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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Bach und ZVindischgrätz

Ä^cuc freie Presse will das doch sein -- hierin schon das Zeichen einer An¬
näherung Bachs an die Hospartei sehen kann. Ebenso wenig hieß es in den
Dienst der Reaktion treten, daß sich Bach nach den blutigen Arbeiterkrawallen
im August an entschiednen Maßregeln zur Herstellung der öffentlichen Ruhe
und Sicherheit hervorragend beteiligte. Selbst den Eintritt Bachs in das
Ministerium Felix Schwarzenberg können wir nicht verurteilen; war doch dessen
Programm zuerst keineswegs die Rückkehr zü'in absolutistischen Staat, war doch
Graf Station, der Schöpfer des österreichischen Gemeindegesetzes, Minister des
Innern darin. Aber daß sich Bach nach dem Tode dieses Mannes dazu brauchen
ließ, dessen organisatorisches Werk zu zertrümmern, daß er auch die neue, von
Schmerling entworfne, sehr maßvolle Gerichtsrefvrm außer Kraft setzte und
selbst nach der Aufhebung der vktrohirten Verfassung im Amte blieb, darin
sehen wir seine große Verschuldung nicht nur dem Bürgertum gegenüber, aus
dem er hervorgegangen war, sondern gegen den Staat überhaupt. Denn dazu
bedürfte es keines besondern Scharfblicks, einzusehen, daß nur durch eine Auf-
und Umbildung der ständischen Einrichtungen und durch Heranziehung der
Bürgerschaft zu den Ausgaben der Verwaltung der revolutionäre Bodensatz,
deu das Jahr 1848 überall zurückgelassen hatte, allmählich vertilgt werden
konnte, nicht aber dnrch Vernichtung alles selbständigen politischen Lebens in
Land und Stadt. Man wende nicht ein, daß hernach, besonders nach dem
Tode des Fürsten Schwarzenberg (April 1852), Bach seine Kräfte dem gro߬
artigen Plan eines einheitlich organisirten Gesamtstaats mit rücksichtsloser Ger-
mnnisativn der nichtdeutschen Bevölkerungen gewidmet habe. Dieser Plan ist
einem Joseph dein Zweiten nicht gelungen zu einer Zeit, wo das nationale
Selbstgefühl bei diesen Bevölkerungen noch im ersten Keime lag, von einer
Selbstbestimmung der Völker aber überhaupt noch nicht die Rede gewesen war;
wie konnte ein Staatsmann, der seine Lehrzeit zwischen der März- und der
Oktoberrevolution absolvirt hatte, so verblendet sein, ihr Gelingen zu hoffen!
Nein, daß ein Mitglied des Adels, das in stolzer Abgeschlossenheit die Be¬
wegung der Welt ringsum gleichsam ignorirt hatte, daß ein Soldat, der meinen
mochte, im Stacitslebeu fahre man ebenso wie im Heere am besten mit strammer
Einheit und Zucht!, daß dieser sich einem solchen Irrtum hingeben konnte,
finden wir begreiflich; daß es Alexander Bach konnte, verstehen wir nicht.
Viel eher ist uns seine Hinneigung zum Klerikalismus verständlich. Die katho¬
lische Kirche hatte sich ja seit deu Tagen Kaiser Josephs einer freiem Be¬
wegung in Österreich nicht erfreut, auch unter der langen Regierung Franz
des Ersten hielt man an ihrer Bevormundung dnrch den Staat fest. War
nun, so hätte man allenfalls fragen können, das Gebäude des zentralistisch-
absolutistischen Österreich nicht etwa deshalb so morsch geworden, weil die
Kirche kein Interesse an seinem Bestehen hatte, die Kirche, die in den Pro¬
vinzen, besonders in den Alpenländern, noch eine so große Gewalt über die


Bach und ZVindischgrätz

Ä^cuc freie Presse will das doch sein — hierin schon das Zeichen einer An¬
näherung Bachs an die Hospartei sehen kann. Ebenso wenig hieß es in den
Dienst der Reaktion treten, daß sich Bach nach den blutigen Arbeiterkrawallen
im August an entschiednen Maßregeln zur Herstellung der öffentlichen Ruhe
und Sicherheit hervorragend beteiligte. Selbst den Eintritt Bachs in das
Ministerium Felix Schwarzenberg können wir nicht verurteilen; war doch dessen
Programm zuerst keineswegs die Rückkehr zü'in absolutistischen Staat, war doch
Graf Station, der Schöpfer des österreichischen Gemeindegesetzes, Minister des
Innern darin. Aber daß sich Bach nach dem Tode dieses Mannes dazu brauchen
ließ, dessen organisatorisches Werk zu zertrümmern, daß er auch die neue, von
Schmerling entworfne, sehr maßvolle Gerichtsrefvrm außer Kraft setzte und
selbst nach der Aufhebung der vktrohirten Verfassung im Amte blieb, darin
sehen wir seine große Verschuldung nicht nur dem Bürgertum gegenüber, aus
dem er hervorgegangen war, sondern gegen den Staat überhaupt. Denn dazu
bedürfte es keines besondern Scharfblicks, einzusehen, daß nur durch eine Auf-
und Umbildung der ständischen Einrichtungen und durch Heranziehung der
Bürgerschaft zu den Ausgaben der Verwaltung der revolutionäre Bodensatz,
deu das Jahr 1848 überall zurückgelassen hatte, allmählich vertilgt werden
konnte, nicht aber dnrch Vernichtung alles selbständigen politischen Lebens in
Land und Stadt. Man wende nicht ein, daß hernach, besonders nach dem
Tode des Fürsten Schwarzenberg (April 1852), Bach seine Kräfte dem gro߬
artigen Plan eines einheitlich organisirten Gesamtstaats mit rücksichtsloser Ger-
mnnisativn der nichtdeutschen Bevölkerungen gewidmet habe. Dieser Plan ist
einem Joseph dein Zweiten nicht gelungen zu einer Zeit, wo das nationale
Selbstgefühl bei diesen Bevölkerungen noch im ersten Keime lag, von einer
Selbstbestimmung der Völker aber überhaupt noch nicht die Rede gewesen war;
wie konnte ein Staatsmann, der seine Lehrzeit zwischen der März- und der
Oktoberrevolution absolvirt hatte, so verblendet sein, ihr Gelingen zu hoffen!
Nein, daß ein Mitglied des Adels, das in stolzer Abgeschlossenheit die Be¬
wegung der Welt ringsum gleichsam ignorirt hatte, daß ein Soldat, der meinen
mochte, im Stacitslebeu fahre man ebenso wie im Heere am besten mit strammer
Einheit und Zucht!, daß dieser sich einem solchen Irrtum hingeben konnte,
finden wir begreiflich; daß es Alexander Bach konnte, verstehen wir nicht.
Viel eher ist uns seine Hinneigung zum Klerikalismus verständlich. Die katho¬
lische Kirche hatte sich ja seit deu Tagen Kaiser Josephs einer freiem Be¬
wegung in Österreich nicht erfreut, auch unter der langen Regierung Franz
des Ersten hielt man an ihrer Bevormundung dnrch den Staat fest. War
nun, so hätte man allenfalls fragen können, das Gebäude des zentralistisch-
absolutistischen Österreich nicht etwa deshalb so morsch geworden, weil die
Kirche kein Interesse an seinem Bestehen hatte, die Kirche, die in den Pro¬
vinzen, besonders in den Alpenländern, noch eine so große Gewalt über die


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[0467] Bach und ZVindischgrätz Ä^cuc freie Presse will das doch sein — hierin schon das Zeichen einer An¬ näherung Bachs an die Hospartei sehen kann. Ebenso wenig hieß es in den Dienst der Reaktion treten, daß sich Bach nach den blutigen Arbeiterkrawallen im August an entschiednen Maßregeln zur Herstellung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit hervorragend beteiligte. Selbst den Eintritt Bachs in das Ministerium Felix Schwarzenberg können wir nicht verurteilen; war doch dessen Programm zuerst keineswegs die Rückkehr zü'in absolutistischen Staat, war doch Graf Station, der Schöpfer des österreichischen Gemeindegesetzes, Minister des Innern darin. Aber daß sich Bach nach dem Tode dieses Mannes dazu brauchen ließ, dessen organisatorisches Werk zu zertrümmern, daß er auch die neue, von Schmerling entworfne, sehr maßvolle Gerichtsrefvrm außer Kraft setzte und selbst nach der Aufhebung der vktrohirten Verfassung im Amte blieb, darin sehen wir seine große Verschuldung nicht nur dem Bürgertum gegenüber, aus dem er hervorgegangen war, sondern gegen den Staat überhaupt. Denn dazu bedürfte es keines besondern Scharfblicks, einzusehen, daß nur durch eine Auf- und Umbildung der ständischen Einrichtungen und durch Heranziehung der Bürgerschaft zu den Ausgaben der Verwaltung der revolutionäre Bodensatz, deu das Jahr 1848 überall zurückgelassen hatte, allmählich vertilgt werden konnte, nicht aber dnrch Vernichtung alles selbständigen politischen Lebens in Land und Stadt. Man wende nicht ein, daß hernach, besonders nach dem Tode des Fürsten Schwarzenberg (April 1852), Bach seine Kräfte dem gro߬ artigen Plan eines einheitlich organisirten Gesamtstaats mit rücksichtsloser Ger- mnnisativn der nichtdeutschen Bevölkerungen gewidmet habe. Dieser Plan ist einem Joseph dein Zweiten nicht gelungen zu einer Zeit, wo das nationale Selbstgefühl bei diesen Bevölkerungen noch im ersten Keime lag, von einer Selbstbestimmung der Völker aber überhaupt noch nicht die Rede gewesen war; wie konnte ein Staatsmann, der seine Lehrzeit zwischen der März- und der Oktoberrevolution absolvirt hatte, so verblendet sein, ihr Gelingen zu hoffen! Nein, daß ein Mitglied des Adels, das in stolzer Abgeschlossenheit die Be¬ wegung der Welt ringsum gleichsam ignorirt hatte, daß ein Soldat, der meinen mochte, im Stacitslebeu fahre man ebenso wie im Heere am besten mit strammer Einheit und Zucht!, daß dieser sich einem solchen Irrtum hingeben konnte, finden wir begreiflich; daß es Alexander Bach konnte, verstehen wir nicht. Viel eher ist uns seine Hinneigung zum Klerikalismus verständlich. Die katho¬ lische Kirche hatte sich ja seit deu Tagen Kaiser Josephs einer freiem Be¬ wegung in Österreich nicht erfreut, auch unter der langen Regierung Franz des Ersten hielt man an ihrer Bevormundung dnrch den Staat fest. War nun, so hätte man allenfalls fragen können, das Gebäude des zentralistisch- absolutistischen Österreich nicht etwa deshalb so morsch geworden, weil die Kirche kein Interesse an seinem Bestehen hatte, die Kirche, die in den Pro¬ vinzen, besonders in den Alpenländern, noch eine so große Gewalt über die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/467>, abgerufen am 04.07.2024.