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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Der erste Beste

deutlich die Charaktere gezeichnet sind. Die Lebenseindrücke, aus denen eine
Dichtung wie die neueste Spielhagensche hervorgegangen ist. sind ziemlich leicht
zu erkennen, sie kontrastiren jedenfalls gewaltig mit dem Byzantinismus einer
gewissen patriotischen Historie. Aber ohne die Wahrheit der Erfindung anzu¬
fechten, und alle Vorzüge der Ausführung zugegeben, ist es doch ein Ver¬
hängnis, was unsre Dichter sortgesetzt treibt, ihre Augen vor allem erquick¬
lichen, wahrhafte innere Theilnahme fordernden Leben zu verschließen und die
allgemeine Erkenntnis des gleißenden Scheins, die wahrhaftig schon scharf
genug ist, noch zu schärfen. Und die höchste Aufgabe des Dichters liegt trotz
allem, und ohne den Drang nach Weltauffassung und Weltdarstellung um eine
Linie einengen zu wollen, aus der entgegengesetzten Seite, Die Frage, was
uns Hekuba sei, mag völlig unberechtigt heißen, die aber, was uns Susi von
Vachta und Otto von Vrenken bedeuten sollen, wird ihr Recht behalten.




Der erste Beste
Veto Verdeck Erzählung von
(Fortsetzung)

argarete hatte in demselben Augenblick mit Weinen aufgehört, als
er sich von ihr abwandte und hinwegging. Plötzlich war es ihr
in der Kehle stecken geblieben, gleichsam geronnen in einem kalten
Erschrecken. Hastig war sie aufgestanden, um ihrem Mann nach¬
zusehen, der von ihr ging, nachdem sie ihm das gesagt hatte,
nachdeut sie es ihm ins Gesicht geworfen hatte, daß er ihr
daß sie ihn nicht sehen wolle. Denn das war es ja gewesen,
gefühlt, so hatte er es verstanden. Nun wcirs geschehen, und
Sie hatte die Empfindung, als würde er so weiter gehen, ge¬
radeswegs, ohne anzuhalten, aus Warnemüudc fort, irgendwohin, und sie
wi für allemal allein lassen.zuwider sei.
so hatte sie
um ging er

^n einem unklaren Gemisch von Trotz und beklemmender Angst drückte
sie das zuscnmnengeballte, feuchte Taschentuch an die geschlossenen Lippen und
Ichaute mit weitgeöffneten Augen. Jetzt ging er die Stufen jenseits des
^mets hinunter. Jetzt war er auf dem Damm. Jetzt stand er still, wandte
M) zur Seite, seewärts und blieb stehen, unbeweglich, das Gesicht ihr zu¬
gekehrt.

s.s ^^Mrcte atmete tief auf, ging dann an das äußere Ende der Galerie,
lehnte sich die Holzbrüstung und sah angestrengt zu ihm hinüber. Seine
Zuge konnte sie nicht unterscheiden, aber daß er den Hut abgenommen hatte,
Mh ste.


Grenzboten II 18SS 48
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deutlich die Charaktere gezeichnet sind. Die Lebenseindrücke, aus denen eine
Dichtung wie die neueste Spielhagensche hervorgegangen ist. sind ziemlich leicht
zu erkennen, sie kontrastiren jedenfalls gewaltig mit dem Byzantinismus einer
gewissen patriotischen Historie. Aber ohne die Wahrheit der Erfindung anzu¬
fechten, und alle Vorzüge der Ausführung zugegeben, ist es doch ein Ver¬
hängnis, was unsre Dichter sortgesetzt treibt, ihre Augen vor allem erquick¬
lichen, wahrhafte innere Theilnahme fordernden Leben zu verschließen und die
allgemeine Erkenntnis des gleißenden Scheins, die wahrhaftig schon scharf
genug ist, noch zu schärfen. Und die höchste Aufgabe des Dichters liegt trotz
allem, und ohne den Drang nach Weltauffassung und Weltdarstellung um eine
Linie einengen zu wollen, aus der entgegengesetzten Seite, Die Frage, was
uns Hekuba sei, mag völlig unberechtigt heißen, die aber, was uns Susi von
Vachta und Otto von Vrenken bedeuten sollen, wird ihr Recht behalten.




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Veto Verdeck Erzählung von
(Fortsetzung)

argarete hatte in demselben Augenblick mit Weinen aufgehört, als
er sich von ihr abwandte und hinwegging. Plötzlich war es ihr
in der Kehle stecken geblieben, gleichsam geronnen in einem kalten
Erschrecken. Hastig war sie aufgestanden, um ihrem Mann nach¬
zusehen, der von ihr ging, nachdem sie ihm das gesagt hatte,
nachdeut sie es ihm ins Gesicht geworfen hatte, daß er ihr
daß sie ihn nicht sehen wolle. Denn das war es ja gewesen,
gefühlt, so hatte er es verstanden. Nun wcirs geschehen, und
Sie hatte die Empfindung, als würde er so weiter gehen, ge¬
radeswegs, ohne anzuhalten, aus Warnemüudc fort, irgendwohin, und sie
wi für allemal allein lassen.zuwider sei.
so hatte sie
um ging er

^n einem unklaren Gemisch von Trotz und beklemmender Angst drückte
sie das zuscnmnengeballte, feuchte Taschentuch an die geschlossenen Lippen und
Ichaute mit weitgeöffneten Augen. Jetzt ging er die Stufen jenseits des
^mets hinunter. Jetzt war er auf dem Damm. Jetzt stand er still, wandte
M) zur Seite, seewärts und blieb stehen, unbeweglich, das Gesicht ihr zu¬
gekehrt.

s.s ^^Mrcte atmete tief auf, ging dann an das äußere Ende der Galerie,
lehnte sich die Holzbrüstung und sah angestrengt zu ihm hinüber. Seine
Zuge konnte sie nicht unterscheiden, aber daß er den Hut abgenommen hatte,
Mh ste.


Grenzboten II 18SS 48
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[0385] Der erste Beste deutlich die Charaktere gezeichnet sind. Die Lebenseindrücke, aus denen eine Dichtung wie die neueste Spielhagensche hervorgegangen ist. sind ziemlich leicht zu erkennen, sie kontrastiren jedenfalls gewaltig mit dem Byzantinismus einer gewissen patriotischen Historie. Aber ohne die Wahrheit der Erfindung anzu¬ fechten, und alle Vorzüge der Ausführung zugegeben, ist es doch ein Ver¬ hängnis, was unsre Dichter sortgesetzt treibt, ihre Augen vor allem erquick¬ lichen, wahrhafte innere Theilnahme fordernden Leben zu verschließen und die allgemeine Erkenntnis des gleißenden Scheins, die wahrhaftig schon scharf genug ist, noch zu schärfen. Und die höchste Aufgabe des Dichters liegt trotz allem, und ohne den Drang nach Weltauffassung und Weltdarstellung um eine Linie einengen zu wollen, aus der entgegengesetzten Seite, Die Frage, was uns Hekuba sei, mag völlig unberechtigt heißen, die aber, was uns Susi von Vachta und Otto von Vrenken bedeuten sollen, wird ihr Recht behalten. Der erste Beste Veto Verdeck Erzählung von (Fortsetzung) argarete hatte in demselben Augenblick mit Weinen aufgehört, als er sich von ihr abwandte und hinwegging. Plötzlich war es ihr in der Kehle stecken geblieben, gleichsam geronnen in einem kalten Erschrecken. Hastig war sie aufgestanden, um ihrem Mann nach¬ zusehen, der von ihr ging, nachdem sie ihm das gesagt hatte, nachdeut sie es ihm ins Gesicht geworfen hatte, daß er ihr daß sie ihn nicht sehen wolle. Denn das war es ja gewesen, gefühlt, so hatte er es verstanden. Nun wcirs geschehen, und Sie hatte die Empfindung, als würde er so weiter gehen, ge¬ radeswegs, ohne anzuhalten, aus Warnemüudc fort, irgendwohin, und sie wi für allemal allein lassen.zuwider sei. so hatte sie um ging er ^n einem unklaren Gemisch von Trotz und beklemmender Angst drückte sie das zuscnmnengeballte, feuchte Taschentuch an die geschlossenen Lippen und Ichaute mit weitgeöffneten Augen. Jetzt ging er die Stufen jenseits des ^mets hinunter. Jetzt war er auf dem Damm. Jetzt stand er still, wandte M) zur Seite, seewärts und blieb stehen, unbeweglich, das Gesicht ihr zu¬ gekehrt. s.s ^^Mrcte atmete tief auf, ging dann an das äußere Ende der Galerie, lehnte sich die Holzbrüstung und sah angestrengt zu ihm hinüber. Seine Zuge konnte sie nicht unterscheiden, aber daß er den Hut abgenommen hatte, Mh ste. Grenzboten II 18SS 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/385>, abgerufen am 27.08.2024.