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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Freiheit für die evangelische Kirche

Was aber das andre Recht der evangelischen Kirche anlangt, solchen die
Aufnahme zu verweigern, die nicht auf ihrem Bekenntnisstandpunkte stehen, so
möchte ich es ganz besonders auf die angewendet sehen, die noch nicht dazu
gelangt sind, also aus die heranwachsende Jugend. Um gleich zu sagen, wo
ich hinaus will: dieses Recht, natürlich angewendet, führt zur Verwerfung der
Kindertaufe. Die Taufe hat nach den Einsetzungsworten*) und nach ihrer
Stellung in der Kirche der ersten Jahrhunderte eine doppelte Bedeutung;
zunächst eine mystische: sie ist das Sakrament, durch die der gläubig gewordne
in das Wesen, in die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes aufgenommen wird;
und daun eine mehr praktische, sie ist die heilige Handlung, durch die die Auf¬
nahme in die Gemeinde vollzogen wird. Für beide Bedeutungen gilt die
Voraussetzung, daß der Täufling nicht nur in allem unterwiesen ist, was
Christus seinen Jüngern aufgetragen hat, sondern auch, daß er sich auf Grund
dieser Unterweisung eine Überzeugung gebildet hat, die mit der der Gemeinde
übereinstimmt, und der er vor der Taufe durch sein Taufbekenntnis (aus dem
bekanntlich das Apostolikum hervorgewachsen ist) Ausdruck giebt. Diese
Voraussetzung kommt natürlich bei der Kindertaufe in keiner Weise zur Gel¬
tung. Trotzdem ist die Kindertaufe schon in frühen Zeiten nachweisbar.**) Aber
sie ist doch damals nicht mehr gewesen als ein Gebrauch, der zugelassen wurde.
>in unsern Tagen ist sie die Regel geworden, so sehr, daß von der Kirche ein
Druck auf die ausgeübt wird, die ihre Kinder nicht innerhalb einer gewissen
Frist taufen lassen. Das hängt ohne Zweifel mit dem von dem christlich sein
wollenden Staate ausgehenden Bestreben zusammen, alle zukünftigen Bürger
so bald als möglich und noch zu einer Zeit, wo sie handlungsunfähig sind, in
die Staatskirche aufzunehmen, während dafür ursprünglich nur der Wunsch der
christlichen Eltern maßgebend war, ihre Kinder so frühzeitig als möglich in
die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen zu sehen, deren Segen sie selbst em¬
pfanden. Dieser Gebrauch der Kindertaufe nun, der -- selbst in der Allge¬
meinheit seiner Anwendung --- unter der Herrschaft der katholischen Kirche als
Staatskirche zulässig war, steht doch wieder in schroffem Gegensatze zu dem
Grundzuge der evangelischen Kirche als Bekenntniskirche. Daß dabei das
stellvertretende Glaubensbekenntnis der Taufpaten im allgemeinen, im besondern
aber bei der heute bei hoch und niedrig üblichen Auffassung des Patenamts,
eine wertlose Einbildung ist, bedarf wohl nicht der Erörterung. Daß nun der
Gebrauch der Kindertaufe mit in die evangelische Kirche herübergenommen und




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Ob im Neuen Testamente (z. B. Apostelgeschichte 16, 15 und 33) schon Kindertaufe
bezeugt sei, ist streitig; es handelt sich dabei darum, wer unter und in der andern
Stelle unter zu verstehen ist.
Freiheit für die evangelische Kirche

Was aber das andre Recht der evangelischen Kirche anlangt, solchen die
Aufnahme zu verweigern, die nicht auf ihrem Bekenntnisstandpunkte stehen, so
möchte ich es ganz besonders auf die angewendet sehen, die noch nicht dazu
gelangt sind, also aus die heranwachsende Jugend. Um gleich zu sagen, wo
ich hinaus will: dieses Recht, natürlich angewendet, führt zur Verwerfung der
Kindertaufe. Die Taufe hat nach den Einsetzungsworten*) und nach ihrer
Stellung in der Kirche der ersten Jahrhunderte eine doppelte Bedeutung;
zunächst eine mystische: sie ist das Sakrament, durch die der gläubig gewordne
in das Wesen, in die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes aufgenommen wird;
und daun eine mehr praktische, sie ist die heilige Handlung, durch die die Auf¬
nahme in die Gemeinde vollzogen wird. Für beide Bedeutungen gilt die
Voraussetzung, daß der Täufling nicht nur in allem unterwiesen ist, was
Christus seinen Jüngern aufgetragen hat, sondern auch, daß er sich auf Grund
dieser Unterweisung eine Überzeugung gebildet hat, die mit der der Gemeinde
übereinstimmt, und der er vor der Taufe durch sein Taufbekenntnis (aus dem
bekanntlich das Apostolikum hervorgewachsen ist) Ausdruck giebt. Diese
Voraussetzung kommt natürlich bei der Kindertaufe in keiner Weise zur Gel¬
tung. Trotzdem ist die Kindertaufe schon in frühen Zeiten nachweisbar.**) Aber
sie ist doch damals nicht mehr gewesen als ein Gebrauch, der zugelassen wurde.
>in unsern Tagen ist sie die Regel geworden, so sehr, daß von der Kirche ein
Druck auf die ausgeübt wird, die ihre Kinder nicht innerhalb einer gewissen
Frist taufen lassen. Das hängt ohne Zweifel mit dem von dem christlich sein
wollenden Staate ausgehenden Bestreben zusammen, alle zukünftigen Bürger
so bald als möglich und noch zu einer Zeit, wo sie handlungsunfähig sind, in
die Staatskirche aufzunehmen, während dafür ursprünglich nur der Wunsch der
christlichen Eltern maßgebend war, ihre Kinder so frühzeitig als möglich in
die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen zu sehen, deren Segen sie selbst em¬
pfanden. Dieser Gebrauch der Kindertaufe nun, der — selbst in der Allge¬
meinheit seiner Anwendung —- unter der Herrschaft der katholischen Kirche als
Staatskirche zulässig war, steht doch wieder in schroffem Gegensatze zu dem
Grundzuge der evangelischen Kirche als Bekenntniskirche. Daß dabei das
stellvertretende Glaubensbekenntnis der Taufpaten im allgemeinen, im besondern
aber bei der heute bei hoch und niedrig üblichen Auffassung des Patenamts,
eine wertlose Einbildung ist, bedarf wohl nicht der Erörterung. Daß nun der
Gebrauch der Kindertaufe mit in die evangelische Kirche herübergenommen und




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Ob im Neuen Testamente (z. B. Apostelgeschichte 16, 15 und 33) schon Kindertaufe
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[0019] Freiheit für die evangelische Kirche Was aber das andre Recht der evangelischen Kirche anlangt, solchen die Aufnahme zu verweigern, die nicht auf ihrem Bekenntnisstandpunkte stehen, so möchte ich es ganz besonders auf die angewendet sehen, die noch nicht dazu gelangt sind, also aus die heranwachsende Jugend. Um gleich zu sagen, wo ich hinaus will: dieses Recht, natürlich angewendet, führt zur Verwerfung der Kindertaufe. Die Taufe hat nach den Einsetzungsworten*) und nach ihrer Stellung in der Kirche der ersten Jahrhunderte eine doppelte Bedeutung; zunächst eine mystische: sie ist das Sakrament, durch die der gläubig gewordne in das Wesen, in die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes aufgenommen wird; und daun eine mehr praktische, sie ist die heilige Handlung, durch die die Auf¬ nahme in die Gemeinde vollzogen wird. Für beide Bedeutungen gilt die Voraussetzung, daß der Täufling nicht nur in allem unterwiesen ist, was Christus seinen Jüngern aufgetragen hat, sondern auch, daß er sich auf Grund dieser Unterweisung eine Überzeugung gebildet hat, die mit der der Gemeinde übereinstimmt, und der er vor der Taufe durch sein Taufbekenntnis (aus dem bekanntlich das Apostolikum hervorgewachsen ist) Ausdruck giebt. Diese Voraussetzung kommt natürlich bei der Kindertaufe in keiner Weise zur Gel¬ tung. Trotzdem ist die Kindertaufe schon in frühen Zeiten nachweisbar.**) Aber sie ist doch damals nicht mehr gewesen als ein Gebrauch, der zugelassen wurde. >in unsern Tagen ist sie die Regel geworden, so sehr, daß von der Kirche ein Druck auf die ausgeübt wird, die ihre Kinder nicht innerhalb einer gewissen Frist taufen lassen. Das hängt ohne Zweifel mit dem von dem christlich sein wollenden Staate ausgehenden Bestreben zusammen, alle zukünftigen Bürger so bald als möglich und noch zu einer Zeit, wo sie handlungsunfähig sind, in die Staatskirche aufzunehmen, während dafür ursprünglich nur der Wunsch der christlichen Eltern maßgebend war, ihre Kinder so frühzeitig als möglich in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen zu sehen, deren Segen sie selbst em¬ pfanden. Dieser Gebrauch der Kindertaufe nun, der — selbst in der Allge¬ meinheit seiner Anwendung —- unter der Herrschaft der katholischen Kirche als Staatskirche zulässig war, steht doch wieder in schroffem Gegensatze zu dem Grundzuge der evangelischen Kirche als Bekenntniskirche. Daß dabei das stellvertretende Glaubensbekenntnis der Taufpaten im allgemeinen, im besondern aber bei der heute bei hoch und niedrig üblichen Auffassung des Patenamts, eine wertlose Einbildung ist, bedarf wohl nicht der Erörterung. Daß nun der Gebrauch der Kindertaufe mit in die evangelische Kirche herübergenommen und »»v/»« 50" ör«?4>ox --«!, vK»S -roL ?r^co^««?os, FtFasscov-r-xx «vrovs ör«»^« so-a 6»-«?««^«^«, v/»^. Ob im Neuen Testamente (z. B. Apostelgeschichte 16, 15 und 33) schon Kindertaufe bezeugt sei, ist streitig; es handelt sich dabei darum, wer unter und in der andern Stelle unter zu verstehen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/19>, abgerufen am 22.07.2024.