutschland als der deut¬ schen Ausfuhr uach Australien genützt hat, wie es denn im allgemeinen be¬ zeichnend für das Festhalten der Australier an den englischen Beziehungen ist, daß sich trotz der Zollschranken und der Wettbewerbung die Einfuhr aus Eng¬ land «ach Australien viel langsamer vermindert als die Ausfuhr von dort nach England und die beherrschende Stellung des Londoner Marktes für austra¬ lische Waren. Grenzboten II 189558

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/465>, abgerufen am 25.08.2024.