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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Anselm Feuerl'achs Leben und Runst

talem Farbengebung dem neuen Jahrmarktspublikmn der Kunst in die bunten,
glatten Lichter einer I^tsrua ing-ssieg. zu übertragen! Feuerbachs Weise lief
hier wieder den Effekten der Zeit schnurstracks zuwider, während sich diese
mit Böcklins überreichen Farbenauftrag schließlich aussöhnte. Feuerbach,
den wir als den ersten deutschen Maler in Paris die neuen koloristischen
Wirkungen an der Quelle studiren sahen, dem man zunächst "genial sein sollende
Nachahmung" der neuen Malweise vorgeworfen hatte, und dessen wunderlich
unzeitgemäße Erfindungen man lange nur wegen ihrer koloristischen Virtuo¬
sität hatte gelten lassen wollen. Feuerbach setzte sich auch hierin jetzt gegen
die ins Unkünstlerische ausgeartete Zeitströmung, die nur noch Moderichtung
war. Er forderte die geistlose Farbenschwelgerei nun geradezu heraus und
konnte seinen mehr oder minder wohlmeinenden Kritikern über die glücklichern
Rivalen dasselbe entgegenhalten, was schon der alte Cornelius zu sagen Ge¬
legenheit hatte: "Sie haben vollkommen erreicht, was ich mich mein Lebtag
sorgfältig zu vermeiden bemüht habe."

Allgeyer hebt übrigens in dem besondern Falle des "Platonischen Gast¬
mahls" hervor, daß "sich das koloristische Verbrechen Feuerbachs auf deu klar¬
bewußter Versuch beschränkte, eine der Zeit der dargestellten Handlung, der
ersten fahlen Morgendämmerung entsprechende Stimmung durchzuführen. Sicher¬
lich gründete sich dieser Versuch auf eine ganz bestimmte, der Wirklichkeit ent-
nommne und vom Künstler sehr wohlstudirte Beobachtung. Denn Feuerbachs
allem phantastischen Wesen durchaus abholder Sinn war künstlerisch viel zu
sehr auf die objektive Anschauung gerichtet, als daß willkürliche, nicht auf ge¬
nauer Erfahrung beruhende Vorstellungen in seiner Kunst hätten Raum ge¬
winnen können." Hierin ist nun Feuerbach der ausgesprochne Antipode des
von ihm bewunderten Böcklin, dessen originale Technik ihm bei dem ersten
Bekanntwerden mit dem seit langen Jahren schon in Rom darbenden Künstler
die Worte entlockte: "Ich muß von vorn anfangen" und "Darf ich unter solchen
Umständen für mich besseres erwarten?" Er teilte allerdings mit dem großen
Phantastiker das Schicksal, in der Vollkraft des Schaffens mit einer verschwen¬
derischen Produktivität im ganzen unbeachtet, im einzelnen bekrittelt, verhöhnt
und zurückgewiesen durch ein teilnahmloses, von sich völlig in Anspruch ge-
nommnes Geschlecht hindurchgehen zu müssen. Allein den endlichen Triumph
über die erregten und erregungssüchtigen Nerven des nachgerade bis zur
Überspannung angespannten Zeitalters hätte ihn seine, eher nach der Seite
der Erstarrung überreizte Kunst nicht, wie Böcklin die seine, noch erleben
lassen. Feuerbach wird mit seiner schroff in sich selbst und ihren eigensten
Anforderungen beruhenden Stil- und Dauerkunst, die die innern Gesetze der
Komposition oft in des Wortes verwegenster Bedeutung "inkarniren" zu wollen
scheint, die sich nicht genug thun kann in statutarischer Festlegung der fließenden
Erscheinung und unbedingter Wiedergabe der thatsächlichen Form, Feuerbach


Anselm Feuerl'achs Leben und Runst

talem Farbengebung dem neuen Jahrmarktspublikmn der Kunst in die bunten,
glatten Lichter einer I^tsrua ing-ssieg. zu übertragen! Feuerbachs Weise lief
hier wieder den Effekten der Zeit schnurstracks zuwider, während sich diese
mit Böcklins überreichen Farbenauftrag schließlich aussöhnte. Feuerbach,
den wir als den ersten deutschen Maler in Paris die neuen koloristischen
Wirkungen an der Quelle studiren sahen, dem man zunächst „genial sein sollende
Nachahmung" der neuen Malweise vorgeworfen hatte, und dessen wunderlich
unzeitgemäße Erfindungen man lange nur wegen ihrer koloristischen Virtuo¬
sität hatte gelten lassen wollen. Feuerbach setzte sich auch hierin jetzt gegen
die ins Unkünstlerische ausgeartete Zeitströmung, die nur noch Moderichtung
war. Er forderte die geistlose Farbenschwelgerei nun geradezu heraus und
konnte seinen mehr oder minder wohlmeinenden Kritikern über die glücklichern
Rivalen dasselbe entgegenhalten, was schon der alte Cornelius zu sagen Ge¬
legenheit hatte: „Sie haben vollkommen erreicht, was ich mich mein Lebtag
sorgfältig zu vermeiden bemüht habe."

Allgeyer hebt übrigens in dem besondern Falle des „Platonischen Gast¬
mahls" hervor, daß „sich das koloristische Verbrechen Feuerbachs auf deu klar¬
bewußter Versuch beschränkte, eine der Zeit der dargestellten Handlung, der
ersten fahlen Morgendämmerung entsprechende Stimmung durchzuführen. Sicher¬
lich gründete sich dieser Versuch auf eine ganz bestimmte, der Wirklichkeit ent-
nommne und vom Künstler sehr wohlstudirte Beobachtung. Denn Feuerbachs
allem phantastischen Wesen durchaus abholder Sinn war künstlerisch viel zu
sehr auf die objektive Anschauung gerichtet, als daß willkürliche, nicht auf ge¬
nauer Erfahrung beruhende Vorstellungen in seiner Kunst hätten Raum ge¬
winnen können." Hierin ist nun Feuerbach der ausgesprochne Antipode des
von ihm bewunderten Böcklin, dessen originale Technik ihm bei dem ersten
Bekanntwerden mit dem seit langen Jahren schon in Rom darbenden Künstler
die Worte entlockte: „Ich muß von vorn anfangen" und „Darf ich unter solchen
Umständen für mich besseres erwarten?" Er teilte allerdings mit dem großen
Phantastiker das Schicksal, in der Vollkraft des Schaffens mit einer verschwen¬
derischen Produktivität im ganzen unbeachtet, im einzelnen bekrittelt, verhöhnt
und zurückgewiesen durch ein teilnahmloses, von sich völlig in Anspruch ge-
nommnes Geschlecht hindurchgehen zu müssen. Allein den endlichen Triumph
über die erregten und erregungssüchtigen Nerven des nachgerade bis zur
Überspannung angespannten Zeitalters hätte ihn seine, eher nach der Seite
der Erstarrung überreizte Kunst nicht, wie Böcklin die seine, noch erleben
lassen. Feuerbach wird mit seiner schroff in sich selbst und ihren eigensten
Anforderungen beruhenden Stil- und Dauerkunst, die die innern Gesetze der
Komposition oft in des Wortes verwegenster Bedeutung „inkarniren" zu wollen
scheint, die sich nicht genug thun kann in statutarischer Festlegung der fließenden
Erscheinung und unbedingter Wiedergabe der thatsächlichen Form, Feuerbach


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[0039] Anselm Feuerl'achs Leben und Runst talem Farbengebung dem neuen Jahrmarktspublikmn der Kunst in die bunten, glatten Lichter einer I^tsrua ing-ssieg. zu übertragen! Feuerbachs Weise lief hier wieder den Effekten der Zeit schnurstracks zuwider, während sich diese mit Böcklins überreichen Farbenauftrag schließlich aussöhnte. Feuerbach, den wir als den ersten deutschen Maler in Paris die neuen koloristischen Wirkungen an der Quelle studiren sahen, dem man zunächst „genial sein sollende Nachahmung" der neuen Malweise vorgeworfen hatte, und dessen wunderlich unzeitgemäße Erfindungen man lange nur wegen ihrer koloristischen Virtuo¬ sität hatte gelten lassen wollen. Feuerbach setzte sich auch hierin jetzt gegen die ins Unkünstlerische ausgeartete Zeitströmung, die nur noch Moderichtung war. Er forderte die geistlose Farbenschwelgerei nun geradezu heraus und konnte seinen mehr oder minder wohlmeinenden Kritikern über die glücklichern Rivalen dasselbe entgegenhalten, was schon der alte Cornelius zu sagen Ge¬ legenheit hatte: „Sie haben vollkommen erreicht, was ich mich mein Lebtag sorgfältig zu vermeiden bemüht habe." Allgeyer hebt übrigens in dem besondern Falle des „Platonischen Gast¬ mahls" hervor, daß „sich das koloristische Verbrechen Feuerbachs auf deu klar¬ bewußter Versuch beschränkte, eine der Zeit der dargestellten Handlung, der ersten fahlen Morgendämmerung entsprechende Stimmung durchzuführen. Sicher¬ lich gründete sich dieser Versuch auf eine ganz bestimmte, der Wirklichkeit ent- nommne und vom Künstler sehr wohlstudirte Beobachtung. Denn Feuerbachs allem phantastischen Wesen durchaus abholder Sinn war künstlerisch viel zu sehr auf die objektive Anschauung gerichtet, als daß willkürliche, nicht auf ge¬ nauer Erfahrung beruhende Vorstellungen in seiner Kunst hätten Raum ge¬ winnen können." Hierin ist nun Feuerbach der ausgesprochne Antipode des von ihm bewunderten Böcklin, dessen originale Technik ihm bei dem ersten Bekanntwerden mit dem seit langen Jahren schon in Rom darbenden Künstler die Worte entlockte: „Ich muß von vorn anfangen" und „Darf ich unter solchen Umständen für mich besseres erwarten?" Er teilte allerdings mit dem großen Phantastiker das Schicksal, in der Vollkraft des Schaffens mit einer verschwen¬ derischen Produktivität im ganzen unbeachtet, im einzelnen bekrittelt, verhöhnt und zurückgewiesen durch ein teilnahmloses, von sich völlig in Anspruch ge- nommnes Geschlecht hindurchgehen zu müssen. Allein den endlichen Triumph über die erregten und erregungssüchtigen Nerven des nachgerade bis zur Überspannung angespannten Zeitalters hätte ihn seine, eher nach der Seite der Erstarrung überreizte Kunst nicht, wie Böcklin die seine, noch erleben lassen. Feuerbach wird mit seiner schroff in sich selbst und ihren eigensten Anforderungen beruhenden Stil- und Dauerkunst, die die innern Gesetze der Komposition oft in des Wortes verwegenster Bedeutung „inkarniren" zu wollen scheint, die sich nicht genug thun kann in statutarischer Festlegung der fließenden Erscheinung und unbedingter Wiedergabe der thatsächlichen Form, Feuerbach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/39>, abgerufen am 22.07.2024.