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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Zur Kenntnis der englischen lveltpolitik

Eukalypten nicht gedeihen, und daß sich das Büffelgras in den zarten eng¬
lischen Nasen parasitisch hineinfrißt, lassen wir uns von der Natur daran er¬
innern, daß diese andre Welt eines Tages auch andre Menschen tragen wird,
und daß die Bevölkerung antipodischer Länder und Inseln mit den wohl¬
erzogensten Engländern und den bestgekleidetcn Engländerinnen doch nicht
das letzte und höchste Ziel der Weltgeschichte sein kann. Allerdings glaubte
das der Pfarrer, deu Fronde in Melbourne predigen hörte, die Engländer
seien das Salz der Erde und dazu bestimmt, der übrigen Welt das wahre
Christentum zu vermitteln. Aber dieser nichtaustralische Zuhörer, ein enthu¬
siastischer Großbrite, schrieb dann in sein Tagebuch: Einst war eine Geradheit
im englischen Charakter, ein Haß der Unaufrichtigkeit und Halbunaufrichtigkeit,
eine Verachtung allen Humbugs. Wo ist sie? Verschwunden, oder nur ein¬
geschlafen? Wer Australien kennt, weiß, daß dieser Humbug von vielen ge¬
glaubt wird. Daß ein so energisch englisches Tochtervolk hier entstanden ist,
bedeutet aber sür lange hinaus eine der größten, förderlichsten Thatsachen der
englischen Weltpolitik, wie die politischen Formen auch gestaltet und umgestaltet
werden mögen.

Zum Schluß noch ein Wort über die Deutschen. Sie sind am zahl¬
reichsten nach den Engländern, man schätzt sie auf 100000, ihre Stärke tritt
aber nur in Südaustralien und einigermaßen noch in Queensland konzentrirt
auf. Es hängt das damit zusammen, daß die deutsche Auswanderung nach
Südaustralien früh eingesetzt hat. Daß sie sich nicht mit der schon Ende der
dreißiger Jahre begonnenen Begründung der ersten Ackerbaukolonien verkrümelt
hat, wie in den beiden andern ältern Kolonien Australiens, besonders dem in
der Goldzeit stark von Deutschen bevölkerten Viktoria, beweist die Thatsache,
daß die Australische Zeitung von Adelaide jetzt in ihrem siebenundvierzigsten
Jahrgange steht und das deutsche Hauptorgan für Australien überhaupt ge¬
worden ist. Eine besondre deutsche Zeitung hat unsers Wissens nur noch
Queensland aufzuweisen. Die Versuche dazu in Melbourne sind niemals recht
gediehen. Woran liegt das bessere Gedeihen der südaustralischen Kolonisten? Wir
meinen, als Deutsche, denn gediehen sind unsre Landsleute anderwärts auch,
aber nicht so deutsch geblieben. Die erste Ursache war, daß von Anfang an
unter deutschen Geistlichen und Lehrern, die gleich mit herüberkamen, feste Ge¬
meinden gegründet wurden, wie Bethanien, Hoffnnngsthal, Lobethal. Die
Einwanderer kamen zum größten Teil aus engen Bezirken des protestantischen
Nord- und Mitteldeutschlands, paßten zu einander, verständigten sich leicht.
Dann folgte aber seit 1848, ähnlich wie in Nordamerika, ein Zufluß gebildeter
Elemente, der in Adelaide zeitweilig eine ganze Reihe hervorragender Vertreter
deutscher Bildung versammelte, deren Namen auch in der alten Welt einen
guten Klang haben, wie Richard Schomburgk und v. Müller, Dr. Mücke,
Basedow, Dr. Hermann Behr (später in San Franzisko). Einer zog den


Zur Kenntnis der englischen lveltpolitik

Eukalypten nicht gedeihen, und daß sich das Büffelgras in den zarten eng¬
lischen Nasen parasitisch hineinfrißt, lassen wir uns von der Natur daran er¬
innern, daß diese andre Welt eines Tages auch andre Menschen tragen wird,
und daß die Bevölkerung antipodischer Länder und Inseln mit den wohl¬
erzogensten Engländern und den bestgekleidetcn Engländerinnen doch nicht
das letzte und höchste Ziel der Weltgeschichte sein kann. Allerdings glaubte
das der Pfarrer, deu Fronde in Melbourne predigen hörte, die Engländer
seien das Salz der Erde und dazu bestimmt, der übrigen Welt das wahre
Christentum zu vermitteln. Aber dieser nichtaustralische Zuhörer, ein enthu¬
siastischer Großbrite, schrieb dann in sein Tagebuch: Einst war eine Geradheit
im englischen Charakter, ein Haß der Unaufrichtigkeit und Halbunaufrichtigkeit,
eine Verachtung allen Humbugs. Wo ist sie? Verschwunden, oder nur ein¬
geschlafen? Wer Australien kennt, weiß, daß dieser Humbug von vielen ge¬
glaubt wird. Daß ein so energisch englisches Tochtervolk hier entstanden ist,
bedeutet aber sür lange hinaus eine der größten, förderlichsten Thatsachen der
englischen Weltpolitik, wie die politischen Formen auch gestaltet und umgestaltet
werden mögen.

Zum Schluß noch ein Wort über die Deutschen. Sie sind am zahl¬
reichsten nach den Engländern, man schätzt sie auf 100000, ihre Stärke tritt
aber nur in Südaustralien und einigermaßen noch in Queensland konzentrirt
auf. Es hängt das damit zusammen, daß die deutsche Auswanderung nach
Südaustralien früh eingesetzt hat. Daß sie sich nicht mit der schon Ende der
dreißiger Jahre begonnenen Begründung der ersten Ackerbaukolonien verkrümelt
hat, wie in den beiden andern ältern Kolonien Australiens, besonders dem in
der Goldzeit stark von Deutschen bevölkerten Viktoria, beweist die Thatsache,
daß die Australische Zeitung von Adelaide jetzt in ihrem siebenundvierzigsten
Jahrgange steht und das deutsche Hauptorgan für Australien überhaupt ge¬
worden ist. Eine besondre deutsche Zeitung hat unsers Wissens nur noch
Queensland aufzuweisen. Die Versuche dazu in Melbourne sind niemals recht
gediehen. Woran liegt das bessere Gedeihen der südaustralischen Kolonisten? Wir
meinen, als Deutsche, denn gediehen sind unsre Landsleute anderwärts auch,
aber nicht so deutsch geblieben. Die erste Ursache war, daß von Anfang an
unter deutschen Geistlichen und Lehrern, die gleich mit herüberkamen, feste Ge¬
meinden gegründet wurden, wie Bethanien, Hoffnnngsthal, Lobethal. Die
Einwanderer kamen zum größten Teil aus engen Bezirken des protestantischen
Nord- und Mitteldeutschlands, paßten zu einander, verständigten sich leicht.
Dann folgte aber seit 1848, ähnlich wie in Nordamerika, ein Zufluß gebildeter
Elemente, der in Adelaide zeitweilig eine ganze Reihe hervorragender Vertreter
deutscher Bildung versammelte, deren Namen auch in der alten Welt einen
guten Klang haben, wie Richard Schomburgk und v. Müller, Dr. Mücke,
Basedow, Dr. Hermann Behr (später in San Franzisko). Einer zog den


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[0464] Zur Kenntnis der englischen lveltpolitik Eukalypten nicht gedeihen, und daß sich das Büffelgras in den zarten eng¬ lischen Nasen parasitisch hineinfrißt, lassen wir uns von der Natur daran er¬ innern, daß diese andre Welt eines Tages auch andre Menschen tragen wird, und daß die Bevölkerung antipodischer Länder und Inseln mit den wohl¬ erzogensten Engländern und den bestgekleidetcn Engländerinnen doch nicht das letzte und höchste Ziel der Weltgeschichte sein kann. Allerdings glaubte das der Pfarrer, deu Fronde in Melbourne predigen hörte, die Engländer seien das Salz der Erde und dazu bestimmt, der übrigen Welt das wahre Christentum zu vermitteln. Aber dieser nichtaustralische Zuhörer, ein enthu¬ siastischer Großbrite, schrieb dann in sein Tagebuch: Einst war eine Geradheit im englischen Charakter, ein Haß der Unaufrichtigkeit und Halbunaufrichtigkeit, eine Verachtung allen Humbugs. Wo ist sie? Verschwunden, oder nur ein¬ geschlafen? Wer Australien kennt, weiß, daß dieser Humbug von vielen ge¬ glaubt wird. Daß ein so energisch englisches Tochtervolk hier entstanden ist, bedeutet aber sür lange hinaus eine der größten, förderlichsten Thatsachen der englischen Weltpolitik, wie die politischen Formen auch gestaltet und umgestaltet werden mögen. Zum Schluß noch ein Wort über die Deutschen. Sie sind am zahl¬ reichsten nach den Engländern, man schätzt sie auf 100000, ihre Stärke tritt aber nur in Südaustralien und einigermaßen noch in Queensland konzentrirt auf. Es hängt das damit zusammen, daß die deutsche Auswanderung nach Südaustralien früh eingesetzt hat. Daß sie sich nicht mit der schon Ende der dreißiger Jahre begonnenen Begründung der ersten Ackerbaukolonien verkrümelt hat, wie in den beiden andern ältern Kolonien Australiens, besonders dem in der Goldzeit stark von Deutschen bevölkerten Viktoria, beweist die Thatsache, daß die Australische Zeitung von Adelaide jetzt in ihrem siebenundvierzigsten Jahrgange steht und das deutsche Hauptorgan für Australien überhaupt ge¬ worden ist. Eine besondre deutsche Zeitung hat unsers Wissens nur noch Queensland aufzuweisen. Die Versuche dazu in Melbourne sind niemals recht gediehen. Woran liegt das bessere Gedeihen der südaustralischen Kolonisten? Wir meinen, als Deutsche, denn gediehen sind unsre Landsleute anderwärts auch, aber nicht so deutsch geblieben. Die erste Ursache war, daß von Anfang an unter deutschen Geistlichen und Lehrern, die gleich mit herüberkamen, feste Ge¬ meinden gegründet wurden, wie Bethanien, Hoffnnngsthal, Lobethal. Die Einwanderer kamen zum größten Teil aus engen Bezirken des protestantischen Nord- und Mitteldeutschlands, paßten zu einander, verständigten sich leicht. Dann folgte aber seit 1848, ähnlich wie in Nordamerika, ein Zufluß gebildeter Elemente, der in Adelaide zeitweilig eine ganze Reihe hervorragender Vertreter deutscher Bildung versammelte, deren Namen auch in der alten Welt einen guten Klang haben, wie Richard Schomburgk und v. Müller, Dr. Mücke, Basedow, Dr. Hermann Behr (später in San Franzisko). Einer zog den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/464>, abgerufen am 25.08.2024.