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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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weiteres zur Steuerfrage und zur Finanzreforin

zustellen, durchaus geboten, daß die neuen Steuergesetzvorlagen dem Reichstage
nicht in einem großen Strauße geboten, wenigstens nicht so von diesem an
die Neichsregierung zurückgegeben werden, sondern daß zunächst die Wege be¬
treten werden, über deren Begehung kein Zweifel sein kann, daß also der
Neichsregierung zunächst nur die Einnahmen bewilligt oder angeboten werden,
die als die gerechtesten und wirtschaftlich am leichtesten durchführbare" all¬
gemein die geringsten Bedenken erregen, und daß die Regierung zu den Be¬
schlüssen des Reichstags bestimmt Stellung nehme.

Bevor aber neue Steuern bewilligt werden, wird man aus demselben
Grunde zunächst zu untersuchen haben, wo das Reich etwa gar unwirtschaftlich
handle, indem es an die Einzelnen durch Erlaß von Gegenleistungen ohne Not
etwas weggiebt, also Geld zum Fenster hinauswirft. Solche Punkte giebt es
aber z. B. in der PostVerwaltung. Wir wollen nicht sowohl der Art der
Verwaltung unsers Pvstwesens zu nahe trete", als vielmehr Tarifbestimmungen
tadeln, an die die PostVerwaltung gebunden ist. Zunächst kommt da in Be¬
tracht die Zeitungsversandgebühr. In den allermeisten Fällen ist diese so
gering, daß sie die in der mäßigsten Weise berechneten Selbstkosten der Post¬
Verwaltung nicht deckt. In einem anscheinend wohlbegründeten Aufsatze der
"Post" war vor einiger Zeit die Einbuße, die die Neichspostverwaltnng bei der
Zeitungsversendnng jährlich erleidet, auf etwa zehn Millionen Mark jährlich
berechnet. Ist es schon eine jeden Patrioten schwer kränkende Schmach und
Schande, daß nach der Postordnung die Reichspost verpflichtet ist, alle die
Hetz- und Skandalblätter, die unser Volk demvralisiren, wirksam verbreiten zu
helfen, also selbst mit den Ast abzusägen, auf dem sie sitzt, so ist es doch
noch unwürdiger, daß sie bei diesen schmachvollen Handlangerdiensten noch
Geld zulegen muß, denn gerade die schamlose und verderbliche Presse ist
die, bei der die Postbeförderung am billigsten ist. Hier sollte doch die
Neichsregierung und jeder gutgesinnte Neichstagsabgeordnete schleunigst Wandel
schaffen.

Auch daß die Post bei der jetzigen Gestaltung des Paketpvrtos in un¬
geheuer vielen Fällen weit unter dem Selbstkostenpreise arbeitet, ist nicht zu
bezweifeln. Es gilt das namentlich von Paketsendungen auf große Entfer¬
nungen und von der Sendung sperriger Güter. Natürlich muß bei der Be¬
rechnung der Selbstkosten die Eisenbahnfracht mindestens so angesetzt werden,
wie sie von der Post der Eisenbahnverwaltung nach billigen Sätzen gezahlt
werden müßte, wenn nicht allgemeine Abkommen bestünden. Denn das Pu-
blikum, das die Post benutzt, hat kein Recht darauf, daß ihm zu Lasten der
Allgemeinheit (der die Post nicht benutzenden Bevölkerung) der Teil des an¬
gemessenen Porto, das ist der Selbstkosten, geschenkt werde, den die PostVer¬
waltung aus Rechnungs- oder sonstigen Gründen andern Zweigen der Reichs¬
ter Staatsverwaltung für deren Leistungen an die Post nicht zu zahlen


weiteres zur Steuerfrage und zur Finanzreforin

zustellen, durchaus geboten, daß die neuen Steuergesetzvorlagen dem Reichstage
nicht in einem großen Strauße geboten, wenigstens nicht so von diesem an
die Neichsregierung zurückgegeben werden, sondern daß zunächst die Wege be¬
treten werden, über deren Begehung kein Zweifel sein kann, daß also der
Neichsregierung zunächst nur die Einnahmen bewilligt oder angeboten werden,
die als die gerechtesten und wirtschaftlich am leichtesten durchführbare« all¬
gemein die geringsten Bedenken erregen, und daß die Regierung zu den Be¬
schlüssen des Reichstags bestimmt Stellung nehme.

Bevor aber neue Steuern bewilligt werden, wird man aus demselben
Grunde zunächst zu untersuchen haben, wo das Reich etwa gar unwirtschaftlich
handle, indem es an die Einzelnen durch Erlaß von Gegenleistungen ohne Not
etwas weggiebt, also Geld zum Fenster hinauswirft. Solche Punkte giebt es
aber z. B. in der PostVerwaltung. Wir wollen nicht sowohl der Art der
Verwaltung unsers Pvstwesens zu nahe trete», als vielmehr Tarifbestimmungen
tadeln, an die die PostVerwaltung gebunden ist. Zunächst kommt da in Be¬
tracht die Zeitungsversandgebühr. In den allermeisten Fällen ist diese so
gering, daß sie die in der mäßigsten Weise berechneten Selbstkosten der Post¬
Verwaltung nicht deckt. In einem anscheinend wohlbegründeten Aufsatze der
„Post" war vor einiger Zeit die Einbuße, die die Neichspostverwaltnng bei der
Zeitungsversendnng jährlich erleidet, auf etwa zehn Millionen Mark jährlich
berechnet. Ist es schon eine jeden Patrioten schwer kränkende Schmach und
Schande, daß nach der Postordnung die Reichspost verpflichtet ist, alle die
Hetz- und Skandalblätter, die unser Volk demvralisiren, wirksam verbreiten zu
helfen, also selbst mit den Ast abzusägen, auf dem sie sitzt, so ist es doch
noch unwürdiger, daß sie bei diesen schmachvollen Handlangerdiensten noch
Geld zulegen muß, denn gerade die schamlose und verderbliche Presse ist
die, bei der die Postbeförderung am billigsten ist. Hier sollte doch die
Neichsregierung und jeder gutgesinnte Neichstagsabgeordnete schleunigst Wandel
schaffen.

Auch daß die Post bei der jetzigen Gestaltung des Paketpvrtos in un¬
geheuer vielen Fällen weit unter dem Selbstkostenpreise arbeitet, ist nicht zu
bezweifeln. Es gilt das namentlich von Paketsendungen auf große Entfer¬
nungen und von der Sendung sperriger Güter. Natürlich muß bei der Be¬
rechnung der Selbstkosten die Eisenbahnfracht mindestens so angesetzt werden,
wie sie von der Post der Eisenbahnverwaltung nach billigen Sätzen gezahlt
werden müßte, wenn nicht allgemeine Abkommen bestünden. Denn das Pu-
blikum, das die Post benutzt, hat kein Recht darauf, daß ihm zu Lasten der
Allgemeinheit (der die Post nicht benutzenden Bevölkerung) der Teil des an¬
gemessenen Porto, das ist der Selbstkosten, geschenkt werde, den die PostVer¬
waltung aus Rechnungs- oder sonstigen Gründen andern Zweigen der Reichs¬
ter Staatsverwaltung für deren Leistungen an die Post nicht zu zahlen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/402>, abgerufen am 30.06.2024.