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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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aus Eitelkeit schreiben, drücken die Preise der Artikel sehr herunter, die Zei¬
tungen, gerade die bessern, können, auch wegen der gewaltigen Konkurrenz,
bei der meist das. was den schlechten Neigungen des Publikums fröhnt, oben¬
aufkommt, keine hohen Honorare zahlen, und das Leben des sogenannten
unabhängigen Schriftstellers verfließt daher meist unter fortwährenden Sorgen.
Erfolg ist für ihn die feste Mitarbeiterschaft an möglichst vielen gutzahlendeu
Zeitschriften, und der ist jedem sorgsam arbeitenden wohl zu gönnen. Es ist
aber im heutigen Deutschland schon sehr schwer, sich ein Jahreseinkommen
von 3000 Mark zu erschreiben. Am ersten kann es gelingen, wenn man eine
"Spezialität" hat, die auch uach und nach einen Namen schafft; sehr viele
Schriftsteller ergeben sich aber einfach der Vielschreiberei, die sich durch per¬
sönliche Bekanntschaft mit zahlreichen Redakteuren und stete Befolgung des
Grundsatzes Alauns nig,rum lavat einträglich machen läßt. Da tritt denn
die Jagd nach dem Erfolg und der unlautere Wettbewerb auf, gegen den kein
Gesetz helfen kann. Bücher zu schreiben hat der Schriftsteller dieser Art
durchweg keine Zeit; der Vielschreiber stoppelt wohl gelegentlich eins zu¬
sammen und weiß in seiner Betriebsamkeit auch oft einen Verleger zu finden,
aber solche Bücher bringen meist weder Geld noch Ansehen, höchstens einige
lobende Kritiken von befreundeter Seite, auf die ein "Eingeweihter," d. h. wer
die litterarischen Verhältnisse kennt, niemals hineinfüllt, und das wenig Bücher
kaufende deutsche Publikum auch nicht, es sei denn, daß etwas "Sensationelles"
geboten werde. Aber gegenwärtig jagen sich die "Sensationen," und so sind
auch Erfolge dieser Art stets "vom Tage."

Nicht viel anders als der Schriftsteller mit den angeeigneten steht der
mit den eignen Gedanken da. Eigne Gedanken waren ja nie eine besondre
Empfehlung beim Publikum, sie können es nur dann werden, wenn sie ge¬
schickt in Szene gesetzt, auffällig aufgeputzt, schlagwortartig geprägt, durch
starke subjektive Zuthaten ihres Urhebers mit einem besonders originellen oder
doch in die Augen fallenden Anstrich versehen werden. Nicht die Gedanken
selbst, und wären sie noch so großartig und weittragend, imponiren der Masse,
nur ihr Kleid, d. h. im Grunde die Persönlichkeit des Schriftstellers, aber
nicht ihr Wesentliches, eher ihr Zufälliges, nicht das Wahre, sondern das
Interessante, nicht das Große, sondern das Seltsame, Einfachheit niemals,
wohl aber Dreistigkeit. Auch die wahre Größe erregt wohl einmal Aufsehen,
nie jedoch die schlichte Größe; das Revolutionäre oder in Ermanglung dessen
das Fvreirte oder Manierirte, ja oft die unzweifelhafte Komödianterei ist es,
was beim großen Publikum deu durchschlagenden Erfolg herbeiführt. Darauf
spekuliren nun wieder die kleinern Geister und bringen das Revolutionäre,
das Fvreirte und Manierirte, meist einfach das Geniale geheißen, ohne ent¬
sprechenden innern Gehalt, sie bringen nur die Form, kann man sagen, sie
übertreiben und übertrumpfen die Originalität des originellen Geistes, stellen


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aus Eitelkeit schreiben, drücken die Preise der Artikel sehr herunter, die Zei¬
tungen, gerade die bessern, können, auch wegen der gewaltigen Konkurrenz,
bei der meist das. was den schlechten Neigungen des Publikums fröhnt, oben¬
aufkommt, keine hohen Honorare zahlen, und das Leben des sogenannten
unabhängigen Schriftstellers verfließt daher meist unter fortwährenden Sorgen.
Erfolg ist für ihn die feste Mitarbeiterschaft an möglichst vielen gutzahlendeu
Zeitschriften, und der ist jedem sorgsam arbeitenden wohl zu gönnen. Es ist
aber im heutigen Deutschland schon sehr schwer, sich ein Jahreseinkommen
von 3000 Mark zu erschreiben. Am ersten kann es gelingen, wenn man eine
„Spezialität" hat, die auch uach und nach einen Namen schafft; sehr viele
Schriftsteller ergeben sich aber einfach der Vielschreiberei, die sich durch per¬
sönliche Bekanntschaft mit zahlreichen Redakteuren und stete Befolgung des
Grundsatzes Alauns nig,rum lavat einträglich machen läßt. Da tritt denn
die Jagd nach dem Erfolg und der unlautere Wettbewerb auf, gegen den kein
Gesetz helfen kann. Bücher zu schreiben hat der Schriftsteller dieser Art
durchweg keine Zeit; der Vielschreiber stoppelt wohl gelegentlich eins zu¬
sammen und weiß in seiner Betriebsamkeit auch oft einen Verleger zu finden,
aber solche Bücher bringen meist weder Geld noch Ansehen, höchstens einige
lobende Kritiken von befreundeter Seite, auf die ein „Eingeweihter," d. h. wer
die litterarischen Verhältnisse kennt, niemals hineinfüllt, und das wenig Bücher
kaufende deutsche Publikum auch nicht, es sei denn, daß etwas „Sensationelles"
geboten werde. Aber gegenwärtig jagen sich die „Sensationen," und so sind
auch Erfolge dieser Art stets „vom Tage."

Nicht viel anders als der Schriftsteller mit den angeeigneten steht der
mit den eignen Gedanken da. Eigne Gedanken waren ja nie eine besondre
Empfehlung beim Publikum, sie können es nur dann werden, wenn sie ge¬
schickt in Szene gesetzt, auffällig aufgeputzt, schlagwortartig geprägt, durch
starke subjektive Zuthaten ihres Urhebers mit einem besonders originellen oder
doch in die Augen fallenden Anstrich versehen werden. Nicht die Gedanken
selbst, und wären sie noch so großartig und weittragend, imponiren der Masse,
nur ihr Kleid, d. h. im Grunde die Persönlichkeit des Schriftstellers, aber
nicht ihr Wesentliches, eher ihr Zufälliges, nicht das Wahre, sondern das
Interessante, nicht das Große, sondern das Seltsame, Einfachheit niemals,
wohl aber Dreistigkeit. Auch die wahre Größe erregt wohl einmal Aufsehen,
nie jedoch die schlichte Größe; das Revolutionäre oder in Ermanglung dessen
das Fvreirte oder Manierirte, ja oft die unzweifelhafte Komödianterei ist es,
was beim großen Publikum deu durchschlagenden Erfolg herbeiführt. Darauf
spekuliren nun wieder die kleinern Geister und bringen das Revolutionäre,
das Fvreirte und Manierirte, meist einfach das Geniale geheißen, ohne ent¬
sprechenden innern Gehalt, sie bringen nur die Form, kann man sagen, sie
übertreiben und übertrumpfen die Originalität des originellen Geistes, stellen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/478>, abgerufen am 23.07.2024.