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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Die Bestimmung einer Uriegsflotte

teile schafft, oder wenn allgemeine Klarheit darüber herrscht, daß eine Flotte
nur dann auch als Verteidigungsmittel ihre Vorzüge geltend machen kann,
wenn sie auch offensiv zu schlagen befähigt ist, werden auch die entsprechenden
Geldaufwendungen für die Flotte nicht gescheut werden. Man übersieht ganz,
daß es bei dem defensiven Standpunkte doch nur folgerichtig und viel billiger
sein würde, sich auf starke Küstenbefestigungen und gute Wacheinrichtuugen zu
beschränken, auf eine Flotte aber ganz zu verzichten.

Endlich noch ein Punkt: nur eine Offensivflotte bildet eine begehrens¬
werte Bündniskraft, eine Defensivflotte ist in dieser Beziehung ganz wir¬
kungslos. Und dieser Nachteil macht sich nicht erst im Kriege selbst geltend,
sondern bei allen politischen Verhandlungen eines Staates, die Seeinteressen
betreffen. Diese Verhandlungen entbehren dann des Gewichts der Macht und
verlaufen für den Staat, der keine wirksame Seemacht hat, natürlich un¬
günstiger.

Ohne Zweifel wird es politische und militärische Lagen geben, wo sich
eine Flotte auf die strategische Defensive beschränken muß. Aber auch dann
wird die strategische Offensive stets den Leitstern bilden müssen. Das Ringen
um die Seeherrschaft bleibt auch hier das eigentliche Endziel. Eine für die
Offensive entwickelte Flotte würde sich, wenn es die Umstände erforderlich
machten, schließlich auch für die strategische Defensive gut verwenden lassen,
eine Defensivflotte aber nicht umgekehrt für die Offensive.

Wird aber einmal der Grundsatz anerkannt, daß die Entwicklung einer
Flotte auf die Offensive zu begründen ist, so muß sich auch Organisation,
Ersatz, Kriegsvorbereitung, Mobilmachung, Beziehung zur Handelsmarine,
Schiffs- und Maschinenbau und schließlich die Verweudungsweise der Flotte
folgerichtig und der Natur dieser Streitkraft entsprechend entwickeln. Ja man
kann noch weiter gehen und sagen: ein Staat mit geringern Mitteln wird
dieses Ziel konzentrirter -- wenn man will einseitiger -- im Auge haben
müssen, als ein Staat mit reichen Mitteln. Auch darf man bei der Schaffung
einer Flotte nicht, von den Küstenwerken anfangend, über die Flußmündungen
und Hafcneingünge hinweg allmählich versuchen, auf die See zu gelangen.
See und Küste sind ihrem Wesen nach ganz verschiedne Dinge, und die Ent¬
wicklung der Flotte an die der festen Küstenverteidigung zu binden, führt sie in
eine grundsätzlich falsche Richtung. Der Ausgangspunkt der Entwicklung einer
Flotte müssen die See und die Seeinteressen der Nation sein.




Die Bestimmung einer Uriegsflotte

teile schafft, oder wenn allgemeine Klarheit darüber herrscht, daß eine Flotte
nur dann auch als Verteidigungsmittel ihre Vorzüge geltend machen kann,
wenn sie auch offensiv zu schlagen befähigt ist, werden auch die entsprechenden
Geldaufwendungen für die Flotte nicht gescheut werden. Man übersieht ganz,
daß es bei dem defensiven Standpunkte doch nur folgerichtig und viel billiger
sein würde, sich auf starke Küstenbefestigungen und gute Wacheinrichtuugen zu
beschränken, auf eine Flotte aber ganz zu verzichten.

Endlich noch ein Punkt: nur eine Offensivflotte bildet eine begehrens¬
werte Bündniskraft, eine Defensivflotte ist in dieser Beziehung ganz wir¬
kungslos. Und dieser Nachteil macht sich nicht erst im Kriege selbst geltend,
sondern bei allen politischen Verhandlungen eines Staates, die Seeinteressen
betreffen. Diese Verhandlungen entbehren dann des Gewichts der Macht und
verlaufen für den Staat, der keine wirksame Seemacht hat, natürlich un¬
günstiger.

Ohne Zweifel wird es politische und militärische Lagen geben, wo sich
eine Flotte auf die strategische Defensive beschränken muß. Aber auch dann
wird die strategische Offensive stets den Leitstern bilden müssen. Das Ringen
um die Seeherrschaft bleibt auch hier das eigentliche Endziel. Eine für die
Offensive entwickelte Flotte würde sich, wenn es die Umstände erforderlich
machten, schließlich auch für die strategische Defensive gut verwenden lassen,
eine Defensivflotte aber nicht umgekehrt für die Offensive.

Wird aber einmal der Grundsatz anerkannt, daß die Entwicklung einer
Flotte auf die Offensive zu begründen ist, so muß sich auch Organisation,
Ersatz, Kriegsvorbereitung, Mobilmachung, Beziehung zur Handelsmarine,
Schiffs- und Maschinenbau und schließlich die Verweudungsweise der Flotte
folgerichtig und der Natur dieser Streitkraft entsprechend entwickeln. Ja man
kann noch weiter gehen und sagen: ein Staat mit geringern Mitteln wird
dieses Ziel konzentrirter — wenn man will einseitiger — im Auge haben
müssen, als ein Staat mit reichen Mitteln. Auch darf man bei der Schaffung
einer Flotte nicht, von den Küstenwerken anfangend, über die Flußmündungen
und Hafcneingünge hinweg allmählich versuchen, auf die See zu gelangen.
See und Küste sind ihrem Wesen nach ganz verschiedne Dinge, und die Ent¬
wicklung der Flotte an die der festen Küstenverteidigung zu binden, führt sie in
eine grundsätzlich falsche Richtung. Der Ausgangspunkt der Entwicklung einer
Flotte müssen die See und die Seeinteressen der Nation sein.




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[0123] Die Bestimmung einer Uriegsflotte teile schafft, oder wenn allgemeine Klarheit darüber herrscht, daß eine Flotte nur dann auch als Verteidigungsmittel ihre Vorzüge geltend machen kann, wenn sie auch offensiv zu schlagen befähigt ist, werden auch die entsprechenden Geldaufwendungen für die Flotte nicht gescheut werden. Man übersieht ganz, daß es bei dem defensiven Standpunkte doch nur folgerichtig und viel billiger sein würde, sich auf starke Küstenbefestigungen und gute Wacheinrichtuugen zu beschränken, auf eine Flotte aber ganz zu verzichten. Endlich noch ein Punkt: nur eine Offensivflotte bildet eine begehrens¬ werte Bündniskraft, eine Defensivflotte ist in dieser Beziehung ganz wir¬ kungslos. Und dieser Nachteil macht sich nicht erst im Kriege selbst geltend, sondern bei allen politischen Verhandlungen eines Staates, die Seeinteressen betreffen. Diese Verhandlungen entbehren dann des Gewichts der Macht und verlaufen für den Staat, der keine wirksame Seemacht hat, natürlich un¬ günstiger. Ohne Zweifel wird es politische und militärische Lagen geben, wo sich eine Flotte auf die strategische Defensive beschränken muß. Aber auch dann wird die strategische Offensive stets den Leitstern bilden müssen. Das Ringen um die Seeherrschaft bleibt auch hier das eigentliche Endziel. Eine für die Offensive entwickelte Flotte würde sich, wenn es die Umstände erforderlich machten, schließlich auch für die strategische Defensive gut verwenden lassen, eine Defensivflotte aber nicht umgekehrt für die Offensive. Wird aber einmal der Grundsatz anerkannt, daß die Entwicklung einer Flotte auf die Offensive zu begründen ist, so muß sich auch Organisation, Ersatz, Kriegsvorbereitung, Mobilmachung, Beziehung zur Handelsmarine, Schiffs- und Maschinenbau und schließlich die Verweudungsweise der Flotte folgerichtig und der Natur dieser Streitkraft entsprechend entwickeln. Ja man kann noch weiter gehen und sagen: ein Staat mit geringern Mitteln wird dieses Ziel konzentrirter — wenn man will einseitiger — im Auge haben müssen, als ein Staat mit reichen Mitteln. Auch darf man bei der Schaffung einer Flotte nicht, von den Küstenwerken anfangend, über die Flußmündungen und Hafcneingünge hinweg allmählich versuchen, auf die See zu gelangen. See und Küste sind ihrem Wesen nach ganz verschiedne Dinge, und die Ent¬ wicklung der Flotte an die der festen Küstenverteidigung zu binden, führt sie in eine grundsätzlich falsche Richtung. Der Ausgangspunkt der Entwicklung einer Flotte müssen die See und die Seeinteressen der Nation sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/123>, abgerufen am 26.08.2024.