Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht das Recht, sie zu verwerfe", ohne demgemäß zu handeln. Auch Bis-
marck war einmal der Meinung, die Sozialdemokratie sei kein notwendigen,
sondern ein recht überflüssiges Übel. Da aber ließ er der Erkenntnis die
That auf dem Fuße folgen, und setzte seine ganze willensgewaltige Persön¬
lichkeit ein, das Übel zu unterdrücken. Nun denn, wenn die Reichsregieruug
so fest davon überzeugt ist, die antisemitische Agitation sei ein so gemein¬
gefährliches Übel, wie Herr von Caprivi behauptet hat, dann handelt die
Regierung unverantwortlich, wenn sie dieses Übel auch uur einen Tag länger
fortwuchern läßt. Lieber würden wir es sehen, wenn die Männer der Re¬
gierung fähig wären, die Leitung der Bewegung in die Hand zu nehmen.
Können und wollen sie das aber nicht, dann haben sie die Pflicht, sich der
Bewegung mit aller Kraft entgegenzustemmen. Denn alle Thätigkeit, auch die
bloß verneinende, kauu gute Früchte tragen, mir an der Unthätigkeit haftet
der Fluch der Unfruchtbarkeit. Dem Antisemitismus könnte es kaum etwas
schaden, wenn er in die harte Schule von Äusnahmevcrordnuugen genommen
würde. Da mußte es sich bald zeigen, ob sein Kern lebensfähig ist oder
nicht. Ist er es, so wird er geläutert aus dieser Schule hervorgehen. Ohne
Zweifel würde das Vorgehen der Regierung gegen den Antisemitismus einen
Kampf heraufbeschwören, der unser Volk im Innersten erschüttern würde.
Aber wenn eine friedliche Entwicklung nicht möglich ist -- und sie ist nicht
möglich, wenn die Regierung die Führung der Bewegung nicht übernehmen
will --, so ist ein ehrlicher Kampf immer noch besser als die faule Ruhe, die
nur die Angstmeier nicht gestört habe" wollen. Die Regierung möge also
den Fehdehandschuh hinwerfen, wir glauben, er wird ohne Zögern ausgenommen
werden. Nur mit ihren Klageliedern über Beunruhigung und Unzufriedenheit
möge sie uus endlich verschonen. Wer am sausenden Webstuhl der Zeit ar¬
beitet, dein schenkt man das Reden gern, wenn er uns uur Thaten sehen läßt.




Mehr Kreuzer!
Georg wislicenus von

le das Heer die Landherrschaft sichert, so soll die Flotte die See
beherrschen oder doch wenigstens die Seewege freihalten und be¬
schützen, damit nicht dem Baterlande die Zufuhr über See ab¬
geschnitten werden, das schwimmende Eigentum der Landsleute
nicht vom Feinde gekapert werden kann.
Diese Aufgabe der Flotte ist groß und schwierig; denn sie liegt auf einem


nicht das Recht, sie zu verwerfe», ohne demgemäß zu handeln. Auch Bis-
marck war einmal der Meinung, die Sozialdemokratie sei kein notwendigen,
sondern ein recht überflüssiges Übel. Da aber ließ er der Erkenntnis die
That auf dem Fuße folgen, und setzte seine ganze willensgewaltige Persön¬
lichkeit ein, das Übel zu unterdrücken. Nun denn, wenn die Reichsregieruug
so fest davon überzeugt ist, die antisemitische Agitation sei ein so gemein¬
gefährliches Übel, wie Herr von Caprivi behauptet hat, dann handelt die
Regierung unverantwortlich, wenn sie dieses Übel auch uur einen Tag länger
fortwuchern läßt. Lieber würden wir es sehen, wenn die Männer der Re¬
gierung fähig wären, die Leitung der Bewegung in die Hand zu nehmen.
Können und wollen sie das aber nicht, dann haben sie die Pflicht, sich der
Bewegung mit aller Kraft entgegenzustemmen. Denn alle Thätigkeit, auch die
bloß verneinende, kauu gute Früchte tragen, mir an der Unthätigkeit haftet
der Fluch der Unfruchtbarkeit. Dem Antisemitismus könnte es kaum etwas
schaden, wenn er in die harte Schule von Äusnahmevcrordnuugen genommen
würde. Da mußte es sich bald zeigen, ob sein Kern lebensfähig ist oder
nicht. Ist er es, so wird er geläutert aus dieser Schule hervorgehen. Ohne
Zweifel würde das Vorgehen der Regierung gegen den Antisemitismus einen
Kampf heraufbeschwören, der unser Volk im Innersten erschüttern würde.
Aber wenn eine friedliche Entwicklung nicht möglich ist — und sie ist nicht
möglich, wenn die Regierung die Führung der Bewegung nicht übernehmen
will —, so ist ein ehrlicher Kampf immer noch besser als die faule Ruhe, die
nur die Angstmeier nicht gestört habe» wollen. Die Regierung möge also
den Fehdehandschuh hinwerfen, wir glauben, er wird ohne Zögern ausgenommen
werden. Nur mit ihren Klageliedern über Beunruhigung und Unzufriedenheit
möge sie uus endlich verschonen. Wer am sausenden Webstuhl der Zeit ar¬
beitet, dein schenkt man das Reden gern, wenn er uns uur Thaten sehen läßt.




Mehr Kreuzer!
Georg wislicenus von

le das Heer die Landherrschaft sichert, so soll die Flotte die See
beherrschen oder doch wenigstens die Seewege freihalten und be¬
schützen, damit nicht dem Baterlande die Zufuhr über See ab¬
geschnitten werden, das schwimmende Eigentum der Landsleute
nicht vom Feinde gekapert werden kann.
Diese Aufgabe der Flotte ist groß und schwierig; denn sie liegt auf einem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0565" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/216289"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2170" prev="#ID_2169"> nicht das Recht, sie zu verwerfe», ohne demgemäß zu handeln. Auch Bis-<lb/>
marck war einmal der Meinung, die Sozialdemokratie sei kein notwendigen,<lb/>
sondern ein recht überflüssiges Übel. Da aber ließ er der Erkenntnis die<lb/>
That auf dem Fuße folgen, und setzte seine ganze willensgewaltige Persön¬<lb/>
lichkeit ein, das Übel zu unterdrücken. Nun denn, wenn die Reichsregieruug<lb/>
so fest davon überzeugt ist, die antisemitische Agitation sei ein so gemein¬<lb/>
gefährliches Übel, wie Herr von Caprivi behauptet hat, dann handelt die<lb/>
Regierung unverantwortlich, wenn sie dieses Übel auch uur einen Tag länger<lb/>
fortwuchern läßt. Lieber würden wir es sehen, wenn die Männer der Re¬<lb/>
gierung fähig wären, die Leitung der Bewegung in die Hand zu nehmen.<lb/>
Können und wollen sie das aber nicht, dann haben sie die Pflicht, sich der<lb/>
Bewegung mit aller Kraft entgegenzustemmen. Denn alle Thätigkeit, auch die<lb/>
bloß verneinende, kauu gute Früchte tragen, mir an der Unthätigkeit haftet<lb/>
der Fluch der Unfruchtbarkeit. Dem Antisemitismus könnte es kaum etwas<lb/>
schaden, wenn er in die harte Schule von Äusnahmevcrordnuugen genommen<lb/>
würde. Da mußte es sich bald zeigen, ob sein Kern lebensfähig ist oder<lb/>
nicht. Ist er es, so wird er geläutert aus dieser Schule hervorgehen. Ohne<lb/>
Zweifel würde das Vorgehen der Regierung gegen den Antisemitismus einen<lb/>
Kampf heraufbeschwören, der unser Volk im Innersten erschüttern würde.<lb/>
Aber wenn eine friedliche Entwicklung nicht möglich ist &#x2014; und sie ist nicht<lb/>
möglich, wenn die Regierung die Führung der Bewegung nicht übernehmen<lb/>
will &#x2014;, so ist ein ehrlicher Kampf immer noch besser als die faule Ruhe, die<lb/>
nur die Angstmeier nicht gestört habe» wollen. Die Regierung möge also<lb/>
den Fehdehandschuh hinwerfen, wir glauben, er wird ohne Zögern ausgenommen<lb/>
werden. Nur mit ihren Klageliedern über Beunruhigung und Unzufriedenheit<lb/>
möge sie uus endlich verschonen. Wer am sausenden Webstuhl der Zeit ar¬<lb/>
beitet, dein schenkt man das Reden gern, wenn er uns uur Thaten sehen läßt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Mehr Kreuzer!<lb/><note type="byline"> Georg wislicenus</note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_2171" next="#ID_2172"> le das Heer die Landherrschaft sichert, so soll die Flotte die See<lb/>
beherrschen oder doch wenigstens die Seewege freihalten und be¬<lb/>
schützen, damit nicht dem Baterlande die Zufuhr über See ab¬<lb/>
geschnitten werden, das schwimmende Eigentum der Landsleute<lb/>
nicht vom Feinde gekapert werden kann.<lb/>
Diese Aufgabe der Flotte ist groß und schwierig; denn sie liegt auf einem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0565] nicht das Recht, sie zu verwerfe», ohne demgemäß zu handeln. Auch Bis- marck war einmal der Meinung, die Sozialdemokratie sei kein notwendigen, sondern ein recht überflüssiges Übel. Da aber ließ er der Erkenntnis die That auf dem Fuße folgen, und setzte seine ganze willensgewaltige Persön¬ lichkeit ein, das Übel zu unterdrücken. Nun denn, wenn die Reichsregieruug so fest davon überzeugt ist, die antisemitische Agitation sei ein so gemein¬ gefährliches Übel, wie Herr von Caprivi behauptet hat, dann handelt die Regierung unverantwortlich, wenn sie dieses Übel auch uur einen Tag länger fortwuchern läßt. Lieber würden wir es sehen, wenn die Männer der Re¬ gierung fähig wären, die Leitung der Bewegung in die Hand zu nehmen. Können und wollen sie das aber nicht, dann haben sie die Pflicht, sich der Bewegung mit aller Kraft entgegenzustemmen. Denn alle Thätigkeit, auch die bloß verneinende, kauu gute Früchte tragen, mir an der Unthätigkeit haftet der Fluch der Unfruchtbarkeit. Dem Antisemitismus könnte es kaum etwas schaden, wenn er in die harte Schule von Äusnahmevcrordnuugen genommen würde. Da mußte es sich bald zeigen, ob sein Kern lebensfähig ist oder nicht. Ist er es, so wird er geläutert aus dieser Schule hervorgehen. Ohne Zweifel würde das Vorgehen der Regierung gegen den Antisemitismus einen Kampf heraufbeschwören, der unser Volk im Innersten erschüttern würde. Aber wenn eine friedliche Entwicklung nicht möglich ist — und sie ist nicht möglich, wenn die Regierung die Führung der Bewegung nicht übernehmen will —, so ist ein ehrlicher Kampf immer noch besser als die faule Ruhe, die nur die Angstmeier nicht gestört habe» wollen. Die Regierung möge also den Fehdehandschuh hinwerfen, wir glauben, er wird ohne Zögern ausgenommen werden. Nur mit ihren Klageliedern über Beunruhigung und Unzufriedenheit möge sie uus endlich verschonen. Wer am sausenden Webstuhl der Zeit ar¬ beitet, dein schenkt man das Reden gern, wenn er uns uur Thaten sehen läßt. Mehr Kreuzer! Georg wislicenus von le das Heer die Landherrschaft sichert, so soll die Flotte die See beherrschen oder doch wenigstens die Seewege freihalten und be¬ schützen, damit nicht dem Baterlande die Zufuhr über See ab¬ geschnitten werden, das schwimmende Eigentum der Landsleute nicht vom Feinde gekapert werden kann. Diese Aufgabe der Flotte ist groß und schwierig; denn sie liegt auf einem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/565
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/565>, abgerufen am 04.07.2024.