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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Bach und ZVindischgrätz

und gewühlte bürgerliche Vertretung -- erkannte er als gesetzliche Behörde
an, nicht den Reichstag, der längst ein Rumpfparlament war und sich seit dem
6. Oktober Exekutivgewalt angemaßt hatte, nicht das Zentralkomitee der demo¬
kratischen Vereine, noch den Studentenausschuß, die sich beide zu Leitern der
städtischen Bewegung aufgeworfen hatten. Nach fünftägiger Belagerung er¬
schien denn anch eine Deputation des Gemeinderath im Lager des Fürsten,
um die Unterwerfung der Stadt anzuzeigen. Aber in Wien erhoben sich hinter
ihrem Rücken die radikalen Elemente noch einmal und erzwangen einen
Bruch der schon geschlossenen Kapitulation: die schwarzgelbe Fahne, die der
Forderung des Belagerers gemäß auf dem Stephausturm aufgezogen werden
sollte, wurde in tausend Fetzen zerrissen. Nun ließ Windischgrütz die Stadt
erstürmen, am Abend desselben Tages, am 31. Oktober 1848, ward er ihrer
Herr. Daß über sie ein schweres Strafgericht ergehen mußte, war selbstver-
ständlich. Aber Windischgrütz ging mit Mäßigung vor, von einem "Blutbad,"
von dem hernach die Demokraten deklcimirten, war keine Rede, nur einige Hin¬
richtungen fanden statt, die städtischen Freiheiten wurden nicht angetastet.

Mit mehr Grund war der Name des verstorbnen Bach jahrzehntelang
mit dem Fluch der UnPopularität belastet. Zwar daß er in dem gührnngs-
reichen Jahre achtundvierzig seine politischen Ansichten ziemlich jäh und ent¬
schieden geändert hatte, bedeutet in unsern Augen nicht viel: einmalige Sinnes¬
änderung inmitten einer furchtbaren Krisis ist oft nicht ein Zeichen von Cha¬
rakterlosigkeit, sondern von Überlegung, von Belehrbarkeit. Bach war im Jahre
1848 einer der angesehensten Advokaten in Wien, er gehörte dem Advvkaten-
gremium und dem verstärkten ständischen Ausschuß an, der in den Mürztagen
mit dem Erzherzog Ludwig und andern Mitgliedern des Hofes unterhandelte,
um die Verleihung einer Konstitution zu erwirken. Wenn er da aufs eifrigste
gegen das absolutistische System sprach, so that er das auch ganz im Sinne
des gemäßigten Bürgertums: die Erhaltung der alten Zustände wollte ja nie¬
mand mehr. Daß dieser konstitutionellen Bewegung, die eigentlich nur auf
Wiedererlangung uralter Rechte, nicht auf revolutionäre Umgestaltung aus-
ging, eine andre, gefährlichere, radikalere folgen sollte, die Thron und Reich,
ja die gesellschaftlichen Ordnungen aufs ärgste bedrohte, trat damals noch nicht
zu Tage, wurde auch von Schärferblickeuden nicht erkannt oder im Enthusias¬
mus des Augenblicks übersehen. In dem Ministerium Wessenberg-Dvblhof,
in das Bach als Justizmimster eintrat, suchte er zuerst, dem revolutionären
Ursprung dieses Ministeriums gemäß, im Einvernehmen mit dein konstitnirende"
Reichstag zu wirken. Wenn er sich da in den Verhandlungen über die Ent¬
lastung des bäuerlichen Grundbesitzes für die Entschädigung aussprach, wenn
er das hart angefochtne Vetorecht der Krone gegenüber den Beschlüssen des
Reichstags verteidigte, so war dies noch kein Abfall von der konstitutionellen
Sache, und wir begreife" uicht, wie ein gemäßigt liberales Blatt-- und die


Bach und ZVindischgrätz

und gewühlte bürgerliche Vertretung — erkannte er als gesetzliche Behörde
an, nicht den Reichstag, der längst ein Rumpfparlament war und sich seit dem
6. Oktober Exekutivgewalt angemaßt hatte, nicht das Zentralkomitee der demo¬
kratischen Vereine, noch den Studentenausschuß, die sich beide zu Leitern der
städtischen Bewegung aufgeworfen hatten. Nach fünftägiger Belagerung er¬
schien denn anch eine Deputation des Gemeinderath im Lager des Fürsten,
um die Unterwerfung der Stadt anzuzeigen. Aber in Wien erhoben sich hinter
ihrem Rücken die radikalen Elemente noch einmal und erzwangen einen
Bruch der schon geschlossenen Kapitulation: die schwarzgelbe Fahne, die der
Forderung des Belagerers gemäß auf dem Stephausturm aufgezogen werden
sollte, wurde in tausend Fetzen zerrissen. Nun ließ Windischgrütz die Stadt
erstürmen, am Abend desselben Tages, am 31. Oktober 1848, ward er ihrer
Herr. Daß über sie ein schweres Strafgericht ergehen mußte, war selbstver-
ständlich. Aber Windischgrütz ging mit Mäßigung vor, von einem „Blutbad,"
von dem hernach die Demokraten deklcimirten, war keine Rede, nur einige Hin¬
richtungen fanden statt, die städtischen Freiheiten wurden nicht angetastet.

Mit mehr Grund war der Name des verstorbnen Bach jahrzehntelang
mit dem Fluch der UnPopularität belastet. Zwar daß er in dem gührnngs-
reichen Jahre achtundvierzig seine politischen Ansichten ziemlich jäh und ent¬
schieden geändert hatte, bedeutet in unsern Augen nicht viel: einmalige Sinnes¬
änderung inmitten einer furchtbaren Krisis ist oft nicht ein Zeichen von Cha¬
rakterlosigkeit, sondern von Überlegung, von Belehrbarkeit. Bach war im Jahre
1848 einer der angesehensten Advokaten in Wien, er gehörte dem Advvkaten-
gremium und dem verstärkten ständischen Ausschuß an, der in den Mürztagen
mit dem Erzherzog Ludwig und andern Mitgliedern des Hofes unterhandelte,
um die Verleihung einer Konstitution zu erwirken. Wenn er da aufs eifrigste
gegen das absolutistische System sprach, so that er das auch ganz im Sinne
des gemäßigten Bürgertums: die Erhaltung der alten Zustände wollte ja nie¬
mand mehr. Daß dieser konstitutionellen Bewegung, die eigentlich nur auf
Wiedererlangung uralter Rechte, nicht auf revolutionäre Umgestaltung aus-
ging, eine andre, gefährlichere, radikalere folgen sollte, die Thron und Reich,
ja die gesellschaftlichen Ordnungen aufs ärgste bedrohte, trat damals noch nicht
zu Tage, wurde auch von Schärferblickeuden nicht erkannt oder im Enthusias¬
mus des Augenblicks übersehen. In dem Ministerium Wessenberg-Dvblhof,
in das Bach als Justizmimster eintrat, suchte er zuerst, dem revolutionären
Ursprung dieses Ministeriums gemäß, im Einvernehmen mit dein konstitnirende»
Reichstag zu wirken. Wenn er sich da in den Verhandlungen über die Ent¬
lastung des bäuerlichen Grundbesitzes für die Entschädigung aussprach, wenn
er das hart angefochtne Vetorecht der Krone gegenüber den Beschlüssen des
Reichstags verteidigte, so war dies noch kein Abfall von der konstitutionellen
Sache, und wir begreife» uicht, wie ein gemäßigt liberales Blatt— und die


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[0466] Bach und ZVindischgrätz und gewühlte bürgerliche Vertretung — erkannte er als gesetzliche Behörde an, nicht den Reichstag, der längst ein Rumpfparlament war und sich seit dem 6. Oktober Exekutivgewalt angemaßt hatte, nicht das Zentralkomitee der demo¬ kratischen Vereine, noch den Studentenausschuß, die sich beide zu Leitern der städtischen Bewegung aufgeworfen hatten. Nach fünftägiger Belagerung er¬ schien denn anch eine Deputation des Gemeinderath im Lager des Fürsten, um die Unterwerfung der Stadt anzuzeigen. Aber in Wien erhoben sich hinter ihrem Rücken die radikalen Elemente noch einmal und erzwangen einen Bruch der schon geschlossenen Kapitulation: die schwarzgelbe Fahne, die der Forderung des Belagerers gemäß auf dem Stephausturm aufgezogen werden sollte, wurde in tausend Fetzen zerrissen. Nun ließ Windischgrütz die Stadt erstürmen, am Abend desselben Tages, am 31. Oktober 1848, ward er ihrer Herr. Daß über sie ein schweres Strafgericht ergehen mußte, war selbstver- ständlich. Aber Windischgrütz ging mit Mäßigung vor, von einem „Blutbad," von dem hernach die Demokraten deklcimirten, war keine Rede, nur einige Hin¬ richtungen fanden statt, die städtischen Freiheiten wurden nicht angetastet. Mit mehr Grund war der Name des verstorbnen Bach jahrzehntelang mit dem Fluch der UnPopularität belastet. Zwar daß er in dem gührnngs- reichen Jahre achtundvierzig seine politischen Ansichten ziemlich jäh und ent¬ schieden geändert hatte, bedeutet in unsern Augen nicht viel: einmalige Sinnes¬ änderung inmitten einer furchtbaren Krisis ist oft nicht ein Zeichen von Cha¬ rakterlosigkeit, sondern von Überlegung, von Belehrbarkeit. Bach war im Jahre 1848 einer der angesehensten Advokaten in Wien, er gehörte dem Advvkaten- gremium und dem verstärkten ständischen Ausschuß an, der in den Mürztagen mit dem Erzherzog Ludwig und andern Mitgliedern des Hofes unterhandelte, um die Verleihung einer Konstitution zu erwirken. Wenn er da aufs eifrigste gegen das absolutistische System sprach, so that er das auch ganz im Sinne des gemäßigten Bürgertums: die Erhaltung der alten Zustände wollte ja nie¬ mand mehr. Daß dieser konstitutionellen Bewegung, die eigentlich nur auf Wiedererlangung uralter Rechte, nicht auf revolutionäre Umgestaltung aus- ging, eine andre, gefährlichere, radikalere folgen sollte, die Thron und Reich, ja die gesellschaftlichen Ordnungen aufs ärgste bedrohte, trat damals noch nicht zu Tage, wurde auch von Schärferblickeuden nicht erkannt oder im Enthusias¬ mus des Augenblicks übersehen. In dem Ministerium Wessenberg-Dvblhof, in das Bach als Justizmimster eintrat, suchte er zuerst, dem revolutionären Ursprung dieses Ministeriums gemäß, im Einvernehmen mit dein konstitnirende» Reichstag zu wirken. Wenn er sich da in den Verhandlungen über die Ent¬ lastung des bäuerlichen Grundbesitzes für die Entschädigung aussprach, wenn er das hart angefochtne Vetorecht der Krone gegenüber den Beschlüssen des Reichstags verteidigte, so war dies noch kein Abfall von der konstitutionellen Sache, und wir begreife» uicht, wie ein gemäßigt liberales Blatt— und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/466>, abgerufen am 24.07.2024.