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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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scheint, als suchte man die eine auf Kosten der andern in ihrer Bedeutung
zu ändern. Die Schotten der Spree verdienen das von Herrn Frese ihnen
gespendete Lob insofern nicht, als nur ihr kleinstes, das hinterste, bei einer
Verletzung des Schiffseudes, auf die Probe gestellt worden ist, und man
es für gut befunden hat, den Dampfer bei seiner Wiederherstellung zu ver¬
stärken. Die Durchführbarkeit der völligen Trennung von Kesselraum und
Maschinenraum wird von Herrn Frese geleugnet, während es doch schon seit
Jahren Dampfer mit ausschließlich thürlosen Schotten giebt, unter ihnen die
allbekannten Paris und Newyork. Nach Herrn Frese wäre die Elbe im Besitz
eines Doppelbodens noch rascher untergegangen, nämlich gekentert (weil die
Ballasttanks bei Antritt der Reise noch leer sind und die Luft im Unterschiff
die Stabilität beeinträchtigt). Doch hätte die Elbe in jedem Falle, gleichviel,
ob mit oder ohne Doppelboden, genügend stabil sein müssen, und wenn der
zweite Boden etwa für diesmal nichts nützen konnte, so war er ein andermal
die einzige Rettung des Schiffs. Wollte man Herrn Frese ferner glauben,
so müßte sichs der Schiffer zur Ehre anrechnen, wenn er zum Wohle der ihm
anvertrauten Menschen zuweilen 36 Stunden auf der Kommandobrücke aus¬
harren darf. Die maßgebende Vertreterin des deutschen Schifferstands, die
Hansa, denkt hierüber anders; sie bezeichnet es als eine der Abstellung be¬
dürftige Härte, daß sich der Schiffer wegen der ihm auferlegten übergroßen
Verantwortlichkeit -- er haftet auch für die Fehler seiner Untergebnen --
Anstrengungen zumuten muß, deren Maß die Kräfte eines einzelnen Menschen
übersteigt. Die Offiziere der Lloydschiffe sind nach Herrn Frese nicht über¬
lastet, das zeige schou der Umstand, daß der Lloyd mehr Leute haben könne,
als er brauche. Aber mit welcher Reederei verhielte sich das nicht ebenso?
Durch das Aufkommen des Großbetriebs in der Schiffahrt verschwinden zahl¬
reiche selbständige Existenzen und zugleich eben so viele Gelegenheiten zur An¬
stellung von Schiffsführern; ob das Fahrzeug groß oder klein ist, macht hin¬
sichtlich der Leitung wenig Unterschied. Manche Steuerleute fahren jetzt als
gewöhnliche Matrosen oder in einer nebengeordneten Stellung, wie denn auch
der Schiffskoch, der das von der Elbe freigekommne Boot mit großer That¬
kraft lenkte, ein Steuermann war. Die Unzulänglichkeit der Ausführungen
des Abgeordneten Frese in der Sitzung des Reichstags vom 14. Februar
würde vielleicht noch mehr auffallen, wenn ein ungeschniegeltes Steno¬
gramm seiner Rede vorläge. In der Sitzung vom 16. März bestritt Herr
Frese dem Abgeordneten Stephan, daß kaum 30 Prozent der Lloydbesatzungen
aus gelernten Seeleuten bestünden; unter 136 und 150 Manu seien 52 und
60 wirkliche Seeleute. Sollte der Lloyd, in der Voraussicht, daß diese An¬
gelegenheit öffentlich zur Sprache kommen werde, einige "Muster"dampfer aus¬
gerüstet haben, oder unterscheiden sich die betreffenden Dampfer von den
Schnelldampfern im Betriebe? Auf S. 221 seines Handbuchs giebt der Lloyd


scheint, als suchte man die eine auf Kosten der andern in ihrer Bedeutung
zu ändern. Die Schotten der Spree verdienen das von Herrn Frese ihnen
gespendete Lob insofern nicht, als nur ihr kleinstes, das hinterste, bei einer
Verletzung des Schiffseudes, auf die Probe gestellt worden ist, und man
es für gut befunden hat, den Dampfer bei seiner Wiederherstellung zu ver¬
stärken. Die Durchführbarkeit der völligen Trennung von Kesselraum und
Maschinenraum wird von Herrn Frese geleugnet, während es doch schon seit
Jahren Dampfer mit ausschließlich thürlosen Schotten giebt, unter ihnen die
allbekannten Paris und Newyork. Nach Herrn Frese wäre die Elbe im Besitz
eines Doppelbodens noch rascher untergegangen, nämlich gekentert (weil die
Ballasttanks bei Antritt der Reise noch leer sind und die Luft im Unterschiff
die Stabilität beeinträchtigt). Doch hätte die Elbe in jedem Falle, gleichviel,
ob mit oder ohne Doppelboden, genügend stabil sein müssen, und wenn der
zweite Boden etwa für diesmal nichts nützen konnte, so war er ein andermal
die einzige Rettung des Schiffs. Wollte man Herrn Frese ferner glauben,
so müßte sichs der Schiffer zur Ehre anrechnen, wenn er zum Wohle der ihm
anvertrauten Menschen zuweilen 36 Stunden auf der Kommandobrücke aus¬
harren darf. Die maßgebende Vertreterin des deutschen Schifferstands, die
Hansa, denkt hierüber anders; sie bezeichnet es als eine der Abstellung be¬
dürftige Härte, daß sich der Schiffer wegen der ihm auferlegten übergroßen
Verantwortlichkeit — er haftet auch für die Fehler seiner Untergebnen —
Anstrengungen zumuten muß, deren Maß die Kräfte eines einzelnen Menschen
übersteigt. Die Offiziere der Lloydschiffe sind nach Herrn Frese nicht über¬
lastet, das zeige schou der Umstand, daß der Lloyd mehr Leute haben könne,
als er brauche. Aber mit welcher Reederei verhielte sich das nicht ebenso?
Durch das Aufkommen des Großbetriebs in der Schiffahrt verschwinden zahl¬
reiche selbständige Existenzen und zugleich eben so viele Gelegenheiten zur An¬
stellung von Schiffsführern; ob das Fahrzeug groß oder klein ist, macht hin¬
sichtlich der Leitung wenig Unterschied. Manche Steuerleute fahren jetzt als
gewöhnliche Matrosen oder in einer nebengeordneten Stellung, wie denn auch
der Schiffskoch, der das von der Elbe freigekommne Boot mit großer That¬
kraft lenkte, ein Steuermann war. Die Unzulänglichkeit der Ausführungen
des Abgeordneten Frese in der Sitzung des Reichstags vom 14. Februar
würde vielleicht noch mehr auffallen, wenn ein ungeschniegeltes Steno¬
gramm seiner Rede vorläge. In der Sitzung vom 16. März bestritt Herr
Frese dem Abgeordneten Stephan, daß kaum 30 Prozent der Lloydbesatzungen
aus gelernten Seeleuten bestünden; unter 136 und 150 Manu seien 52 und
60 wirkliche Seeleute. Sollte der Lloyd, in der Voraussicht, daß diese An¬
gelegenheit öffentlich zur Sprache kommen werde, einige „Muster"dampfer aus¬
gerüstet haben, oder unterscheiden sich die betreffenden Dampfer von den
Schnelldampfern im Betriebe? Auf S. 221 seines Handbuchs giebt der Lloyd


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/224>, abgerufen am 22.12.2024.