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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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verunglückten Eider und dasselbe Schiff, dem voriges Jahr auf der Reise
von Newyork nach Genua die Schraubenwelle gebrochen ist. Rechnet man die
16-Seemeilendampfer mit ein, so konnte sich der norddeutsche Lloyd im Jahre
1892 zwölf Schnelldampfer zusprechen. Heute sind davon uur noch zehn vor¬
handen. Legt mau aber den 18-Seemeilenmaßstab an, so bleiben nur drei übrig.

Bezüglich der Geschwindigkeit stützt sich die Tabelle auf die vorletzte Ver¬
öffentlichung des Gencralpostamts in Washington, das die Überfahrtsdauer der
europäisch-amerikanischen Post, von deren Anbordlieferung in Newyork bis zu
ihrer Ausgabe in London oder Paris, regelmäßig bekannt macht. Unbedingten
Wert kann unsre Ausstellung, wie jede ähnliche, insofern nicht beanspruchen,
als in der Postbeförderung über Southnmpton gegenüber der über Liverpool-
Queeustown ein kleiner Zeitunterschied liegen mag und überdies Nebenumstände
mitwirken, so namentlich das Wetter, worin die Hamburger Dampfer etwas
begünstigt sind, da sie im Winter, in der schwierigsten Jahreszeit, nicht
fahren. Gelegentlich giebt es auch Verzögerung durch einen Unfall oder
durch Aufenthalt mit einem fremden Fahrzeug. Doch leisten die Schnell¬
dampfer nur in ganz dringenden Füllen von Seenot Beistand, weil sie um
den Ruf der Regelmäßigkeit und Schnelligkeit ängstlich besorgt sind. Als
der Fürst Vismarck vergangnes Jahr mit einem französischen Segelschiffe zu¬
sammengestoßen war, und die französische Mannschaft auf ihrem Fahrzeug nicht
bleiben wollte, nahm der Dampfer dieses nicht etwa ins Schlepptau, sondern
besetzte es mit Freiwilligen ans der eignen Mannschaft facht an der Zahl,
denen die Paketfahrt fast den gesamten Bergelohn von 20000 Mark zukommen
ließ). Von diesen Nebensächlichkeiten abgesehen, bietet die Tabelle für die Be¬
urteilung der Leistungsfähigkeit der fraglichen Reedereien im Schnellverkehr
einen recht guten, weil unparteiischen Anhalt und zugleich einen anschaulichen
Überblick über die stattlichste Handelsflotte, die die Welt je gesehen hat.

Die ganze geistige und materielle Kultur der Vereinigten Staaten weist
auf die alte Mutter Europa zurück, und dem Drängen des wohlhabenden, be¬
weglichen und neuigkeitsbedürftigeu Amerikaners ist es in erster Linie zu danken,
daß die Reedereien unausgesetzt bemüht gewesen sind, in ihren Leistungen ein¬
ander zu überbieten. In diesem Wettstreit hatte der norddeutsche Llohd eine
Zeit lang die Führung. Während der achtziger Jahre setzte er in rascher
Folge ein schnelles Schiff nach dem andern in Fahrt, bis er so viel hatte, daß
er wöchentlich drei Schnelldampfer glaubte abfertigen zu können, womit er
jedoch das Reisebedürfnis überholte. Die Hamburger Gesellschaft verhielt sich
abwartend; ein Fehler, den auch die in Liverpool ansässig gewesene Jumar
Line beging. Als diese im Jahre 1888/89 mit ihren prächtigen Dampfern City
of Paris und City of Newyork (jetzt Paris und Newyork von der American
Line) auf den Plan trat, war es zu spät; das bessere Publikum hatte sich der
Konkurrenz zugewandt, u. a. der White Star Line, die im Jahre 1870 in der


verunglückten Eider und dasselbe Schiff, dem voriges Jahr auf der Reise
von Newyork nach Genua die Schraubenwelle gebrochen ist. Rechnet man die
16-Seemeilendampfer mit ein, so konnte sich der norddeutsche Lloyd im Jahre
1892 zwölf Schnelldampfer zusprechen. Heute sind davon uur noch zehn vor¬
handen. Legt mau aber den 18-Seemeilenmaßstab an, so bleiben nur drei übrig.

Bezüglich der Geschwindigkeit stützt sich die Tabelle auf die vorletzte Ver¬
öffentlichung des Gencralpostamts in Washington, das die Überfahrtsdauer der
europäisch-amerikanischen Post, von deren Anbordlieferung in Newyork bis zu
ihrer Ausgabe in London oder Paris, regelmäßig bekannt macht. Unbedingten
Wert kann unsre Ausstellung, wie jede ähnliche, insofern nicht beanspruchen,
als in der Postbeförderung über Southnmpton gegenüber der über Liverpool-
Queeustown ein kleiner Zeitunterschied liegen mag und überdies Nebenumstände
mitwirken, so namentlich das Wetter, worin die Hamburger Dampfer etwas
begünstigt sind, da sie im Winter, in der schwierigsten Jahreszeit, nicht
fahren. Gelegentlich giebt es auch Verzögerung durch einen Unfall oder
durch Aufenthalt mit einem fremden Fahrzeug. Doch leisten die Schnell¬
dampfer nur in ganz dringenden Füllen von Seenot Beistand, weil sie um
den Ruf der Regelmäßigkeit und Schnelligkeit ängstlich besorgt sind. Als
der Fürst Vismarck vergangnes Jahr mit einem französischen Segelschiffe zu¬
sammengestoßen war, und die französische Mannschaft auf ihrem Fahrzeug nicht
bleiben wollte, nahm der Dampfer dieses nicht etwa ins Schlepptau, sondern
besetzte es mit Freiwilligen ans der eignen Mannschaft facht an der Zahl,
denen die Paketfahrt fast den gesamten Bergelohn von 20000 Mark zukommen
ließ). Von diesen Nebensächlichkeiten abgesehen, bietet die Tabelle für die Be¬
urteilung der Leistungsfähigkeit der fraglichen Reedereien im Schnellverkehr
einen recht guten, weil unparteiischen Anhalt und zugleich einen anschaulichen
Überblick über die stattlichste Handelsflotte, die die Welt je gesehen hat.

Die ganze geistige und materielle Kultur der Vereinigten Staaten weist
auf die alte Mutter Europa zurück, und dem Drängen des wohlhabenden, be¬
weglichen und neuigkeitsbedürftigeu Amerikaners ist es in erster Linie zu danken,
daß die Reedereien unausgesetzt bemüht gewesen sind, in ihren Leistungen ein¬
ander zu überbieten. In diesem Wettstreit hatte der norddeutsche Llohd eine
Zeit lang die Führung. Während der achtziger Jahre setzte er in rascher
Folge ein schnelles Schiff nach dem andern in Fahrt, bis er so viel hatte, daß
er wöchentlich drei Schnelldampfer glaubte abfertigen zu können, womit er
jedoch das Reisebedürfnis überholte. Die Hamburger Gesellschaft verhielt sich
abwartend; ein Fehler, den auch die in Liverpool ansässig gewesene Jumar
Line beging. Als diese im Jahre 1888/89 mit ihren prächtigen Dampfern City
of Paris und City of Newyork (jetzt Paris und Newyork von der American
Line) auf den Plan trat, war es zu spät; das bessere Publikum hatte sich der
Konkurrenz zugewandt, u. a. der White Star Line, die im Jahre 1870 in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/171>, abgerufen am 22.12.2024.