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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-japanische Beziehungen

Aber nicht nur auf militärischem Gebiete ist es den Deutschen gelungen,
die andern Völker in Japan zu schlagen, sondern auch auf dem Verwaltuugs-
gebiete. Deutsche haben den Dienst des auswärtigen Amtes eingerichtet und
Negierung und Verwaltung des Landes uach deutscher Weise umgestaltet.
Ebenso lag die Ausarbeitung der japanischen Wahlordnung in deutscheu Händen.
Das japanische Herrenhaus ist nach preußischem Vorbilde eingerichtet worden,
und zwar ist dafür die königliche Verordnung vom 12. Oktober 1854 ma߬
gebend gewesen. Das Polizeiwesen wurde durch den Berliner Polizeihaupt¬
mann Höhn geordnet, der sieben Jahre lang (1884 bis 1891) in Japan
weilte.

In dem Ministerium für Handel und Gewerbe war mehr als zwanzig
Jahre lang Professor or. G. Wagener als Ratgeber thätig. Ihm verdankt
namentlich das japanische Kunstgewerbe viel. Seine Bemühungen gingen dahin,
die vielfach mangelhafte und veraltete Herstellungsweise im japanischen Gewerbe
zu verbessern und so die Japaner auf diesem Gebiete leistungsfähiger zu machen.
Er war der Ansicht, daß das japanische Kunstgewerbe nur dann seinen Platz
auf dem Weltmarkt behaupten könne, wenn es seine Eigentümlichkeit bewahre
und sich nicht dnrch europäische Vorbilder und die augenblicklich in Europa
herrschende Geschmacksrichtung beeinflussen lasse. Die großen Erfolge, die
Japan auf der Wiener Weltausstellung 1873 und auch später in Philadelphia
hatte, sind wesentlich das Verdienst Wageners. Darum wurde er auch nach
seiner Rückkehr aus Wien mit der Gründung einer Gewerbeschule zu Tokio
betraut, als deren Leiter er 1892 gestorben ist.

Ebenso sind deutsche Kräfte in der Fvrstverwciltuug, im Grundbuchweseu
im Eisenbahn- und Baufache, kurz in allen Zweigen der Verwaltung thätig
gewesen und noch thätig. Wie vortrefflich die gesamte Verwaltung eingerichtet
ist, wie gut die Beamten ihre Pflicht thun, und wie vorzüglich das Räder¬
werk der Verwaltungsmaschine ineinandergreift, das hat die Vorbereitung zu
dem gegenwärtigen Kriege gezeigt, die ohne große Störung von Handel und
Wandel ganz still und geräuschlos vor sich gegangen ist.

Am größten zeigt sich aber wohl der deutsche Einfluß auf wissenschaft¬
lichem Gebiete. An der Universität in Tokio waren oder sind noch die Lehr¬
stühle für Philosophie, Geschichte, Erdkunde und Pädagogik, für deutsche Sprache
und Litteratur, für Nationalökonomie und Finanzwirtschaft von deutschen Pro¬
fessoren besetzt. Besonders wichtig war die Thätigkeit des or. Hausknecht, der
während seines vierjährigen Aufenthalts (1886 bis 1890) an der Universität
zu Tokio die Professur für Pädagogik innehatte. In dieser Stellung richtete
er sein besondres Augenmerk darauf, eiuen tüchtigen höhern Lehrstand heran¬
zubilden, an dem es in Japan ganz fehlte. Außerdem hat er eine Prüfungs¬
ordnung für höhere Schulen entworfen und für das Gymnasium der Provinz
Jamaguchi, das vorbildlich für die andern werden soll, einen neuen Lehrplan


Deutsch-japanische Beziehungen

Aber nicht nur auf militärischem Gebiete ist es den Deutschen gelungen,
die andern Völker in Japan zu schlagen, sondern auch auf dem Verwaltuugs-
gebiete. Deutsche haben den Dienst des auswärtigen Amtes eingerichtet und
Negierung und Verwaltung des Landes uach deutscher Weise umgestaltet.
Ebenso lag die Ausarbeitung der japanischen Wahlordnung in deutscheu Händen.
Das japanische Herrenhaus ist nach preußischem Vorbilde eingerichtet worden,
und zwar ist dafür die königliche Verordnung vom 12. Oktober 1854 ma߬
gebend gewesen. Das Polizeiwesen wurde durch den Berliner Polizeihaupt¬
mann Höhn geordnet, der sieben Jahre lang (1884 bis 1891) in Japan
weilte.

In dem Ministerium für Handel und Gewerbe war mehr als zwanzig
Jahre lang Professor or. G. Wagener als Ratgeber thätig. Ihm verdankt
namentlich das japanische Kunstgewerbe viel. Seine Bemühungen gingen dahin,
die vielfach mangelhafte und veraltete Herstellungsweise im japanischen Gewerbe
zu verbessern und so die Japaner auf diesem Gebiete leistungsfähiger zu machen.
Er war der Ansicht, daß das japanische Kunstgewerbe nur dann seinen Platz
auf dem Weltmarkt behaupten könne, wenn es seine Eigentümlichkeit bewahre
und sich nicht dnrch europäische Vorbilder und die augenblicklich in Europa
herrschende Geschmacksrichtung beeinflussen lasse. Die großen Erfolge, die
Japan auf der Wiener Weltausstellung 1873 und auch später in Philadelphia
hatte, sind wesentlich das Verdienst Wageners. Darum wurde er auch nach
seiner Rückkehr aus Wien mit der Gründung einer Gewerbeschule zu Tokio
betraut, als deren Leiter er 1892 gestorben ist.

Ebenso sind deutsche Kräfte in der Fvrstverwciltuug, im Grundbuchweseu
im Eisenbahn- und Baufache, kurz in allen Zweigen der Verwaltung thätig
gewesen und noch thätig. Wie vortrefflich die gesamte Verwaltung eingerichtet
ist, wie gut die Beamten ihre Pflicht thun, und wie vorzüglich das Räder¬
werk der Verwaltungsmaschine ineinandergreift, das hat die Vorbereitung zu
dem gegenwärtigen Kriege gezeigt, die ohne große Störung von Handel und
Wandel ganz still und geräuschlos vor sich gegangen ist.

Am größten zeigt sich aber wohl der deutsche Einfluß auf wissenschaft¬
lichem Gebiete. An der Universität in Tokio waren oder sind noch die Lehr¬
stühle für Philosophie, Geschichte, Erdkunde und Pädagogik, für deutsche Sprache
und Litteratur, für Nationalökonomie und Finanzwirtschaft von deutschen Pro¬
fessoren besetzt. Besonders wichtig war die Thätigkeit des or. Hausknecht, der
während seines vierjährigen Aufenthalts (1886 bis 1890) an der Universität
zu Tokio die Professur für Pädagogik innehatte. In dieser Stellung richtete
er sein besondres Augenmerk darauf, eiuen tüchtigen höhern Lehrstand heran¬
zubilden, an dem es in Japan ganz fehlte. Außerdem hat er eine Prüfungs¬
ordnung für höhere Schulen entworfen und für das Gymnasium der Provinz
Jamaguchi, das vorbildlich für die andern werden soll, einen neuen Lehrplan


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[0351] Deutsch-japanische Beziehungen Aber nicht nur auf militärischem Gebiete ist es den Deutschen gelungen, die andern Völker in Japan zu schlagen, sondern auch auf dem Verwaltuugs- gebiete. Deutsche haben den Dienst des auswärtigen Amtes eingerichtet und Negierung und Verwaltung des Landes uach deutscher Weise umgestaltet. Ebenso lag die Ausarbeitung der japanischen Wahlordnung in deutscheu Händen. Das japanische Herrenhaus ist nach preußischem Vorbilde eingerichtet worden, und zwar ist dafür die königliche Verordnung vom 12. Oktober 1854 ma߬ gebend gewesen. Das Polizeiwesen wurde durch den Berliner Polizeihaupt¬ mann Höhn geordnet, der sieben Jahre lang (1884 bis 1891) in Japan weilte. In dem Ministerium für Handel und Gewerbe war mehr als zwanzig Jahre lang Professor or. G. Wagener als Ratgeber thätig. Ihm verdankt namentlich das japanische Kunstgewerbe viel. Seine Bemühungen gingen dahin, die vielfach mangelhafte und veraltete Herstellungsweise im japanischen Gewerbe zu verbessern und so die Japaner auf diesem Gebiete leistungsfähiger zu machen. Er war der Ansicht, daß das japanische Kunstgewerbe nur dann seinen Platz auf dem Weltmarkt behaupten könne, wenn es seine Eigentümlichkeit bewahre und sich nicht dnrch europäische Vorbilder und die augenblicklich in Europa herrschende Geschmacksrichtung beeinflussen lasse. Die großen Erfolge, die Japan auf der Wiener Weltausstellung 1873 und auch später in Philadelphia hatte, sind wesentlich das Verdienst Wageners. Darum wurde er auch nach seiner Rückkehr aus Wien mit der Gründung einer Gewerbeschule zu Tokio betraut, als deren Leiter er 1892 gestorben ist. Ebenso sind deutsche Kräfte in der Fvrstverwciltuug, im Grundbuchweseu im Eisenbahn- und Baufache, kurz in allen Zweigen der Verwaltung thätig gewesen und noch thätig. Wie vortrefflich die gesamte Verwaltung eingerichtet ist, wie gut die Beamten ihre Pflicht thun, und wie vorzüglich das Räder¬ werk der Verwaltungsmaschine ineinandergreift, das hat die Vorbereitung zu dem gegenwärtigen Kriege gezeigt, die ohne große Störung von Handel und Wandel ganz still und geräuschlos vor sich gegangen ist. Am größten zeigt sich aber wohl der deutsche Einfluß auf wissenschaft¬ lichem Gebiete. An der Universität in Tokio waren oder sind noch die Lehr¬ stühle für Philosophie, Geschichte, Erdkunde und Pädagogik, für deutsche Sprache und Litteratur, für Nationalökonomie und Finanzwirtschaft von deutschen Pro¬ fessoren besetzt. Besonders wichtig war die Thätigkeit des or. Hausknecht, der während seines vierjährigen Aufenthalts (1886 bis 1890) an der Universität zu Tokio die Professur für Pädagogik innehatte. In dieser Stellung richtete er sein besondres Augenmerk darauf, eiuen tüchtigen höhern Lehrstand heran¬ zubilden, an dem es in Japan ganz fehlte. Außerdem hat er eine Prüfungs¬ ordnung für höhere Schulen entworfen und für das Gymnasium der Provinz Jamaguchi, das vorbildlich für die andern werden soll, einen neuen Lehrplan

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/351>, abgerufen am 23.07.2024.