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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Französische Marinelitteratur

Stratege soll vom Lande aus den ganzen Seekrieg leiten. Für die Gruppen¬
führer im Kreuzerkriege fordern sie 12 Panzerkreuzer von der Art des ameri¬
kanischen Handekszerstörers (so lautet die amtliche Bezeichnung) Newyork;
sieben gute Panzerkreuzer hat Frankreich schon, die sollen aber im Küstcnkrieg
benutzt werden. Als ungeschminktes, also wertvolles Lob muß es für unsre
Flottenabteilung gelten, daß die französischen Strategen zwei unsrer Schiffs¬
arten, die sie auch genau beschreiben, als mustergiltig bezeichnen und gleich¬
artige Schiffe für ihre Flotte fordern; es ist der Aviso Meteor, den sie zum
Kreuzerkrieg verwenden Wollen, und unser neues Tvrpcdodivisionsboot, das sie
mit geringer Änderung in der Bewaffnung für das zweckmüßigste ogtegu-og-rion,
den eigentlichen Küstenvcrteidiger, halten. Dieses ideale Kanonenboot soll
25 Seemeilen laufen können, 360 Tonnen Wasserverdrängung haben und mit
3 Schnellladekanonen von 65 Millimeter Kaliber und mit einem 27 Centimeter-
Mörser bewaffnet sein. Der Mörser soll den neuen Sprengstoff in die Küsten¬
städte schleudern. Jedes dg.leg.u-og.non soll der Gruppenführer von 3 Hochsee-
torpedobooteu sein. Für die Kreuzer mittlerer Größe erscheint ihnen der ita¬
lienische Piemonte am geeignetsten. Im ganzen hat Frankreich jetzt 21 ge¬
schützte schnelle Kreuzer, 18 Torpedokreuzer und etwa 50 Hochseetvrpedoboote
von der Größe unsrer Divisionsboote.

Der geistreichste unter den französischen Marineschriststellern ist wohl der
Kontreadnnral RvveiWre; sein neuestes Werk: I^g, Oo-noMte "In 1'Ooeg.n ist
ein Beweis dafür. Sein Ideal ist der ausgedehnteste Verkehr der Menschheit,
wobei jedes Volk für die Gesamtheit arbeiten soll, ohne seine Eigentümlichkeit
aufzugeben. Dabei soll die Schiffahrt die soziale Frage lösen, soll den Ar¬
beiter möglichst unabhängig vom Kapital machen: o'ost ig, in,g,rins, cM derg.
1'nunc inorglö as ig Milet-s. Seine trefflichen Gedanken über die Entwicklung
der Seeschiffahrt, über Kolonialpolitik (ein Volk ohne Ackerbaukolonien ist ein
Bienenstock, der nicht schwärmt) und über andres, was mit dem Meere und
mit der Seefahrt zu thun hat, verdienen einmal ausführlicher besprochen zu
werden. Von der Furcht vor England will er nichts wissen, er sieht aber
auch im Kreuzerkriege das beste Mittel zur Bekämpfung Englands; er strebt
eher nach einem Bündnis mit ihm zur Beherrschung der Erde und glaubt,
daß England mit Rücksicht auf den unvermeidlichen eignen Schaden einem
Kriege mit Frankreich so lange als irgend möglich ausweichen werde.

Nach Novelliere ist die französische Marine in zwei Schulen geteilt, von
denen die ältere in dem Gedanken aufgeht, die Schiffe zu schützen, während
die jüngere von dem Verlangen erfüllt ist, anzugreifen. Aus den geschichtlichen
Arbeiten von Jurien de la Graviere schließt er, daß, wie für die Zeit der
Segelschiffe der Hochseekampf, so der Küstenangriff für die Zeit des Dampfes
die Kampfesweise bilden müsse. Der Krenzerkrieg erscheint ihm noch wichtiger
als den jungen Seestrategen; neben den Kriegsschiffen sollen so viel schnelle


Französische Marinelitteratur

Stratege soll vom Lande aus den ganzen Seekrieg leiten. Für die Gruppen¬
führer im Kreuzerkriege fordern sie 12 Panzerkreuzer von der Art des ameri¬
kanischen Handekszerstörers (so lautet die amtliche Bezeichnung) Newyork;
sieben gute Panzerkreuzer hat Frankreich schon, die sollen aber im Küstcnkrieg
benutzt werden. Als ungeschminktes, also wertvolles Lob muß es für unsre
Flottenabteilung gelten, daß die französischen Strategen zwei unsrer Schiffs¬
arten, die sie auch genau beschreiben, als mustergiltig bezeichnen und gleich¬
artige Schiffe für ihre Flotte fordern; es ist der Aviso Meteor, den sie zum
Kreuzerkrieg verwenden Wollen, und unser neues Tvrpcdodivisionsboot, das sie
mit geringer Änderung in der Bewaffnung für das zweckmüßigste ogtegu-og-rion,
den eigentlichen Küstenvcrteidiger, halten. Dieses ideale Kanonenboot soll
25 Seemeilen laufen können, 360 Tonnen Wasserverdrängung haben und mit
3 Schnellladekanonen von 65 Millimeter Kaliber und mit einem 27 Centimeter-
Mörser bewaffnet sein. Der Mörser soll den neuen Sprengstoff in die Küsten¬
städte schleudern. Jedes dg.leg.u-og.non soll der Gruppenführer von 3 Hochsee-
torpedobooteu sein. Für die Kreuzer mittlerer Größe erscheint ihnen der ita¬
lienische Piemonte am geeignetsten. Im ganzen hat Frankreich jetzt 21 ge¬
schützte schnelle Kreuzer, 18 Torpedokreuzer und etwa 50 Hochseetvrpedoboote
von der Größe unsrer Divisionsboote.

Der geistreichste unter den französischen Marineschriststellern ist wohl der
Kontreadnnral RvveiWre; sein neuestes Werk: I^g, Oo-noMte «In 1'Ooeg.n ist
ein Beweis dafür. Sein Ideal ist der ausgedehnteste Verkehr der Menschheit,
wobei jedes Volk für die Gesamtheit arbeiten soll, ohne seine Eigentümlichkeit
aufzugeben. Dabei soll die Schiffahrt die soziale Frage lösen, soll den Ar¬
beiter möglichst unabhängig vom Kapital machen: o'ost ig, in,g,rins, cM derg.
1'nunc inorglö as ig Milet-s. Seine trefflichen Gedanken über die Entwicklung
der Seeschiffahrt, über Kolonialpolitik (ein Volk ohne Ackerbaukolonien ist ein
Bienenstock, der nicht schwärmt) und über andres, was mit dem Meere und
mit der Seefahrt zu thun hat, verdienen einmal ausführlicher besprochen zu
werden. Von der Furcht vor England will er nichts wissen, er sieht aber
auch im Kreuzerkriege das beste Mittel zur Bekämpfung Englands; er strebt
eher nach einem Bündnis mit ihm zur Beherrschung der Erde und glaubt,
daß England mit Rücksicht auf den unvermeidlichen eignen Schaden einem
Kriege mit Frankreich so lange als irgend möglich ausweichen werde.

Nach Novelliere ist die französische Marine in zwei Schulen geteilt, von
denen die ältere in dem Gedanken aufgeht, die Schiffe zu schützen, während
die jüngere von dem Verlangen erfüllt ist, anzugreifen. Aus den geschichtlichen
Arbeiten von Jurien de la Graviere schließt er, daß, wie für die Zeit der
Segelschiffe der Hochseekampf, so der Küstenangriff für die Zeit des Dampfes
die Kampfesweise bilden müsse. Der Krenzerkrieg erscheint ihm noch wichtiger
als den jungen Seestrategen; neben den Kriegsschiffen sollen so viel schnelle


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[0456] Französische Marinelitteratur Stratege soll vom Lande aus den ganzen Seekrieg leiten. Für die Gruppen¬ führer im Kreuzerkriege fordern sie 12 Panzerkreuzer von der Art des ameri¬ kanischen Handekszerstörers (so lautet die amtliche Bezeichnung) Newyork; sieben gute Panzerkreuzer hat Frankreich schon, die sollen aber im Küstcnkrieg benutzt werden. Als ungeschminktes, also wertvolles Lob muß es für unsre Flottenabteilung gelten, daß die französischen Strategen zwei unsrer Schiffs¬ arten, die sie auch genau beschreiben, als mustergiltig bezeichnen und gleich¬ artige Schiffe für ihre Flotte fordern; es ist der Aviso Meteor, den sie zum Kreuzerkrieg verwenden Wollen, und unser neues Tvrpcdodivisionsboot, das sie mit geringer Änderung in der Bewaffnung für das zweckmüßigste ogtegu-og-rion, den eigentlichen Küstenvcrteidiger, halten. Dieses ideale Kanonenboot soll 25 Seemeilen laufen können, 360 Tonnen Wasserverdrängung haben und mit 3 Schnellladekanonen von 65 Millimeter Kaliber und mit einem 27 Centimeter- Mörser bewaffnet sein. Der Mörser soll den neuen Sprengstoff in die Küsten¬ städte schleudern. Jedes dg.leg.u-og.non soll der Gruppenführer von 3 Hochsee- torpedobooteu sein. Für die Kreuzer mittlerer Größe erscheint ihnen der ita¬ lienische Piemonte am geeignetsten. Im ganzen hat Frankreich jetzt 21 ge¬ schützte schnelle Kreuzer, 18 Torpedokreuzer und etwa 50 Hochseetvrpedoboote von der Größe unsrer Divisionsboote. Der geistreichste unter den französischen Marineschriststellern ist wohl der Kontreadnnral RvveiWre; sein neuestes Werk: I^g, Oo-noMte «In 1'Ooeg.n ist ein Beweis dafür. Sein Ideal ist der ausgedehnteste Verkehr der Menschheit, wobei jedes Volk für die Gesamtheit arbeiten soll, ohne seine Eigentümlichkeit aufzugeben. Dabei soll die Schiffahrt die soziale Frage lösen, soll den Ar¬ beiter möglichst unabhängig vom Kapital machen: o'ost ig, in,g,rins, cM derg. 1'nunc inorglö as ig Milet-s. Seine trefflichen Gedanken über die Entwicklung der Seeschiffahrt, über Kolonialpolitik (ein Volk ohne Ackerbaukolonien ist ein Bienenstock, der nicht schwärmt) und über andres, was mit dem Meere und mit der Seefahrt zu thun hat, verdienen einmal ausführlicher besprochen zu werden. Von der Furcht vor England will er nichts wissen, er sieht aber auch im Kreuzerkriege das beste Mittel zur Bekämpfung Englands; er strebt eher nach einem Bündnis mit ihm zur Beherrschung der Erde und glaubt, daß England mit Rücksicht auf den unvermeidlichen eignen Schaden einem Kriege mit Frankreich so lange als irgend möglich ausweichen werde. Nach Novelliere ist die französische Marine in zwei Schulen geteilt, von denen die ältere in dem Gedanken aufgeht, die Schiffe zu schützen, während die jüngere von dem Verlangen erfüllt ist, anzugreifen. Aus den geschichtlichen Arbeiten von Jurien de la Graviere schließt er, daß, wie für die Zeit der Segelschiffe der Hochseekampf, so der Küstenangriff für die Zeit des Dampfes die Kampfesweise bilden müsse. Der Krenzerkrieg erscheint ihm noch wichtiger als den jungen Seestrategen; neben den Kriegsschiffen sollen so viel schnelle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/456>, abgerufen am 29.06.2024.