Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.Der litterarische Erfolg v Adolf Bartels on rgend ein Engländer hat ein Buch über den litterarischen Er¬ Unter "litterarischem Erfolg" verstehe ich natürlich den Erfolg, den der Der litterarische Erfolg v Adolf Bartels on rgend ein Engländer hat ein Buch über den litterarischen Er¬ Unter „litterarischem Erfolg" verstehe ich natürlich den Erfolg, den der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219478"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341861_219001/figures/grenzboten_341861_219001_219478_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der litterarische Erfolg<lb/> v<note type="byline"> Adolf Bartels</note> on </head><lb/> <p xml:id="ID_1408"> rgend ein Engländer hat ein Buch über den litterarischen Er¬<lb/> folg geschrieben. Ich kenne es nicht, aber ich müßte mich sehr<lb/> irren, wenn es nicht dem praktischen englischen Bolkscharakter<lb/> gemäß ein Wegweiser und Ratgeber wäre für Schriftsteller und<lb/> solche, die es werden wollen, nach des bekannten Sinnes Vor¬<lb/> bild durch allerlei lehrreiche und unterhaltende Beispiele genießbar gemacht.<lb/> Wir Deutschen brauchen ein solches Buch nicht, bei uns giebt es nur zwei<lb/> Wege zum litterarischen Erfolg, die beide so einfach sind, daß man keine Vor¬<lb/> lesungen über sie zu halten braucht; der eine, für wohlhabende Leute passend,<lb/> ist mit dem Shakespeareschen „Thu Geld in deinen Beutel!", der andre, den<lb/> arme Schlucker einschlagen müssen, durch ein „Schafs dir Freunde und<lb/> Gönner!" hinreichend gekennzeichnet. Außerdem gehören bei uns zum Erfolg<lb/> wohl noch Talent und Glück, aber mau thut gut, sich auf keins von beiden<lb/> zu verlassen. Die Litteratur ist ein Geschüft wie jedes andre, und der Er¬<lb/> folgreiche ist der, der das Hasten, Nennen und Jagen am besten versteht und<lb/> am längsten aushält und dadurch seiner Konkurrenz den Rang abläuft. Hat<lb/> er erst Erfolg, dann kann er sichs etwas bequemer machen, aber bequem darf<lb/> er ja nicht werden, sonst wird er bei lebendigem Leibe vergessen, und das<lb/> ist das schlimmste, was einem Litteraten geschehen kaun. Man muß, wie sich<lb/> Karl Bleibtreu glücklich ausdrückte, doch wenigstens, so lange man lebt, un¬<lb/> sterblich sein. Es giebt einige Schriftsteller in Deutschland, aus deren Lebens¬<lb/> lauf man die Naturgeschichte des Erfolgs förmlich ablesen könnte; ich will<lb/> ihnen aber das Leid hier nicht anthun, sondern zur gründlicheren Beantwor¬<lb/> tung der Frage: Wer hat heute Erfolg, und was ist dieser Erfolg wert?<lb/> lieber unsre gesamten litterarischen Verhältnisse einer Untersuchung unter¬<lb/> ziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1409" next="#ID_1410"> Unter „litterarischem Erfolg" verstehe ich natürlich den Erfolg, den der<lb/> Dichter und der Schriftsteller haben kann. Was ein Dichter ist, weiß mau<lb/> im Publikum recht gut (wenn auch nicht immer, wer einer ist); der Begriff<lb/> „Schriftsteller" ist unklarer. Ich würde ihn folgendermaßen definiren: Schrift¬<lb/> steller ist jemand, der eigne oder fremde Gedanken in logischer Weise und in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0476]
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Der litterarische Erfolg
v Adolf Bartels on
rgend ein Engländer hat ein Buch über den litterarischen Er¬
folg geschrieben. Ich kenne es nicht, aber ich müßte mich sehr
irren, wenn es nicht dem praktischen englischen Bolkscharakter
gemäß ein Wegweiser und Ratgeber wäre für Schriftsteller und
solche, die es werden wollen, nach des bekannten Sinnes Vor¬
bild durch allerlei lehrreiche und unterhaltende Beispiele genießbar gemacht.
Wir Deutschen brauchen ein solches Buch nicht, bei uns giebt es nur zwei
Wege zum litterarischen Erfolg, die beide so einfach sind, daß man keine Vor¬
lesungen über sie zu halten braucht; der eine, für wohlhabende Leute passend,
ist mit dem Shakespeareschen „Thu Geld in deinen Beutel!", der andre, den
arme Schlucker einschlagen müssen, durch ein „Schafs dir Freunde und
Gönner!" hinreichend gekennzeichnet. Außerdem gehören bei uns zum Erfolg
wohl noch Talent und Glück, aber mau thut gut, sich auf keins von beiden
zu verlassen. Die Litteratur ist ein Geschüft wie jedes andre, und der Er¬
folgreiche ist der, der das Hasten, Nennen und Jagen am besten versteht und
am längsten aushält und dadurch seiner Konkurrenz den Rang abläuft. Hat
er erst Erfolg, dann kann er sichs etwas bequemer machen, aber bequem darf
er ja nicht werden, sonst wird er bei lebendigem Leibe vergessen, und das
ist das schlimmste, was einem Litteraten geschehen kaun. Man muß, wie sich
Karl Bleibtreu glücklich ausdrückte, doch wenigstens, so lange man lebt, un¬
sterblich sein. Es giebt einige Schriftsteller in Deutschland, aus deren Lebens¬
lauf man die Naturgeschichte des Erfolgs förmlich ablesen könnte; ich will
ihnen aber das Leid hier nicht anthun, sondern zur gründlicheren Beantwor¬
tung der Frage: Wer hat heute Erfolg, und was ist dieser Erfolg wert?
lieber unsre gesamten litterarischen Verhältnisse einer Untersuchung unter¬
ziehen.
Unter „litterarischem Erfolg" verstehe ich natürlich den Erfolg, den der
Dichter und der Schriftsteller haben kann. Was ein Dichter ist, weiß mau
im Publikum recht gut (wenn auch nicht immer, wer einer ist); der Begriff
„Schriftsteller" ist unklarer. Ich würde ihn folgendermaßen definiren: Schrift¬
steller ist jemand, der eigne oder fremde Gedanken in logischer Weise und in
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