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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Zum achtzigsten Geburtstage des Fürsten Bismarck

wo Deutsche wohnen, zusammenschließen zur begeisterten Feier des großen Kanz¬
lers, und der endlosen Wallfahrtszüge nach Friedrichsruh. In ihnen schlüge das
Herz der Nation, in jenen Schichten, die national denken und fühlen, die an diesem
Tage mit Stolz empfinden, daß sie Deutsche sind, und daß sie die Berech¬
tigung zu solcher Empfindung vor allem dem Manne verdanken, der noch in
ungebrochner Kraft des Korpers und des Geistes als einer der Gewaltigsten,
wie sie nur in langen Zwischenräumen einem Volke beschieden sind, mitten
unter uns steht.

Wenn wir aber fragen, was ihm denn diese einzige Stellung verschafft hat,
so liegt die nächste Erklärung einfach darin, daß Fürst Bismarck die großartigste
Verkörperung deutscher Art ist, die uns das Schicksal seit Jahrhunderten be¬
schieden hat. Die wunderbare Verbindung eines tiefen Gemüts und eines
durchdringenden Verstandes, wie sie den größten Gestalten der deutschen Ge¬
schichte eigen gewesen ist und sie den Fremden ebenso unverständlich als furchtbar
gemacht hat, die Vereinigung trotzigen Freimuth und hingebender Treue, die
schou den Römern in der Urzeit des Volkes als ein beherrschender Charakter¬
zug der Germanen auffiel und ihnen immer verblieben ist, die Mischung von
zermalmender Willensstärke und weiser Müßigung, von tiefem Ernst und lau¬
nigen Humor, wie sie auch Luther gehabt hat, und das alles getragen von
einer Persönlichkeit, die schon durch die packende Bildlichkeit und Unmittelbarkeit
des Ausdrucks in der Rede wie durch die Liebenswürdigkeit des echten Aristo¬
kraten im Umgang jeden, der ihr entgegentritt, unwiderstehlich fesselt und
bezwingt, wie sie Tausende schon gefesselt hat fürs Leben, das alles ist
echt deutsch und wirkt deshalb auf jeden Deutschen mit der Macht einer Natur¬
gewalt, auf jeden, der uoch unmittelbar und ehrlich zu empfinden vermag.
Darin vor allem liegt das Geheimnis seiner beispiellosen Popularität. Und ist
es nicht etwas einziges, daß dieser altmärkische Junker, dieser preußische
Edelmann außerhalb seines preußischen Heimatsstaats ebenso und vielleicht
in noch höherm Grade populär geworden ist, in jenen Landschaften, denen erst er
ein großes Vaterland und damit nationalen Stolz geschenkt hat, bis tief nach
Deutschösterreich hinein, das er doch aus dem engern deutschen Staatsverbande
ausgeschlossen hat. und das sich trotzdem jetzt anschickt, seine Vertreter aus
Steiermark und Kärnten nach Friedrichsruh zu senden?

Nur weil Bismarck alles in sich vereinigt, was das deutsche Wesen aus¬
macht, hat er werden können, was er geworden ist, der Einiger Deutschlands
der Stifter einer neuen Zeit der deutschen und der europäischen Geschichte. Als
er dieses Werk vollbrachte, vollzog er nicht nur eine geschichtliche Notwendigkeit,
sondern er vollzog sie zugleich wahrscheinlich in dem letzten möglichen Augen¬
blicke, er brachte endlich die politische Verfassung der Nation in Übereinstim¬
mung mit dem wirtschaftlichen und dem geistigen Leben, wo längst die Einheit
vorhanden war, die das Volk ans politischem Gebiete noch schmerzlich ent-


Zum achtzigsten Geburtstage des Fürsten Bismarck

wo Deutsche wohnen, zusammenschließen zur begeisterten Feier des großen Kanz¬
lers, und der endlosen Wallfahrtszüge nach Friedrichsruh. In ihnen schlüge das
Herz der Nation, in jenen Schichten, die national denken und fühlen, die an diesem
Tage mit Stolz empfinden, daß sie Deutsche sind, und daß sie die Berech¬
tigung zu solcher Empfindung vor allem dem Manne verdanken, der noch in
ungebrochner Kraft des Korpers und des Geistes als einer der Gewaltigsten,
wie sie nur in langen Zwischenräumen einem Volke beschieden sind, mitten
unter uns steht.

Wenn wir aber fragen, was ihm denn diese einzige Stellung verschafft hat,
so liegt die nächste Erklärung einfach darin, daß Fürst Bismarck die großartigste
Verkörperung deutscher Art ist, die uns das Schicksal seit Jahrhunderten be¬
schieden hat. Die wunderbare Verbindung eines tiefen Gemüts und eines
durchdringenden Verstandes, wie sie den größten Gestalten der deutschen Ge¬
schichte eigen gewesen ist und sie den Fremden ebenso unverständlich als furchtbar
gemacht hat, die Vereinigung trotzigen Freimuth und hingebender Treue, die
schou den Römern in der Urzeit des Volkes als ein beherrschender Charakter¬
zug der Germanen auffiel und ihnen immer verblieben ist, die Mischung von
zermalmender Willensstärke und weiser Müßigung, von tiefem Ernst und lau¬
nigen Humor, wie sie auch Luther gehabt hat, und das alles getragen von
einer Persönlichkeit, die schon durch die packende Bildlichkeit und Unmittelbarkeit
des Ausdrucks in der Rede wie durch die Liebenswürdigkeit des echten Aristo¬
kraten im Umgang jeden, der ihr entgegentritt, unwiderstehlich fesselt und
bezwingt, wie sie Tausende schon gefesselt hat fürs Leben, das alles ist
echt deutsch und wirkt deshalb auf jeden Deutschen mit der Macht einer Natur¬
gewalt, auf jeden, der uoch unmittelbar und ehrlich zu empfinden vermag.
Darin vor allem liegt das Geheimnis seiner beispiellosen Popularität. Und ist
es nicht etwas einziges, daß dieser altmärkische Junker, dieser preußische
Edelmann außerhalb seines preußischen Heimatsstaats ebenso und vielleicht
in noch höherm Grade populär geworden ist, in jenen Landschaften, denen erst er
ein großes Vaterland und damit nationalen Stolz geschenkt hat, bis tief nach
Deutschösterreich hinein, das er doch aus dem engern deutschen Staatsverbande
ausgeschlossen hat. und das sich trotzdem jetzt anschickt, seine Vertreter aus
Steiermark und Kärnten nach Friedrichsruh zu senden?

Nur weil Bismarck alles in sich vereinigt, was das deutsche Wesen aus¬
macht, hat er werden können, was er geworden ist, der Einiger Deutschlands
der Stifter einer neuen Zeit der deutschen und der europäischen Geschichte. Als
er dieses Werk vollbrachte, vollzog er nicht nur eine geschichtliche Notwendigkeit,
sondern er vollzog sie zugleich wahrscheinlich in dem letzten möglichen Augen¬
blicke, er brachte endlich die politische Verfassung der Nation in Übereinstim¬
mung mit dem wirtschaftlichen und dem geistigen Leben, wo längst die Einheit
vorhanden war, die das Volk ans politischem Gebiete noch schmerzlich ent-


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[0617] Zum achtzigsten Geburtstage des Fürsten Bismarck wo Deutsche wohnen, zusammenschließen zur begeisterten Feier des großen Kanz¬ lers, und der endlosen Wallfahrtszüge nach Friedrichsruh. In ihnen schlüge das Herz der Nation, in jenen Schichten, die national denken und fühlen, die an diesem Tage mit Stolz empfinden, daß sie Deutsche sind, und daß sie die Berech¬ tigung zu solcher Empfindung vor allem dem Manne verdanken, der noch in ungebrochner Kraft des Korpers und des Geistes als einer der Gewaltigsten, wie sie nur in langen Zwischenräumen einem Volke beschieden sind, mitten unter uns steht. Wenn wir aber fragen, was ihm denn diese einzige Stellung verschafft hat, so liegt die nächste Erklärung einfach darin, daß Fürst Bismarck die großartigste Verkörperung deutscher Art ist, die uns das Schicksal seit Jahrhunderten be¬ schieden hat. Die wunderbare Verbindung eines tiefen Gemüts und eines durchdringenden Verstandes, wie sie den größten Gestalten der deutschen Ge¬ schichte eigen gewesen ist und sie den Fremden ebenso unverständlich als furchtbar gemacht hat, die Vereinigung trotzigen Freimuth und hingebender Treue, die schou den Römern in der Urzeit des Volkes als ein beherrschender Charakter¬ zug der Germanen auffiel und ihnen immer verblieben ist, die Mischung von zermalmender Willensstärke und weiser Müßigung, von tiefem Ernst und lau¬ nigen Humor, wie sie auch Luther gehabt hat, und das alles getragen von einer Persönlichkeit, die schon durch die packende Bildlichkeit und Unmittelbarkeit des Ausdrucks in der Rede wie durch die Liebenswürdigkeit des echten Aristo¬ kraten im Umgang jeden, der ihr entgegentritt, unwiderstehlich fesselt und bezwingt, wie sie Tausende schon gefesselt hat fürs Leben, das alles ist echt deutsch und wirkt deshalb auf jeden Deutschen mit der Macht einer Natur¬ gewalt, auf jeden, der uoch unmittelbar und ehrlich zu empfinden vermag. Darin vor allem liegt das Geheimnis seiner beispiellosen Popularität. Und ist es nicht etwas einziges, daß dieser altmärkische Junker, dieser preußische Edelmann außerhalb seines preußischen Heimatsstaats ebenso und vielleicht in noch höherm Grade populär geworden ist, in jenen Landschaften, denen erst er ein großes Vaterland und damit nationalen Stolz geschenkt hat, bis tief nach Deutschösterreich hinein, das er doch aus dem engern deutschen Staatsverbande ausgeschlossen hat. und das sich trotzdem jetzt anschickt, seine Vertreter aus Steiermark und Kärnten nach Friedrichsruh zu senden? Nur weil Bismarck alles in sich vereinigt, was das deutsche Wesen aus¬ macht, hat er werden können, was er geworden ist, der Einiger Deutschlands der Stifter einer neuen Zeit der deutschen und der europäischen Geschichte. Als er dieses Werk vollbrachte, vollzog er nicht nur eine geschichtliche Notwendigkeit, sondern er vollzog sie zugleich wahrscheinlich in dem letzten möglichen Augen¬ blicke, er brachte endlich die politische Verfassung der Nation in Übereinstim¬ mung mit dem wirtschaftlichen und dem geistigen Leben, wo längst die Einheit vorhanden war, die das Volk ans politischem Gebiete noch schmerzlich ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/617>, abgerufen am 23.07.2024.