Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.List und Carey ganzen Ackerbaus eines Landes, daß seine eigne Manufakturkraft möglichst Freilich kann Carey diesen Gedanken auch aus Adam Smith geschöpft List und Carey ganzen Ackerbaus eines Landes, daß seine eigne Manufakturkraft möglichst Freilich kann Carey diesen Gedanken auch aus Adam Smith geschöpft <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0365" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220041"/> <fw type="header" place="top"> List und Carey</fw><lb/> <p xml:id="ID_1343" prev="#ID_1342"> ganzen Ackerbaus eines Landes, daß seine eigne Manufakturkraft möglichst<lb/> hoch ausgebildet sei."</p><lb/> <p xml:id="ID_1344" next="#ID_1345"> Freilich kann Carey diesen Gedanken auch aus Adam Smith geschöpft<lb/> haben, und es unterscheidet ihn von List, daß er dem großen Schotten nicht<lb/> feindlich gegenübertritt, sondern sein neues System auf ihn stützt; Seite 127<lb/> des zweiten Bandes beschuldigt er List ausdrücklich, daß er Smith Unrecht<lb/> thue. Smith hat behauptet und zu beweisen gesucht, daß kein Gewerbe soviel<lb/> Produktive Arbeit in Bewegung setze und sie so reichlich lohne als die Land¬<lb/> wirtschaft; er hat (im ersten Kapitel des dritten Buches) ausführlich gezeigt,<lb/> wie sehr Ackerbau und Gewerbe, Stadt und Land auf einander angewiesen<lb/> sind, und wie wohlthätig der unmittelbare Verkehr von Stadt und Land für<lb/> beide Teile ist, und zwar um so vorteilhafter, je näher beide einander liegen;<lb/> erhalte doch der Bauer, der seinen Weizen zwanzig Meilen weit zu Markte<lb/> fahren muß, dort nicht mehr dafür als einer, der nur eine Meile hin hat; er<lb/> ist ferner der Ansicht, daß der Handel das am wenigsten produktive Gewerbe<lb/> sei, und unter den verschiednen Arten des Handels wieder der Auslandshandel<lb/> der am wenigsten wertvolle Zweig; der Jnlandsverkehr sei weit nützlicher und<lb/> fruchtbringender. Smith hat den Preis des Landlebens in allen Tonarten<lb/> gesungen und war der Meinung, die Menschen würden diese schöne Lebens¬<lb/> weise niemals verlassen haben, ehe das Bedürfnis dazu zwang, wenn sie nicht<lb/> vor der Zeit durch eine unverständige Politik vom Lande Vertrieben worden<lb/> wären. Er behauptet endlich, nur das Wohl der Lohnarbeiter, der Landwirte<lb/> und der Grundbesitzer decke sich mit dem Gemeinwohl, sodaß jede Einkommen¬<lb/> steigerung, deren sie teilhaft werden, eine Steigerung des Nationalwohlstandes<lb/> bedeute; dagegen stehe der Vorteil der Fabrikanten und Händler im Gegensatz<lb/> zu dem Wohle der Gesamtheit, weil er auf Kosten der Arbeiter und der Kon¬<lb/> sumenten herausgeschlagen werde; jene beiden Klassen schildert er als eine in<lb/> steter Verschwörung gegen das Gemeinwohl begriffne Bande, die die Arbeiter<lb/> aufhenke, die Konsumenten betrüge, die gutmütigen, vertrauensvollen und<lb/> gleichgültigen Grundbesitzer übers Ohr haue und sie dazu verleite, grausame<lb/> und gemeinschädliche Gesetze zu machen; ein Jammer sei es, daß die Gesetz¬<lb/> gebung in die Gewalt dieser Räuberbande gefallen sei, nur die Gutsbesitzer<lb/> sollten eigentlich die Gesetze geben, die würden stets nur beschließen, was dem<lb/> Volke frommt, weil ihr Wohl mit seinem Wohle zusammenfalle, und ihr arg¬<lb/> loses, uneigennütziges Herz von Trug und Ränken nichts wisse. Adam Smith,<lb/> dessen 'Ugg.M ot Ug-lions seine heutigen Verehrer und Gegner ungefähr ebenso<lb/> gut kennen wie unsre heutigen Behörden die Bibel, die sie vor den Sozial¬<lb/> demokraten schützen wollen, dieser Adam Smith ist also ein Erzagrarier ge¬<lb/> wesen. Freilich war er zugleich auch Freihändler, aber das sind ja unsre<lb/> Agrarier bis vor kurzem auch gewesen. Jetzt allerdings haben sie sich Carey<lb/> zugewandt, der von jenen Sandschen Anschauungen aus zum Schutzzoll ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0365]
List und Carey
ganzen Ackerbaus eines Landes, daß seine eigne Manufakturkraft möglichst
hoch ausgebildet sei."
Freilich kann Carey diesen Gedanken auch aus Adam Smith geschöpft
haben, und es unterscheidet ihn von List, daß er dem großen Schotten nicht
feindlich gegenübertritt, sondern sein neues System auf ihn stützt; Seite 127
des zweiten Bandes beschuldigt er List ausdrücklich, daß er Smith Unrecht
thue. Smith hat behauptet und zu beweisen gesucht, daß kein Gewerbe soviel
Produktive Arbeit in Bewegung setze und sie so reichlich lohne als die Land¬
wirtschaft; er hat (im ersten Kapitel des dritten Buches) ausführlich gezeigt,
wie sehr Ackerbau und Gewerbe, Stadt und Land auf einander angewiesen
sind, und wie wohlthätig der unmittelbare Verkehr von Stadt und Land für
beide Teile ist, und zwar um so vorteilhafter, je näher beide einander liegen;
erhalte doch der Bauer, der seinen Weizen zwanzig Meilen weit zu Markte
fahren muß, dort nicht mehr dafür als einer, der nur eine Meile hin hat; er
ist ferner der Ansicht, daß der Handel das am wenigsten produktive Gewerbe
sei, und unter den verschiednen Arten des Handels wieder der Auslandshandel
der am wenigsten wertvolle Zweig; der Jnlandsverkehr sei weit nützlicher und
fruchtbringender. Smith hat den Preis des Landlebens in allen Tonarten
gesungen und war der Meinung, die Menschen würden diese schöne Lebens¬
weise niemals verlassen haben, ehe das Bedürfnis dazu zwang, wenn sie nicht
vor der Zeit durch eine unverständige Politik vom Lande Vertrieben worden
wären. Er behauptet endlich, nur das Wohl der Lohnarbeiter, der Landwirte
und der Grundbesitzer decke sich mit dem Gemeinwohl, sodaß jede Einkommen¬
steigerung, deren sie teilhaft werden, eine Steigerung des Nationalwohlstandes
bedeute; dagegen stehe der Vorteil der Fabrikanten und Händler im Gegensatz
zu dem Wohle der Gesamtheit, weil er auf Kosten der Arbeiter und der Kon¬
sumenten herausgeschlagen werde; jene beiden Klassen schildert er als eine in
steter Verschwörung gegen das Gemeinwohl begriffne Bande, die die Arbeiter
aufhenke, die Konsumenten betrüge, die gutmütigen, vertrauensvollen und
gleichgültigen Grundbesitzer übers Ohr haue und sie dazu verleite, grausame
und gemeinschädliche Gesetze zu machen; ein Jammer sei es, daß die Gesetz¬
gebung in die Gewalt dieser Räuberbande gefallen sei, nur die Gutsbesitzer
sollten eigentlich die Gesetze geben, die würden stets nur beschließen, was dem
Volke frommt, weil ihr Wohl mit seinem Wohle zusammenfalle, und ihr arg¬
loses, uneigennütziges Herz von Trug und Ränken nichts wisse. Adam Smith,
dessen 'Ugg.M ot Ug-lions seine heutigen Verehrer und Gegner ungefähr ebenso
gut kennen wie unsre heutigen Behörden die Bibel, die sie vor den Sozial¬
demokraten schützen wollen, dieser Adam Smith ist also ein Erzagrarier ge¬
wesen. Freilich war er zugleich auch Freihändler, aber das sind ja unsre
Agrarier bis vor kurzem auch gewesen. Jetzt allerdings haben sie sich Carey
zugewandt, der von jenen Sandschen Anschauungen aus zum Schutzzoll ge-
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