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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Bach und Windischgrätz

ii demselben Zeitungsblatt, das die Ernennung des Fürsten
Alfred Windischgrätz zum österreichischen Ministerpräsidenten ent¬
hielt, war auch die Nachricht von dem Tode des ehemaligen
Minister des Innern und der Justiz Dr. Alexander Bach zu
lesen. Beide Namen, der des neuen Mannes, wie der des längst
für die Welt abgestorbnen, bei dem man staunte, daß er noch am Leben sei,
erwecken eine Fülle historischer Erinnerungen. Windischgrütz hieß der Bezwinger
der Wiener Revolution. Es war das der Vater des neuen Ministerpräsidenten.
Bach war zuerst einer der eifrigsten Parteigänger dieser Revolution, dann saß
er in dem Krvnrat, der den letzten großen Versuch einer Zusammenfassung aller
Teile der österreichischen Monarchie zu einem mechanischen Einheitsstaat auf
absolutistischer Grundlage unternommen hatte; er unterzeichnete das Konkordat,
das diesem Einheitsstaat eine kirchliche Weihe geben sollte, während die
frühern Versuche dieser Art eher in einem feindlichen Gegensatz zum römischen
Kirchentum gestanden hatten.

Man wird nicht leicht in der österreichischen Geschichte Männer finde", auf
die sich das bekannte Wort ans dein Prolog zum Wallenstein so gut anwenden
ließe als auf die beiden, jenen Windischgrütz und diesen Bach. Windischgrütz
ist von der demokratischen Tradition der Achtundvierziger zu einer Art von
Alba gemacht worden, zugleich aber galt er als das Prototyp aristokratischer
Aufgeblasenheit und Beschränktheit, man legte ihm das ungeheuerliche Wort
in den Mund: "Bei mir fängt der Mensch erst bei dem Baron an." Männer,
die ihn gut kannten, haben versichert, nicht nnr nie eine solche Äußerung von
ihm gehört zu haben, sondern anch, daß er von der Gesinnung, die sich darin
aussprechen würde, weit entfernt gewesen sei. Für die Revolution hegte er
allerdings keine Sympathien, für die Triebe, die sie belebten, hatte er kein
Verständnis, er sah nur eine unwürdige Studenten- und Schreiberherrschaft
darin, die zu enden, mit den schärfsten Mitteln zu enden, er als Soldat und
treuer Diener des Kaisers für seine heilige Pflicht hielt. Vom Kaiser mit
unbeschränkter Vollmacht zur Herstellung der Ordnung versehen, verhängte er
am 25. Oktober 1848 den Belagerungszustand über Wien, und nur den Ge¬
meinderat -- eine schon ans Grund der Märzerrungenschaften zusammengesetzte


Grenzboten IV 1893 58


Bach und Windischgrätz

ii demselben Zeitungsblatt, das die Ernennung des Fürsten
Alfred Windischgrätz zum österreichischen Ministerpräsidenten ent¬
hielt, war auch die Nachricht von dem Tode des ehemaligen
Minister des Innern und der Justiz Dr. Alexander Bach zu
lesen. Beide Namen, der des neuen Mannes, wie der des längst
für die Welt abgestorbnen, bei dem man staunte, daß er noch am Leben sei,
erwecken eine Fülle historischer Erinnerungen. Windischgrütz hieß der Bezwinger
der Wiener Revolution. Es war das der Vater des neuen Ministerpräsidenten.
Bach war zuerst einer der eifrigsten Parteigänger dieser Revolution, dann saß
er in dem Krvnrat, der den letzten großen Versuch einer Zusammenfassung aller
Teile der österreichischen Monarchie zu einem mechanischen Einheitsstaat auf
absolutistischer Grundlage unternommen hatte; er unterzeichnete das Konkordat,
das diesem Einheitsstaat eine kirchliche Weihe geben sollte, während die
frühern Versuche dieser Art eher in einem feindlichen Gegensatz zum römischen
Kirchentum gestanden hatten.

Man wird nicht leicht in der österreichischen Geschichte Männer finde», auf
die sich das bekannte Wort ans dein Prolog zum Wallenstein so gut anwenden
ließe als auf die beiden, jenen Windischgrütz und diesen Bach. Windischgrütz
ist von der demokratischen Tradition der Achtundvierziger zu einer Art von
Alba gemacht worden, zugleich aber galt er als das Prototyp aristokratischer
Aufgeblasenheit und Beschränktheit, man legte ihm das ungeheuerliche Wort
in den Mund: „Bei mir fängt der Mensch erst bei dem Baron an." Männer,
die ihn gut kannten, haben versichert, nicht nnr nie eine solche Äußerung von
ihm gehört zu haben, sondern anch, daß er von der Gesinnung, die sich darin
aussprechen würde, weit entfernt gewesen sei. Für die Revolution hegte er
allerdings keine Sympathien, für die Triebe, die sie belebten, hatte er kein
Verständnis, er sah nur eine unwürdige Studenten- und Schreiberherrschaft
darin, die zu enden, mit den schärfsten Mitteln zu enden, er als Soldat und
treuer Diener des Kaisers für seine heilige Pflicht hielt. Vom Kaiser mit
unbeschränkter Vollmacht zur Herstellung der Ordnung versehen, verhängte er
am 25. Oktober 1848 den Belagerungszustand über Wien, und nur den Ge¬
meinderat — eine schon ans Grund der Märzerrungenschaften zusammengesetzte


Grenzboten IV 1893 58
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[0465] [Abbildung] Bach und Windischgrätz ii demselben Zeitungsblatt, das die Ernennung des Fürsten Alfred Windischgrätz zum österreichischen Ministerpräsidenten ent¬ hielt, war auch die Nachricht von dem Tode des ehemaligen Minister des Innern und der Justiz Dr. Alexander Bach zu lesen. Beide Namen, der des neuen Mannes, wie der des längst für die Welt abgestorbnen, bei dem man staunte, daß er noch am Leben sei, erwecken eine Fülle historischer Erinnerungen. Windischgrütz hieß der Bezwinger der Wiener Revolution. Es war das der Vater des neuen Ministerpräsidenten. Bach war zuerst einer der eifrigsten Parteigänger dieser Revolution, dann saß er in dem Krvnrat, der den letzten großen Versuch einer Zusammenfassung aller Teile der österreichischen Monarchie zu einem mechanischen Einheitsstaat auf absolutistischer Grundlage unternommen hatte; er unterzeichnete das Konkordat, das diesem Einheitsstaat eine kirchliche Weihe geben sollte, während die frühern Versuche dieser Art eher in einem feindlichen Gegensatz zum römischen Kirchentum gestanden hatten. Man wird nicht leicht in der österreichischen Geschichte Männer finde», auf die sich das bekannte Wort ans dein Prolog zum Wallenstein so gut anwenden ließe als auf die beiden, jenen Windischgrütz und diesen Bach. Windischgrütz ist von der demokratischen Tradition der Achtundvierziger zu einer Art von Alba gemacht worden, zugleich aber galt er als das Prototyp aristokratischer Aufgeblasenheit und Beschränktheit, man legte ihm das ungeheuerliche Wort in den Mund: „Bei mir fängt der Mensch erst bei dem Baron an." Männer, die ihn gut kannten, haben versichert, nicht nnr nie eine solche Äußerung von ihm gehört zu haben, sondern anch, daß er von der Gesinnung, die sich darin aussprechen würde, weit entfernt gewesen sei. Für die Revolution hegte er allerdings keine Sympathien, für die Triebe, die sie belebten, hatte er kein Verständnis, er sah nur eine unwürdige Studenten- und Schreiberherrschaft darin, die zu enden, mit den schärfsten Mitteln zu enden, er als Soldat und treuer Diener des Kaisers für seine heilige Pflicht hielt. Vom Kaiser mit unbeschränkter Vollmacht zur Herstellung der Ordnung versehen, verhängte er am 25. Oktober 1848 den Belagerungszustand über Wien, und nur den Ge¬ meinderat — eine schon ans Grund der Märzerrungenschaften zusammengesetzte Grenzboten IV 1893 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/465>, abgerufen am 22.07.2024.