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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag

Absicht geschaffen worden war, hauptsächlich dem Kajütenverkehr zu dienen.
Majestic und Teutonie (1889/90) von dieser Gesellschaft werden nur durch die
Cunarders Campania und Lunaria (1893) ein wenig in Schatten gestellt. Die
Größe der neuen Schnelldampfer geht über das Erfordernis des zur Zeit vor-
handnen Reiseverkehrs hinaus. Schon die Hamburger Dampfer haben mehr
Raum, als die zu den regelmäßigen Abfahrtzeiten versammelten Reisenden be¬
dürfen, und lassen eine nennenswerte Rente vermissen. Doch nimmt der Ver¬
kehr stetig zu.

Die zweite Kajüte aller dieser Dampfer bietet mehr Bequemlichkeit, als
man vor zwanzig Jahren in der ersten fand. Und dabei hat sich ihr Preis
auf die Hälfte ermäßigt. Nur sehr kapitalkräftige, auf das Kajütengeschüft be¬
sonders eingerichtete Reedereien sind dieser Entwicklung der Dinge gewachsen.
Die Anchor Line, die von der Jumar Line die City of Rome übernommen
hatte, zog es vor, sich weiter keine Schnelldampfer anzuschaffen, die Guiou Line
hat ihre Alaska und ihre Arizona schon seit vorigem Frühjahr anfliegen, und
von der Havrer Gesellschaft hieß es, daß sie sich mit Mühe halte. Bei dem
raschen Veralten der Schiffe, insbesondre der Maschinen, muß vom Buchwerte
stark abgeschrieben werden. Das gilt besonders auch für die Lloyddampfer, von
denen die ältern weder als Reiseschiffe ans der Höhe stehen, noch zur Güter¬
beförderung ipasfcn und beim Verkauf zur Beschaffung von Doppelschranbcn-
dampfern beträchtlichen Verlust bringen würden. Gegenwärtig haben sich die
Bremische und die Hamburger Gesellschaft über den Geschäftsbetrieb verständigt.
Früher machte die Paketfahrt für ihre Dampfer gewaltig Reklame, auch da¬
durch, daß sie deu Vertretern der einflußreichen Presse freie Fahrt anbot, um ihnen
Gelegenheit zu geben, ihre Einrichtungen in Augenschein zu nehmen. Das muß
übrigens deu Hamburger Schnelldampfern selbst der Neid zugestehen, daß sie
sich sehen kniffen dürfen. Von einigen englischen Konkurrenten werden sie zwar
an Größe und zum teil auch an Geschwindigkeit übertroffen, nicht aber an
Sicherheit oder Bequemlichkeit, und der deutsche Reisende wird ihnen und den
Llvuddampfern schon wegen ihrer bessern Küche, ihrer sorgfältigern Bedienung
und ihrer ansprechendern Geselligkeit den Vorzug geben. Aller Prunk der Ein¬
richtung kann über diese persönlichen Verhältnisse nicht hinwegtäuschen, deren
Bedeutung der Fahrgast auf einer einwöchigen Fahrt vollständig verstehen lernt.

Kaum etwas andres ist so geeignet, den gewaltigen Aufschwung der
europäisch-amerikanischen Schnellfahrt zu veranschaulichen, wie ein Vergleich
der Elbe mit den neuern Dampfern, besonders mit der Campania und der
Lueania. Jedes dieser beiden Niesenschiffe kostet mehr als zwölf Millionen
Mark d. i. das Vierfache des ursprünglichen Wertes der Elbe. Jedes ver¬
drängt, normal belastet, 19000 Tonnen Wasser -- eine Tonne Seewcisfcr
wiegt je nach dem Salzgehalt 1024 bis 1028 Kilogramm --, das ist 3000
Tonnen mehr als irgend ein andres Handels- oder Kriegsschiff, und 12000


Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag

Absicht geschaffen worden war, hauptsächlich dem Kajütenverkehr zu dienen.
Majestic und Teutonie (1889/90) von dieser Gesellschaft werden nur durch die
Cunarders Campania und Lunaria (1893) ein wenig in Schatten gestellt. Die
Größe der neuen Schnelldampfer geht über das Erfordernis des zur Zeit vor-
handnen Reiseverkehrs hinaus. Schon die Hamburger Dampfer haben mehr
Raum, als die zu den regelmäßigen Abfahrtzeiten versammelten Reisenden be¬
dürfen, und lassen eine nennenswerte Rente vermissen. Doch nimmt der Ver¬
kehr stetig zu.

Die zweite Kajüte aller dieser Dampfer bietet mehr Bequemlichkeit, als
man vor zwanzig Jahren in der ersten fand. Und dabei hat sich ihr Preis
auf die Hälfte ermäßigt. Nur sehr kapitalkräftige, auf das Kajütengeschüft be¬
sonders eingerichtete Reedereien sind dieser Entwicklung der Dinge gewachsen.
Die Anchor Line, die von der Jumar Line die City of Rome übernommen
hatte, zog es vor, sich weiter keine Schnelldampfer anzuschaffen, die Guiou Line
hat ihre Alaska und ihre Arizona schon seit vorigem Frühjahr anfliegen, und
von der Havrer Gesellschaft hieß es, daß sie sich mit Mühe halte. Bei dem
raschen Veralten der Schiffe, insbesondre der Maschinen, muß vom Buchwerte
stark abgeschrieben werden. Das gilt besonders auch für die Lloyddampfer, von
denen die ältern weder als Reiseschiffe ans der Höhe stehen, noch zur Güter¬
beförderung ipasfcn und beim Verkauf zur Beschaffung von Doppelschranbcn-
dampfern beträchtlichen Verlust bringen würden. Gegenwärtig haben sich die
Bremische und die Hamburger Gesellschaft über den Geschäftsbetrieb verständigt.
Früher machte die Paketfahrt für ihre Dampfer gewaltig Reklame, auch da¬
durch, daß sie deu Vertretern der einflußreichen Presse freie Fahrt anbot, um ihnen
Gelegenheit zu geben, ihre Einrichtungen in Augenschein zu nehmen. Das muß
übrigens deu Hamburger Schnelldampfern selbst der Neid zugestehen, daß sie
sich sehen kniffen dürfen. Von einigen englischen Konkurrenten werden sie zwar
an Größe und zum teil auch an Geschwindigkeit übertroffen, nicht aber an
Sicherheit oder Bequemlichkeit, und der deutsche Reisende wird ihnen und den
Llvuddampfern schon wegen ihrer bessern Küche, ihrer sorgfältigern Bedienung
und ihrer ansprechendern Geselligkeit den Vorzug geben. Aller Prunk der Ein¬
richtung kann über diese persönlichen Verhältnisse nicht hinwegtäuschen, deren
Bedeutung der Fahrgast auf einer einwöchigen Fahrt vollständig verstehen lernt.

Kaum etwas andres ist so geeignet, den gewaltigen Aufschwung der
europäisch-amerikanischen Schnellfahrt zu veranschaulichen, wie ein Vergleich
der Elbe mit den neuern Dampfern, besonders mit der Campania und der
Lueania. Jedes dieser beiden Niesenschiffe kostet mehr als zwölf Millionen
Mark d. i. das Vierfache des ursprünglichen Wertes der Elbe. Jedes ver¬
drängt, normal belastet, 19000 Tonnen Wasser — eine Tonne Seewcisfcr
wiegt je nach dem Salzgehalt 1024 bis 1028 Kilogramm —, das ist 3000
Tonnen mehr als irgend ein andres Handels- oder Kriegsschiff, und 12000


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[0172] Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag Absicht geschaffen worden war, hauptsächlich dem Kajütenverkehr zu dienen. Majestic und Teutonie (1889/90) von dieser Gesellschaft werden nur durch die Cunarders Campania und Lunaria (1893) ein wenig in Schatten gestellt. Die Größe der neuen Schnelldampfer geht über das Erfordernis des zur Zeit vor- handnen Reiseverkehrs hinaus. Schon die Hamburger Dampfer haben mehr Raum, als die zu den regelmäßigen Abfahrtzeiten versammelten Reisenden be¬ dürfen, und lassen eine nennenswerte Rente vermissen. Doch nimmt der Ver¬ kehr stetig zu. Die zweite Kajüte aller dieser Dampfer bietet mehr Bequemlichkeit, als man vor zwanzig Jahren in der ersten fand. Und dabei hat sich ihr Preis auf die Hälfte ermäßigt. Nur sehr kapitalkräftige, auf das Kajütengeschüft be¬ sonders eingerichtete Reedereien sind dieser Entwicklung der Dinge gewachsen. Die Anchor Line, die von der Jumar Line die City of Rome übernommen hatte, zog es vor, sich weiter keine Schnelldampfer anzuschaffen, die Guiou Line hat ihre Alaska und ihre Arizona schon seit vorigem Frühjahr anfliegen, und von der Havrer Gesellschaft hieß es, daß sie sich mit Mühe halte. Bei dem raschen Veralten der Schiffe, insbesondre der Maschinen, muß vom Buchwerte stark abgeschrieben werden. Das gilt besonders auch für die Lloyddampfer, von denen die ältern weder als Reiseschiffe ans der Höhe stehen, noch zur Güter¬ beförderung ipasfcn und beim Verkauf zur Beschaffung von Doppelschranbcn- dampfern beträchtlichen Verlust bringen würden. Gegenwärtig haben sich die Bremische und die Hamburger Gesellschaft über den Geschäftsbetrieb verständigt. Früher machte die Paketfahrt für ihre Dampfer gewaltig Reklame, auch da¬ durch, daß sie deu Vertretern der einflußreichen Presse freie Fahrt anbot, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Einrichtungen in Augenschein zu nehmen. Das muß übrigens deu Hamburger Schnelldampfern selbst der Neid zugestehen, daß sie sich sehen kniffen dürfen. Von einigen englischen Konkurrenten werden sie zwar an Größe und zum teil auch an Geschwindigkeit übertroffen, nicht aber an Sicherheit oder Bequemlichkeit, und der deutsche Reisende wird ihnen und den Llvuddampfern schon wegen ihrer bessern Küche, ihrer sorgfältigern Bedienung und ihrer ansprechendern Geselligkeit den Vorzug geben. Aller Prunk der Ein¬ richtung kann über diese persönlichen Verhältnisse nicht hinwegtäuschen, deren Bedeutung der Fahrgast auf einer einwöchigen Fahrt vollständig verstehen lernt. Kaum etwas andres ist so geeignet, den gewaltigen Aufschwung der europäisch-amerikanischen Schnellfahrt zu veranschaulichen, wie ein Vergleich der Elbe mit den neuern Dampfern, besonders mit der Campania und der Lueania. Jedes dieser beiden Niesenschiffe kostet mehr als zwölf Millionen Mark d. i. das Vierfache des ursprünglichen Wertes der Elbe. Jedes ver¬ drängt, normal belastet, 19000 Tonnen Wasser — eine Tonne Seewcisfcr wiegt je nach dem Salzgehalt 1024 bis 1028 Kilogramm —, das ist 3000 Tonnen mehr als irgend ein andres Handels- oder Kriegsschiff, und 12000

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/172>, abgerufen am 25.08.2024.