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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die Moderne in der Wissenschaft

geschlossen wurde, schenkte man ihm die Freiheit nicht. Zuweilen war er der
Verzweiflung nahe, einmal wollte er "mit dem^Kopf gegen die Wand rennen
und sterben," auch machte er einen Fluchtversuch, der vereitelt wurde. End¬
lich, am 6. Januar 1519, wurde er an den französischen König ausgeliefert
und in das Kastell von Mailand gebracht. Seine Gemahlin, die sast immer
krank gewesen war, zuletzt auch nicht mehr bei ihm gewohnt hatte, folgte ihm
auch nach Mailand und starb dort am 4. September 1519. Wenige
Wochen darauf, im Oktober 1519, floh er aus dem Mailänder Kastell und
entkam glücklich nach seiner Heimat Kroatien. In einem langen Schlußkapitel,
das nach dem vorausgegangnen nicht mehr fesselt, belehrt uns der Verfasser
noch umständlich über die Rolle, die Frangipani später im Türkenkriege ge¬
spielt hat; dort fand er bei der Belagerung von Warasdin im September 1527
seinen Tod.

Aber der Ring! Wo bleibt der Ring? Geduld, er kommt schon. Unter
den Briefen, die Frangipani und seine Gemahlin im Jahre 1515 mit einander
gewechselt haben, ist auch ein Brief von ihr aus Blaiburg vom 21. März,
die Antwort auf einen Brief, den er am 13. Februar aus der Torresella an
sie geschrieben hat. Er hat sie wiederholt gebeten, ihn mit Bettwüsche und
Kleidungsstücken zu versorgen, und sie antwortet ihm nun auf diese Bitten.
Vorher aber schreibt sie: "Was den Ring betrifft, gnädigster und geliebtester
Gemahl, so meine ich, daß der Ring, den Messer Zuan Stefano Maza er¬
halten hat, ein wenig enger gemacht werden müßte, als es der alte Ring war,
und darauf die Inschrift gesetzt werden, die auf dem Bande des Ringes
innen und außen war, die Worte, die die Antwort geben auf die Worte, die
mir Ew. Herrlichkeit auf dem andern Ringe geschickt haben, den ich trage. Es
verlangt mich, Ew. Herrlichkeit den Ring zu schicken, damit ihn Ew. Herrlich¬
keit aus Liebe zu mir und zum Andenken an mich tragen, und wenn es be¬
liebt, bitte ich, das dort machen zu lassen, da es hier keinen guten Gold¬
schmied giebt." Der alte Ring, von dem Apollonia hier schreibt, der alte
Ring, der zu weit war, den ihr Gemahl infolgedessen offenbar verloren hatte
und für den sie ihm jetzt durch Messer Maza Ersatz schickt, das soll der
Ring sein, der im Januar 1892 in der Nähe von Prata bei Pardenone ge¬
funden worden ist!

Ganz sicher, ganz über jeden Zweifel erhaben ist die Sache nicht, und
der Verfasser ist ehrlich genug, auf die Schwierigkeiten, die übrig bleiben,
selbst aufmerksam zu machen. In dem erwähnten viario al?orÄ<zu0ng steht,
daß am 15. Februar 1514, an demselben Tage, wo Frangipani von Udine
aus vor Osopo eintraf, bei einem Scharmützel mit Bauern ihm das Pferd
unterm Leibe erschossen worden sei. "In diesem Augenblick verlor er eine
Reliquie, die er aus Devotion bei sich trug, was ihm von schlimmster Vor¬
bedeutung erschien." Es liegt nahe, bei dieser "Reliquie" an den Ring zu


Die Moderne in der Wissenschaft

geschlossen wurde, schenkte man ihm die Freiheit nicht. Zuweilen war er der
Verzweiflung nahe, einmal wollte er „mit dem^Kopf gegen die Wand rennen
und sterben," auch machte er einen Fluchtversuch, der vereitelt wurde. End¬
lich, am 6. Januar 1519, wurde er an den französischen König ausgeliefert
und in das Kastell von Mailand gebracht. Seine Gemahlin, die sast immer
krank gewesen war, zuletzt auch nicht mehr bei ihm gewohnt hatte, folgte ihm
auch nach Mailand und starb dort am 4. September 1519. Wenige
Wochen darauf, im Oktober 1519, floh er aus dem Mailänder Kastell und
entkam glücklich nach seiner Heimat Kroatien. In einem langen Schlußkapitel,
das nach dem vorausgegangnen nicht mehr fesselt, belehrt uns der Verfasser
noch umständlich über die Rolle, die Frangipani später im Türkenkriege ge¬
spielt hat; dort fand er bei der Belagerung von Warasdin im September 1527
seinen Tod.

Aber der Ring! Wo bleibt der Ring? Geduld, er kommt schon. Unter
den Briefen, die Frangipani und seine Gemahlin im Jahre 1515 mit einander
gewechselt haben, ist auch ein Brief von ihr aus Blaiburg vom 21. März,
die Antwort auf einen Brief, den er am 13. Februar aus der Torresella an
sie geschrieben hat. Er hat sie wiederholt gebeten, ihn mit Bettwüsche und
Kleidungsstücken zu versorgen, und sie antwortet ihm nun auf diese Bitten.
Vorher aber schreibt sie: „Was den Ring betrifft, gnädigster und geliebtester
Gemahl, so meine ich, daß der Ring, den Messer Zuan Stefano Maza er¬
halten hat, ein wenig enger gemacht werden müßte, als es der alte Ring war,
und darauf die Inschrift gesetzt werden, die auf dem Bande des Ringes
innen und außen war, die Worte, die die Antwort geben auf die Worte, die
mir Ew. Herrlichkeit auf dem andern Ringe geschickt haben, den ich trage. Es
verlangt mich, Ew. Herrlichkeit den Ring zu schicken, damit ihn Ew. Herrlich¬
keit aus Liebe zu mir und zum Andenken an mich tragen, und wenn es be¬
liebt, bitte ich, das dort machen zu lassen, da es hier keinen guten Gold¬
schmied giebt." Der alte Ring, von dem Apollonia hier schreibt, der alte
Ring, der zu weit war, den ihr Gemahl infolgedessen offenbar verloren hatte
und für den sie ihm jetzt durch Messer Maza Ersatz schickt, das soll der
Ring sein, der im Januar 1892 in der Nähe von Prata bei Pardenone ge¬
funden worden ist!

Ganz sicher, ganz über jeden Zweifel erhaben ist die Sache nicht, und
der Verfasser ist ehrlich genug, auf die Schwierigkeiten, die übrig bleiben,
selbst aufmerksam zu machen. In dem erwähnten viario al?orÄ<zu0ng steht,
daß am 15. Februar 1514, an demselben Tage, wo Frangipani von Udine
aus vor Osopo eintraf, bei einem Scharmützel mit Bauern ihm das Pferd
unterm Leibe erschossen worden sei. „In diesem Augenblick verlor er eine
Reliquie, die er aus Devotion bei sich trug, was ihm von schlimmster Vor¬
bedeutung erschien." Es liegt nahe, bei dieser „Reliquie" an den Ring zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/29>, abgerufen am 22.07.2024.