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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die Moderne in der Wissenschaft

und gefangen genommen. Am 9. Juni traf der gefürchtete Feind als Ge¬
fangner in Venedig ein.

Er wurde in die Torresella, das Gefängnis der Vornehmen im Dogen-
Palast, gebracht und dort gut gehalten, wenigstens nach den Briefen, die er
an seine Verwandten schreiben durfte, und in denen er nicht müde wird, die
^durchlauchtigste Signoria" zu preisen für die gütige und menschliche Be¬
handlung, die sie ihm zu teil werdeu lasse. Freilich mußten die Seinigen für
seinen Unterhalt aufkommen und ihn reichlich mit Geld versorgen. "Und
wäre ich in dem schönsten Gemach -- schreibt er Ende August 1514 anheimelt
Bruder --, ohne zu essen, würde ich übel dran sein." Inzwischen tröstete er
sich mit der Hoffnung auf baldigen Frieden und baldige Befreiung. Aber es
vorging Monat auf Monat, und seine Hoffnung wurde nicht erfüllt. Kaiser Max
schien nichts für ihn thun zu können oder zu wollen. Sogar der Antrag des
Vartolommeo d'Alviano, Frcmgipcmi gegen vornehme Venezianer auszutauschen,
die sich in deutscher Gefangenschaft befanden, wurde wiederholt von der
Signoria abgelehnt. Der Krieg ging weiter, und solange er dauerte, war
nicht daran zu denken, daß die Venezianer einen so wichtigen Gefangnen los¬
geben würden. Es vergingen die Jahre 1515 und 151"? -- alle Bemühungen
für seine Befreiung waren vergeblich.

. Da leuchtete in sein dunkles Geschick ein freundlicher Lichtstrahl. Graf
Frangipani war im Dezember 1513 als junger Ehemann ins Feld gezogen;
er hatte sich im April 1513 vermählt mit Apollonia Lang, einer Schwester
des Kardinals von Gurk, Matthäus Lang. Sie war eine Augsburgerin, war
jung als Hoffräulein an den kaiserlichen Hof in Innsbruck gekommen, wahr¬
scheinlich auf Betrieb Kaiser Maximilians selbst, der sie 1500 in Augsburg
gesehen und sich in sie verliebt hatte, war dann 1503 an einen Grafen Julian
von Lodron vermählt worden, hatte an dessen Seite einige Jahre in Kärnten
gelebt, war aber schon seit 1510 Witwe gewesen und hatte nun Frangipani
ihre Hand gereicht. Als Frangipani ins Feld zog, ließ er sie auf ihrem Schloß
in Körnten zurück. Als er daun bei Osopo verwundet worden war, eilte sie
herbei und pflegte ihn in Gradiska. Seit seiner Gefangennahme waren sie
getrennt. Zwar hatte Apollonia wiederholte Versuche gemacht, sich in Venedig die
Erlaubnis auszuwirken, ihren Gemahl in der Gefangenschaft zu besuchen.
Selbst an den freundlichen Vorsteher der Torresella, Dandolo, hatte sie sich
gewandt. "O leiht mir -- schreibt sie ihm im Februar 1515 -- Eure väter¬
liche Hilfe, daß es mir vergönnt werde, endlich die Gegenwart des so oft
ersehnten Gemahls zu genießen und damit das so geängstete und zerschlagne
Herz zu erquicken. Sollte es aber den erhabnen Häuptern und Räten des
Rates der Zehn allzu gewagt und bedenklich erscheinen, unsre Bitte zu er¬
füllen, weil sie unser freies Kommen und Gehen sür verdächtig halten und
befürchten, wir möchten dabei auf etwas schlimmes sinnen, so mögen sie doch,


Die Moderne in der Wissenschaft

und gefangen genommen. Am 9. Juni traf der gefürchtete Feind als Ge¬
fangner in Venedig ein.

Er wurde in die Torresella, das Gefängnis der Vornehmen im Dogen-
Palast, gebracht und dort gut gehalten, wenigstens nach den Briefen, die er
an seine Verwandten schreiben durfte, und in denen er nicht müde wird, die
^durchlauchtigste Signoria" zu preisen für die gütige und menschliche Be¬
handlung, die sie ihm zu teil werdeu lasse. Freilich mußten die Seinigen für
seinen Unterhalt aufkommen und ihn reichlich mit Geld versorgen. „Und
wäre ich in dem schönsten Gemach — schreibt er Ende August 1514 anheimelt
Bruder —, ohne zu essen, würde ich übel dran sein." Inzwischen tröstete er
sich mit der Hoffnung auf baldigen Frieden und baldige Befreiung. Aber es
vorging Monat auf Monat, und seine Hoffnung wurde nicht erfüllt. Kaiser Max
schien nichts für ihn thun zu können oder zu wollen. Sogar der Antrag des
Vartolommeo d'Alviano, Frcmgipcmi gegen vornehme Venezianer auszutauschen,
die sich in deutscher Gefangenschaft befanden, wurde wiederholt von der
Signoria abgelehnt. Der Krieg ging weiter, und solange er dauerte, war
nicht daran zu denken, daß die Venezianer einen so wichtigen Gefangnen los¬
geben würden. Es vergingen die Jahre 1515 und 151«? — alle Bemühungen
für seine Befreiung waren vergeblich.

. Da leuchtete in sein dunkles Geschick ein freundlicher Lichtstrahl. Graf
Frangipani war im Dezember 1513 als junger Ehemann ins Feld gezogen;
er hatte sich im April 1513 vermählt mit Apollonia Lang, einer Schwester
des Kardinals von Gurk, Matthäus Lang. Sie war eine Augsburgerin, war
jung als Hoffräulein an den kaiserlichen Hof in Innsbruck gekommen, wahr¬
scheinlich auf Betrieb Kaiser Maximilians selbst, der sie 1500 in Augsburg
gesehen und sich in sie verliebt hatte, war dann 1503 an einen Grafen Julian
von Lodron vermählt worden, hatte an dessen Seite einige Jahre in Kärnten
gelebt, war aber schon seit 1510 Witwe gewesen und hatte nun Frangipani
ihre Hand gereicht. Als Frangipani ins Feld zog, ließ er sie auf ihrem Schloß
in Körnten zurück. Als er daun bei Osopo verwundet worden war, eilte sie
herbei und pflegte ihn in Gradiska. Seit seiner Gefangennahme waren sie
getrennt. Zwar hatte Apollonia wiederholte Versuche gemacht, sich in Venedig die
Erlaubnis auszuwirken, ihren Gemahl in der Gefangenschaft zu besuchen.
Selbst an den freundlichen Vorsteher der Torresella, Dandolo, hatte sie sich
gewandt. „O leiht mir — schreibt sie ihm im Februar 1515 — Eure väter¬
liche Hilfe, daß es mir vergönnt werde, endlich die Gegenwart des so oft
ersehnten Gemahls zu genießen und damit das so geängstete und zerschlagne
Herz zu erquicken. Sollte es aber den erhabnen Häuptern und Räten des
Rates der Zehn allzu gewagt und bedenklich erscheinen, unsre Bitte zu er¬
füllen, weil sie unser freies Kommen und Gehen sür verdächtig halten und
befürchten, wir möchten dabei auf etwas schlimmes sinnen, so mögen sie doch,


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[0027] Die Moderne in der Wissenschaft und gefangen genommen. Am 9. Juni traf der gefürchtete Feind als Ge¬ fangner in Venedig ein. Er wurde in die Torresella, das Gefängnis der Vornehmen im Dogen- Palast, gebracht und dort gut gehalten, wenigstens nach den Briefen, die er an seine Verwandten schreiben durfte, und in denen er nicht müde wird, die ^durchlauchtigste Signoria" zu preisen für die gütige und menschliche Be¬ handlung, die sie ihm zu teil werdeu lasse. Freilich mußten die Seinigen für seinen Unterhalt aufkommen und ihn reichlich mit Geld versorgen. „Und wäre ich in dem schönsten Gemach — schreibt er Ende August 1514 anheimelt Bruder —, ohne zu essen, würde ich übel dran sein." Inzwischen tröstete er sich mit der Hoffnung auf baldigen Frieden und baldige Befreiung. Aber es vorging Monat auf Monat, und seine Hoffnung wurde nicht erfüllt. Kaiser Max schien nichts für ihn thun zu können oder zu wollen. Sogar der Antrag des Vartolommeo d'Alviano, Frcmgipcmi gegen vornehme Venezianer auszutauschen, die sich in deutscher Gefangenschaft befanden, wurde wiederholt von der Signoria abgelehnt. Der Krieg ging weiter, und solange er dauerte, war nicht daran zu denken, daß die Venezianer einen so wichtigen Gefangnen los¬ geben würden. Es vergingen die Jahre 1515 und 151«? — alle Bemühungen für seine Befreiung waren vergeblich. . Da leuchtete in sein dunkles Geschick ein freundlicher Lichtstrahl. Graf Frangipani war im Dezember 1513 als junger Ehemann ins Feld gezogen; er hatte sich im April 1513 vermählt mit Apollonia Lang, einer Schwester des Kardinals von Gurk, Matthäus Lang. Sie war eine Augsburgerin, war jung als Hoffräulein an den kaiserlichen Hof in Innsbruck gekommen, wahr¬ scheinlich auf Betrieb Kaiser Maximilians selbst, der sie 1500 in Augsburg gesehen und sich in sie verliebt hatte, war dann 1503 an einen Grafen Julian von Lodron vermählt worden, hatte an dessen Seite einige Jahre in Kärnten gelebt, war aber schon seit 1510 Witwe gewesen und hatte nun Frangipani ihre Hand gereicht. Als Frangipani ins Feld zog, ließ er sie auf ihrem Schloß in Körnten zurück. Als er daun bei Osopo verwundet worden war, eilte sie herbei und pflegte ihn in Gradiska. Seit seiner Gefangennahme waren sie getrennt. Zwar hatte Apollonia wiederholte Versuche gemacht, sich in Venedig die Erlaubnis auszuwirken, ihren Gemahl in der Gefangenschaft zu besuchen. Selbst an den freundlichen Vorsteher der Torresella, Dandolo, hatte sie sich gewandt. „O leiht mir — schreibt sie ihm im Februar 1515 — Eure väter¬ liche Hilfe, daß es mir vergönnt werde, endlich die Gegenwart des so oft ersehnten Gemahls zu genießen und damit das so geängstete und zerschlagne Herz zu erquicken. Sollte es aber den erhabnen Häuptern und Räten des Rates der Zehn allzu gewagt und bedenklich erscheinen, unsre Bitte zu er¬ füllen, weil sie unser freies Kommen und Gehen sür verdächtig halten und befürchten, wir möchten dabei auf etwas schlimmes sinnen, so mögen sie doch,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/27>, abgerufen am 22.07.2024.