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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-japanische Beziehungen

ganz in den Händen der Engländer, Finanzen und Unterricht meist in denen
der Amerikaner, während im Militärwesen und besonders in der Flotte Fran¬
zosen die Lehrmeister waren. Seit dem Auftreten der Deutschen ist der fran¬
zösische und englische Einfluß allmählich in den Hintergrund getreten. Im
japanischen Heere herrscht jetzt nur deutscher Geist. Nur in der Uniformirnng
der Truppen zeigt es sich noch, daß in dem Heere französischer Einfluß von
dem deutschen abgelöst wurde. Während der gemeine Mann den Waffenrock
nach preußischem Schnitt trägt, schreitet ihm der japanische Offizier im fran¬
zösischen Schnurrock zur Seite; auch die Gradabzeichen auf den Ärmeln sind
nach französischer Art angebracht. Der Dienst wird streng nach preußischer
Art geübt. Der erste Deutsche, der das japanische Landheer zu einer modernen
Macht umbilden half, war der ehemalige Bückeburgische Feldwebel Köppen,
der schon seit dem Herbste 1869 in Japan wirkte. In den siebziger Jahren
war besonders der Oberst Meckel thätig, der die Kriegsakademie nach preußischer
Weise umgestaltete. Seitdem sind alle Einrichtungen des Heeres deutsch ge¬
worden. 1889 wurde auch die allgemeine Dienstpflicht nach preußischem Muster
eingeführt, die Kadetten lernen jetzt Deutsch, und die Offiziere werden noch
jetzt von einem deutschen Generalstabsoffizier, dem Major Grutschreiber, in
der Kriegswissenschaft unterrichtet. Aber nicht genug damit: die Japaner
schicken noch immer fähige Offiziere aller Waffengattungen zu uns, damit sie
auch durch den Augenschein den Dienst und die Einrichtungen im deutschen
Heere kennen lernen, um deutsche Kriegszucht und deutschen Geist nach Japan
zu verpflanzen. Mit welchem Erfolge dies gelungen ist, zeigen die Schlachten
des jetzigen Feldzugs. >

Anders steht es mit der Flotte. Hier herrschte bis vor kurzem der fran¬
zösische Einfluß fast noch unumschränkt. Es kommt das daher, daß die ersten
Seekadetten, die Japan nach Europa schickte, und die jetzt die höchsten Befehls¬
haberstellen innehaben, in der französischen Marine ihre Ausbildung genossen.
Erst in neuerer Zeit scheint auch hierin ein Umschwung eingetreten zu sein.
Im November 1889 erschien der Prinz Arisngawa Takehito, der die Würde
eines Korvettenkapitäns bekleidet, mit großem Gefolge in Berlin, um sich mit
deutschen Marineeinrichtungen vertraut zu machen. Daß ihn seine Beob¬
achtungen nicht unbefriedigt gelassen haben, können wir wohl daraus schließen,
daß sich unter den Seekadetten des Schulschiffs Stosch, die sich im April 1894
in Wilhelmshaven einschifften, auch ein japanischer Prinz befand. Von den
japanischen Kriegsschiffen stammen die meisten aus französischen Werften, nur
wenige aus englischen; einen Teil hat Japan auch schon selbst gebaut. Ähnlich
ist es mit dem Geschützwesen; die schweren Geschütze lieferte Krupp und
de Bange, während die kleinern schon im eignen Lande hergestellt sind. Da¬
gegen stammen die Torpedoboote und die Fischtorpedvs von den deutscheu
Firmen Schichan und Schwartzkopfs.


Deutsch-japanische Beziehungen

ganz in den Händen der Engländer, Finanzen und Unterricht meist in denen
der Amerikaner, während im Militärwesen und besonders in der Flotte Fran¬
zosen die Lehrmeister waren. Seit dem Auftreten der Deutschen ist der fran¬
zösische und englische Einfluß allmählich in den Hintergrund getreten. Im
japanischen Heere herrscht jetzt nur deutscher Geist. Nur in der Uniformirnng
der Truppen zeigt es sich noch, daß in dem Heere französischer Einfluß von
dem deutschen abgelöst wurde. Während der gemeine Mann den Waffenrock
nach preußischem Schnitt trägt, schreitet ihm der japanische Offizier im fran¬
zösischen Schnurrock zur Seite; auch die Gradabzeichen auf den Ärmeln sind
nach französischer Art angebracht. Der Dienst wird streng nach preußischer
Art geübt. Der erste Deutsche, der das japanische Landheer zu einer modernen
Macht umbilden half, war der ehemalige Bückeburgische Feldwebel Köppen,
der schon seit dem Herbste 1869 in Japan wirkte. In den siebziger Jahren
war besonders der Oberst Meckel thätig, der die Kriegsakademie nach preußischer
Weise umgestaltete. Seitdem sind alle Einrichtungen des Heeres deutsch ge¬
worden. 1889 wurde auch die allgemeine Dienstpflicht nach preußischem Muster
eingeführt, die Kadetten lernen jetzt Deutsch, und die Offiziere werden noch
jetzt von einem deutschen Generalstabsoffizier, dem Major Grutschreiber, in
der Kriegswissenschaft unterrichtet. Aber nicht genug damit: die Japaner
schicken noch immer fähige Offiziere aller Waffengattungen zu uns, damit sie
auch durch den Augenschein den Dienst und die Einrichtungen im deutschen
Heere kennen lernen, um deutsche Kriegszucht und deutschen Geist nach Japan
zu verpflanzen. Mit welchem Erfolge dies gelungen ist, zeigen die Schlachten
des jetzigen Feldzugs. >

Anders steht es mit der Flotte. Hier herrschte bis vor kurzem der fran¬
zösische Einfluß fast noch unumschränkt. Es kommt das daher, daß die ersten
Seekadetten, die Japan nach Europa schickte, und die jetzt die höchsten Befehls¬
haberstellen innehaben, in der französischen Marine ihre Ausbildung genossen.
Erst in neuerer Zeit scheint auch hierin ein Umschwung eingetreten zu sein.
Im November 1889 erschien der Prinz Arisngawa Takehito, der die Würde
eines Korvettenkapitäns bekleidet, mit großem Gefolge in Berlin, um sich mit
deutschen Marineeinrichtungen vertraut zu machen. Daß ihn seine Beob¬
achtungen nicht unbefriedigt gelassen haben, können wir wohl daraus schließen,
daß sich unter den Seekadetten des Schulschiffs Stosch, die sich im April 1894
in Wilhelmshaven einschifften, auch ein japanischer Prinz befand. Von den
japanischen Kriegsschiffen stammen die meisten aus französischen Werften, nur
wenige aus englischen; einen Teil hat Japan auch schon selbst gebaut. Ähnlich
ist es mit dem Geschützwesen; die schweren Geschütze lieferte Krupp und
de Bange, während die kleinern schon im eignen Lande hergestellt sind. Da¬
gegen stammen die Torpedoboote und die Fischtorpedvs von den deutscheu
Firmen Schichan und Schwartzkopfs.


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[0350] Deutsch-japanische Beziehungen ganz in den Händen der Engländer, Finanzen und Unterricht meist in denen der Amerikaner, während im Militärwesen und besonders in der Flotte Fran¬ zosen die Lehrmeister waren. Seit dem Auftreten der Deutschen ist der fran¬ zösische und englische Einfluß allmählich in den Hintergrund getreten. Im japanischen Heere herrscht jetzt nur deutscher Geist. Nur in der Uniformirnng der Truppen zeigt es sich noch, daß in dem Heere französischer Einfluß von dem deutschen abgelöst wurde. Während der gemeine Mann den Waffenrock nach preußischem Schnitt trägt, schreitet ihm der japanische Offizier im fran¬ zösischen Schnurrock zur Seite; auch die Gradabzeichen auf den Ärmeln sind nach französischer Art angebracht. Der Dienst wird streng nach preußischer Art geübt. Der erste Deutsche, der das japanische Landheer zu einer modernen Macht umbilden half, war der ehemalige Bückeburgische Feldwebel Köppen, der schon seit dem Herbste 1869 in Japan wirkte. In den siebziger Jahren war besonders der Oberst Meckel thätig, der die Kriegsakademie nach preußischer Weise umgestaltete. Seitdem sind alle Einrichtungen des Heeres deutsch ge¬ worden. 1889 wurde auch die allgemeine Dienstpflicht nach preußischem Muster eingeführt, die Kadetten lernen jetzt Deutsch, und die Offiziere werden noch jetzt von einem deutschen Generalstabsoffizier, dem Major Grutschreiber, in der Kriegswissenschaft unterrichtet. Aber nicht genug damit: die Japaner schicken noch immer fähige Offiziere aller Waffengattungen zu uns, damit sie auch durch den Augenschein den Dienst und die Einrichtungen im deutschen Heere kennen lernen, um deutsche Kriegszucht und deutschen Geist nach Japan zu verpflanzen. Mit welchem Erfolge dies gelungen ist, zeigen die Schlachten des jetzigen Feldzugs. > Anders steht es mit der Flotte. Hier herrschte bis vor kurzem der fran¬ zösische Einfluß fast noch unumschränkt. Es kommt das daher, daß die ersten Seekadetten, die Japan nach Europa schickte, und die jetzt die höchsten Befehls¬ haberstellen innehaben, in der französischen Marine ihre Ausbildung genossen. Erst in neuerer Zeit scheint auch hierin ein Umschwung eingetreten zu sein. Im November 1889 erschien der Prinz Arisngawa Takehito, der die Würde eines Korvettenkapitäns bekleidet, mit großem Gefolge in Berlin, um sich mit deutschen Marineeinrichtungen vertraut zu machen. Daß ihn seine Beob¬ achtungen nicht unbefriedigt gelassen haben, können wir wohl daraus schließen, daß sich unter den Seekadetten des Schulschiffs Stosch, die sich im April 1894 in Wilhelmshaven einschifften, auch ein japanischer Prinz befand. Von den japanischen Kriegsschiffen stammen die meisten aus französischen Werften, nur wenige aus englischen; einen Teil hat Japan auch schon selbst gebaut. Ähnlich ist es mit dem Geschützwesen; die schweren Geschütze lieferte Krupp und de Bange, während die kleinern schon im eignen Lande hergestellt sind. Da¬ gegen stammen die Torpedoboote und die Fischtorpedvs von den deutscheu Firmen Schichan und Schwartzkopfs.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/350>, abgerufen am 23.07.2024.