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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Weiteres zur Steuerfrage und zur Finanzreform

braucht. Es ist zur Genüge bekannt, daß sich durch das schablonenhafte und
in zahllosen Fällen zu niedrige Paketporto bei vielen Gewerbs- und Handels¬
zweigen ein naturwidriger und ungesunder Wettbewerb gebildet hat. Die Be¬
schneidung nur der ärgsten Mißstünde, die in dieser Beziehung entstanden sind,
müßte den Reichs- und anch den Staatseinnahmen Millionen von Mark jährlich
eintragen. Natürlich wollen wir nicht eine kleinliche, vielgestaltige Bestimmung
der Sätze des Paketportos, auch nicht ein rücksichtsloses Eingreifen in Ver¬
kehrs- und Erwerbsverhältnisse, die sich durch die jetzigen Sätze einmal ge¬
bildet haben.

Vor allem aber wendet sich der Blick immer wieder ans die Steuer, die
man uuter dem nicht ganz richtigen Namen der Börsensteuer begreift. Bei
den Vorschlägen, die die Reichsregierung deshalb dem aufgelösten Reichstage
machte, war die Erhöhung der jetzige" Börsensteueuer so unglaublich niedrig
bemessen, daß bei allen Deutschen, die eine gerechte Verteilung der Steuerlast
verlange", der Ausdruck großer Enttäuschung laut wurde. Offenbar hatte die
allmächtige Großfiuanz die Vertreter der Reichsregierung gründlich irre zu
führe" verstanden. Wie man vor Einführung der jetzigen Börsensteuer ge¬
jammert hatte, aller Verkehr an deutschen Börsen werde durch sie ertötet,
während sie doch gar nicht empfunden wird, so hatte man wahrscheinlich der
Negierung auch wegen der Steuererhöhung vor und bei der Ausarbeitung der
Vorlage so entsetzlich vorgewimmert, daß die Regierung schon mit der
Verdopplung der Steuer eiuen großartigen Schritt getha" zu haben glaubte.
O du große Bescheidenheit! muß man da mit einem zarten Ausdrucke sagen,
denn für viele Geschäfte kann und muß die Börsensteuer nicht bloß verdoppelt,
sondern verzehnfacht, ja verzwanzigfacht werden!

Wenn wir einmal die an deu Fonds- u"d Effektenbörsen vorkommenden
Geschäfte betrachten, so ergiebt sich zunächst bei deu Abschlüsse", die eine
wirkliche solide Kapitalanlage, insbesondre den Ankauf von allerlei Staats¬
papieren und sonstigen Schuldverschreibungen bezwecken, daß die Belastung
solcher Geschäfte mit dem Börsenstempel geradezu lächerlich niedrig ist,
wenigstens gegenüber den Stempel- und Kostenabgaben, denen der unterliegt,
der Grundstücke oder Hypotheken erwirbt oder veräußert. Diese Kosten be¬
laufen sich in manche" deutschen Ländern und an vielen Orten, die nach Orts¬
statuten besondre Sätze dabei erheben, oft auf mehrere Prozent. Das mobile
Kapital ist also außerordentlich bevorzugt gegen den Grundbesitz und die mit
diesem zusammenhängenden Geschäftsabschlüffe. Man denke sich z. B., daß
jemand für 100000 Mark Staatspapiere kauft. In diesem Falle hat der Käufer
nicht mehr als 10 Mark Stempelsteuer zu zahlen! Oder es kauft jemand
auf Zeit für 100000 Mark österreichische Kreditaktien -- das bekannte Spiel-
Papier! -- er macht also eine gewagte Spekulation, bei der er der Gefahr
ausgesetzt ist, im Handumdrehen Tausende von Mark zu verlieren. Und auf


Weiteres zur Steuerfrage und zur Finanzreform

braucht. Es ist zur Genüge bekannt, daß sich durch das schablonenhafte und
in zahllosen Fällen zu niedrige Paketporto bei vielen Gewerbs- und Handels¬
zweigen ein naturwidriger und ungesunder Wettbewerb gebildet hat. Die Be¬
schneidung nur der ärgsten Mißstünde, die in dieser Beziehung entstanden sind,
müßte den Reichs- und anch den Staatseinnahmen Millionen von Mark jährlich
eintragen. Natürlich wollen wir nicht eine kleinliche, vielgestaltige Bestimmung
der Sätze des Paketportos, auch nicht ein rücksichtsloses Eingreifen in Ver¬
kehrs- und Erwerbsverhältnisse, die sich durch die jetzigen Sätze einmal ge¬
bildet haben.

Vor allem aber wendet sich der Blick immer wieder ans die Steuer, die
man uuter dem nicht ganz richtigen Namen der Börsensteuer begreift. Bei
den Vorschlägen, die die Reichsregierung deshalb dem aufgelösten Reichstage
machte, war die Erhöhung der jetzige» Börsensteueuer so unglaublich niedrig
bemessen, daß bei allen Deutschen, die eine gerechte Verteilung der Steuerlast
verlange», der Ausdruck großer Enttäuschung laut wurde. Offenbar hatte die
allmächtige Großfiuanz die Vertreter der Reichsregierung gründlich irre zu
führe» verstanden. Wie man vor Einführung der jetzigen Börsensteuer ge¬
jammert hatte, aller Verkehr an deutschen Börsen werde durch sie ertötet,
während sie doch gar nicht empfunden wird, so hatte man wahrscheinlich der
Negierung auch wegen der Steuererhöhung vor und bei der Ausarbeitung der
Vorlage so entsetzlich vorgewimmert, daß die Regierung schon mit der
Verdopplung der Steuer eiuen großartigen Schritt getha» zu haben glaubte.
O du große Bescheidenheit! muß man da mit einem zarten Ausdrucke sagen,
denn für viele Geschäfte kann und muß die Börsensteuer nicht bloß verdoppelt,
sondern verzehnfacht, ja verzwanzigfacht werden!

Wenn wir einmal die an deu Fonds- u»d Effektenbörsen vorkommenden
Geschäfte betrachten, so ergiebt sich zunächst bei deu Abschlüsse», die eine
wirkliche solide Kapitalanlage, insbesondre den Ankauf von allerlei Staats¬
papieren und sonstigen Schuldverschreibungen bezwecken, daß die Belastung
solcher Geschäfte mit dem Börsenstempel geradezu lächerlich niedrig ist,
wenigstens gegenüber den Stempel- und Kostenabgaben, denen der unterliegt,
der Grundstücke oder Hypotheken erwirbt oder veräußert. Diese Kosten be¬
laufen sich in manche» deutschen Ländern und an vielen Orten, die nach Orts¬
statuten besondre Sätze dabei erheben, oft auf mehrere Prozent. Das mobile
Kapital ist also außerordentlich bevorzugt gegen den Grundbesitz und die mit
diesem zusammenhängenden Geschäftsabschlüffe. Man denke sich z. B., daß
jemand für 100000 Mark Staatspapiere kauft. In diesem Falle hat der Käufer
nicht mehr als 10 Mark Stempelsteuer zu zahlen! Oder es kauft jemand
auf Zeit für 100000 Mark österreichische Kreditaktien — das bekannte Spiel-
Papier! — er macht also eine gewagte Spekulation, bei der er der Gefahr
ausgesetzt ist, im Handumdrehen Tausende von Mark zu verlieren. Und auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/403>, abgerufen am 02.07.2024.