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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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List und Larey

langte und im Widerspruch mit List sogar für Rohstoffe und Lebensmittel
Schutzzölle forderte.

Die Schilderung der Vorteile des Nahverkehrs bei Smith ist es, worauf
Carey sein System baut, das er zuerst in einem kleinern Buche: ille Harnron^
ok Intsrssts (1852), dann in dem dreibändigen Werke: ?rire>ixl6L ok Loveni
Loieuos (Philadelphia, 1858) entwickelt hat. Er unterscheidet den Nahverkehr,
den er oomrusros nennt, vom Fernverkehr, den er traÄs nennt, und leitet aus
jenem allen Segen, aus diesem allen Jammer der Menschheit ab. Die Eng¬
länder, als die Hauptvertreter des Tradesystems, beschuldigt er, Elend gebracht
zu haben über Irland, Ostindien, Portugal, die Türkei, nicht zum wenigsten
auch über ihr eignes Volk, die Nordamerikaner in der Entwicklung ihres Wohl¬
stands soviel wie möglich gehemmt und auch an dem Verderben Frankreichs,
Deutschlands und der skandinavischen Staaten gearbeitet zu haben, glücklicher¬
weise vergebens, da sich diese Länder beizeiten nach dem Colbertschen System
geschützt hätten; wohin der Engländer seinen Fuß setze, da lasse er eine Wüste
hinter sich. Carey erzählt die Geschichte der Unterdrückung der Industrie in
den nordamerikanischen Kolonien, die durch das berüchtigte Wort des ältern
Pitt (Lord Chatham) charakterisirt wird: es müsse so weit kommen, daß die
Kolonisten nicht einmal einen Hufnagel für den eignen Bedarf anfertigen dürften.
Auch für die grausame Behandlung der Neger macht Carey nicht die Pflanzer,
fondern die Kaufleute und Fabrikanten des Mutterlandes verantwortlich. Diese
hätten durch ihre Gesetzgebung in Westindien jede Art von Anbau unmöglich
gemacht und den Pflanzern nur noch den Zuckerrohrbau übrig gelassen, der
mehr als jede andre Art von Kultur die Gesundheit schädige. Zugleich aber
hätten sie den Pflanzern das Raffiniren verboten; aller Rohzucker sei nach
England gegangen, von wo ihn die Pflanzer, wenn sie raffinirten Zucker essen
wollten, um das vierfache des Preises, den sie selbst erhalten hatten, zurück¬
kaufen mußten. Außerdem wurde der Pflanzer durch die Hypotheken eng¬
lischer Kapitalisten bedrückt, mußte alle Fabrikate, die er brauchte, aus Eng¬
land beziehen und sogar seine Kinder in sündhaft teure englische Schulen
schicken, weil es in einem Lande, wo man kein städtisches Leben aufkommen
läßt, auch keine Bildung und keine Lehrer geben kann. So vielfach aus¬
gebeutet waren die Pflanzer, wenn sie durchkommen wollten, gezwungen, ihre
Neger unmenschlich zu schinden.

Während List nur die glänzenden Erfolge Englands hervorhebt, das eng¬
lische Arbeiterelend nur an einer einzigen Stelle andeutet und, allerdings im
Widerspruch mit der oben angeführten Stelle vom Landwirt und Müller, den
Engländern vollkommen Recht giebt in ihrem Streben, ihr Land zum vork-
suox ok tus voM zu machen, zeigt Carey, daß dieses Streben nicht allein
für Englands Kolonien und die durch feinen Handel ausgebeuteten Länder,
sondern auch für seine eigne Bevölkerung zum Verderben ausgeschlagen sei,


List und Larey

langte und im Widerspruch mit List sogar für Rohstoffe und Lebensmittel
Schutzzölle forderte.

Die Schilderung der Vorteile des Nahverkehrs bei Smith ist es, worauf
Carey sein System baut, das er zuerst in einem kleinern Buche: ille Harnron^
ok Intsrssts (1852), dann in dem dreibändigen Werke: ?rire>ixl6L ok Loveni
Loieuos (Philadelphia, 1858) entwickelt hat. Er unterscheidet den Nahverkehr,
den er oomrusros nennt, vom Fernverkehr, den er traÄs nennt, und leitet aus
jenem allen Segen, aus diesem allen Jammer der Menschheit ab. Die Eng¬
länder, als die Hauptvertreter des Tradesystems, beschuldigt er, Elend gebracht
zu haben über Irland, Ostindien, Portugal, die Türkei, nicht zum wenigsten
auch über ihr eignes Volk, die Nordamerikaner in der Entwicklung ihres Wohl¬
stands soviel wie möglich gehemmt und auch an dem Verderben Frankreichs,
Deutschlands und der skandinavischen Staaten gearbeitet zu haben, glücklicher¬
weise vergebens, da sich diese Länder beizeiten nach dem Colbertschen System
geschützt hätten; wohin der Engländer seinen Fuß setze, da lasse er eine Wüste
hinter sich. Carey erzählt die Geschichte der Unterdrückung der Industrie in
den nordamerikanischen Kolonien, die durch das berüchtigte Wort des ältern
Pitt (Lord Chatham) charakterisirt wird: es müsse so weit kommen, daß die
Kolonisten nicht einmal einen Hufnagel für den eignen Bedarf anfertigen dürften.
Auch für die grausame Behandlung der Neger macht Carey nicht die Pflanzer,
fondern die Kaufleute und Fabrikanten des Mutterlandes verantwortlich. Diese
hätten durch ihre Gesetzgebung in Westindien jede Art von Anbau unmöglich
gemacht und den Pflanzern nur noch den Zuckerrohrbau übrig gelassen, der
mehr als jede andre Art von Kultur die Gesundheit schädige. Zugleich aber
hätten sie den Pflanzern das Raffiniren verboten; aller Rohzucker sei nach
England gegangen, von wo ihn die Pflanzer, wenn sie raffinirten Zucker essen
wollten, um das vierfache des Preises, den sie selbst erhalten hatten, zurück¬
kaufen mußten. Außerdem wurde der Pflanzer durch die Hypotheken eng¬
lischer Kapitalisten bedrückt, mußte alle Fabrikate, die er brauchte, aus Eng¬
land beziehen und sogar seine Kinder in sündhaft teure englische Schulen
schicken, weil es in einem Lande, wo man kein städtisches Leben aufkommen
läßt, auch keine Bildung und keine Lehrer geben kann. So vielfach aus¬
gebeutet waren die Pflanzer, wenn sie durchkommen wollten, gezwungen, ihre
Neger unmenschlich zu schinden.

Während List nur die glänzenden Erfolge Englands hervorhebt, das eng¬
lische Arbeiterelend nur an einer einzigen Stelle andeutet und, allerdings im
Widerspruch mit der oben angeführten Stelle vom Landwirt und Müller, den
Engländern vollkommen Recht giebt in ihrem Streben, ihr Land zum vork-
suox ok tus voM zu machen, zeigt Carey, daß dieses Streben nicht allein
für Englands Kolonien und die durch feinen Handel ausgebeuteten Länder,
sondern auch für seine eigne Bevölkerung zum Verderben ausgeschlagen sei,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/366>, abgerufen am 26.08.2024.