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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die Aussichten der Reichssteuern

Wie steht es sodann mit der Neichseinkommensteuer? Auf sie legt Herr
Vöckel das größte Gewicht, Nach einer Bemerkung des Herrn Grober über
das Interesse der Großindustriellen um unsrer Wnffenmacht zu schließe", ist
auch seine Partei geneigt, die stärkern Schultern entsprechend zu belasten.
Herr Richter und Herr von Bennigsen waren dazu bereit. Unmöglich werden
die Herren Bebel und Liebknecht fehlen, wenn die Reichen "bluten" sollen.
Der Reichskanzler sprach das Wort: die Reichen sind heranzuziehen, nur muß
erst festgestellt werden, wer reich ist. Freilich ist nicht leicht zu sagen, wo auf
der Stufenleiter der Vermögen der Reichtum beginnt, eher, wo er aufhört. In
älterer Zeit galt der Edelmann, der nicht mehr als ein reicher Bauer besaß,
für arm. Wo die Tragfähigkeit des Besitzes beginnen soll, wird sich bestimmen
lassen. Eine Grenze, wo sich die höchste und allerhöchste Begüterung im Lande
dem wirtschaftlichen und bürgerlichen Begriffe des Reichtums und seiner staats-
und reichsbürgerlichen Verpflichtung entzöge, lassen wir nicht gelten.

An die Frankfurter Zusammenkunft der Finanzminister sämtlicher deutschen
Staaten knüpften sich keine übertriebnen Erwartungen. Die Finanzlage des
Reichs überhaupt wird nicht unerwvgen geblieben sein. Es hieß, es solle
namentlich erörtert werden, ob sich die Matrikularbeiträge der Staaten an das
Reich und die Übertragungen des Reichs an die Staaten nicht werde für sieben
oder fünf Jahre feststellen lassen, Der Vorteil würde doch nur in der
Rechnung liegen. Dagegen, daß die Tabakfabrikatsteuer und aushilfsweise
die Besteuerung der feinern Weine zur Deckung des militärischen Mchr-
bedürfnisses beim Reichstage eingebracht werden soll, ist nichts einzuwenden.
Obgleich die Tnbakfabrikauteu, wie früher die Bierbrauer, Widerspruch er¬
heben und sich der Unterstützung des löblichen Freisinns erfreuen, wird die
Cigarre den höhern Preis ertragen, ohne daß die Einäscherung des nitotin-
und nikotiauinhaltigen Krauts großen Rückgang erführe. Wir Pflichten der
von Herrn v. Riedel in der bairischen Kammer gethanen Äußerung völlig bei.
Aber entspricht der Beschluß der Finanzminister den voransgegangnen Kund-
gebungen des Reichskanzlers und der Parteiführer?

Das weitere Geldbedürfnis wird sich bald genug beim Neichsschatzsekretär
einstellen. Dann giebt es kein Ausweichen mehr. Die Zölle und indirekten
Steuern werden zur Genüge angespannt. Eine ergiebige Reichseinkommen-
stener muß heran.

Die ganze Stellung unsrer Fürsten würde dabei gewinnen, wenn sie
Voraussicht bewiesen und einen gemeinsamen Beschluß herbeiführten, hier
mit ihren etwa 125 selbständigen Familiengliedern einzugreifen. Seitdem, sich
unsre Staatsoberhäupter im Verfassungsstaate die verantwortlichen Minister
zur Seite berufen und dann in Übereinstimmung mit ihren ersten Räten die
Bevollmächtigten zum Bundesrat ernennen, damit diese Körperschaft durch
Mehrheitseutscheidnng beschließe, finden unsre Fürsten, abgesehen von ihrer


Die Aussichten der Reichssteuern

Wie steht es sodann mit der Neichseinkommensteuer? Auf sie legt Herr
Vöckel das größte Gewicht, Nach einer Bemerkung des Herrn Grober über
das Interesse der Großindustriellen um unsrer Wnffenmacht zu schließe», ist
auch seine Partei geneigt, die stärkern Schultern entsprechend zu belasten.
Herr Richter und Herr von Bennigsen waren dazu bereit. Unmöglich werden
die Herren Bebel und Liebknecht fehlen, wenn die Reichen „bluten" sollen.
Der Reichskanzler sprach das Wort: die Reichen sind heranzuziehen, nur muß
erst festgestellt werden, wer reich ist. Freilich ist nicht leicht zu sagen, wo auf
der Stufenleiter der Vermögen der Reichtum beginnt, eher, wo er aufhört. In
älterer Zeit galt der Edelmann, der nicht mehr als ein reicher Bauer besaß,
für arm. Wo die Tragfähigkeit des Besitzes beginnen soll, wird sich bestimmen
lassen. Eine Grenze, wo sich die höchste und allerhöchste Begüterung im Lande
dem wirtschaftlichen und bürgerlichen Begriffe des Reichtums und seiner staats-
und reichsbürgerlichen Verpflichtung entzöge, lassen wir nicht gelten.

An die Frankfurter Zusammenkunft der Finanzminister sämtlicher deutschen
Staaten knüpften sich keine übertriebnen Erwartungen. Die Finanzlage des
Reichs überhaupt wird nicht unerwvgen geblieben sein. Es hieß, es solle
namentlich erörtert werden, ob sich die Matrikularbeiträge der Staaten an das
Reich und die Übertragungen des Reichs an die Staaten nicht werde für sieben
oder fünf Jahre feststellen lassen, Der Vorteil würde doch nur in der
Rechnung liegen. Dagegen, daß die Tabakfabrikatsteuer und aushilfsweise
die Besteuerung der feinern Weine zur Deckung des militärischen Mchr-
bedürfnisses beim Reichstage eingebracht werden soll, ist nichts einzuwenden.
Obgleich die Tnbakfabrikauteu, wie früher die Bierbrauer, Widerspruch er¬
heben und sich der Unterstützung des löblichen Freisinns erfreuen, wird die
Cigarre den höhern Preis ertragen, ohne daß die Einäscherung des nitotin-
und nikotiauinhaltigen Krauts großen Rückgang erführe. Wir Pflichten der
von Herrn v. Riedel in der bairischen Kammer gethanen Äußerung völlig bei.
Aber entspricht der Beschluß der Finanzminister den voransgegangnen Kund-
gebungen des Reichskanzlers und der Parteiführer?

Das weitere Geldbedürfnis wird sich bald genug beim Neichsschatzsekretär
einstellen. Dann giebt es kein Ausweichen mehr. Die Zölle und indirekten
Steuern werden zur Genüge angespannt. Eine ergiebige Reichseinkommen-
stener muß heran.

Die ganze Stellung unsrer Fürsten würde dabei gewinnen, wenn sie
Voraussicht bewiesen und einen gemeinsamen Beschluß herbeiführten, hier
mit ihren etwa 125 selbständigen Familiengliedern einzugreifen. Seitdem, sich
unsre Staatsoberhäupter im Verfassungsstaate die verantwortlichen Minister
zur Seite berufen und dann in Übereinstimmung mit ihren ersten Räten die
Bevollmächtigten zum Bundesrat ernennen, damit diese Körperschaft durch
Mehrheitseutscheidnng beschließe, finden unsre Fürsten, abgesehen von ihrer


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[0355] Die Aussichten der Reichssteuern Wie steht es sodann mit der Neichseinkommensteuer? Auf sie legt Herr Vöckel das größte Gewicht, Nach einer Bemerkung des Herrn Grober über das Interesse der Großindustriellen um unsrer Wnffenmacht zu schließe», ist auch seine Partei geneigt, die stärkern Schultern entsprechend zu belasten. Herr Richter und Herr von Bennigsen waren dazu bereit. Unmöglich werden die Herren Bebel und Liebknecht fehlen, wenn die Reichen „bluten" sollen. Der Reichskanzler sprach das Wort: die Reichen sind heranzuziehen, nur muß erst festgestellt werden, wer reich ist. Freilich ist nicht leicht zu sagen, wo auf der Stufenleiter der Vermögen der Reichtum beginnt, eher, wo er aufhört. In älterer Zeit galt der Edelmann, der nicht mehr als ein reicher Bauer besaß, für arm. Wo die Tragfähigkeit des Besitzes beginnen soll, wird sich bestimmen lassen. Eine Grenze, wo sich die höchste und allerhöchste Begüterung im Lande dem wirtschaftlichen und bürgerlichen Begriffe des Reichtums und seiner staats- und reichsbürgerlichen Verpflichtung entzöge, lassen wir nicht gelten. An die Frankfurter Zusammenkunft der Finanzminister sämtlicher deutschen Staaten knüpften sich keine übertriebnen Erwartungen. Die Finanzlage des Reichs überhaupt wird nicht unerwvgen geblieben sein. Es hieß, es solle namentlich erörtert werden, ob sich die Matrikularbeiträge der Staaten an das Reich und die Übertragungen des Reichs an die Staaten nicht werde für sieben oder fünf Jahre feststellen lassen, Der Vorteil würde doch nur in der Rechnung liegen. Dagegen, daß die Tabakfabrikatsteuer und aushilfsweise die Besteuerung der feinern Weine zur Deckung des militärischen Mchr- bedürfnisses beim Reichstage eingebracht werden soll, ist nichts einzuwenden. Obgleich die Tnbakfabrikauteu, wie früher die Bierbrauer, Widerspruch er¬ heben und sich der Unterstützung des löblichen Freisinns erfreuen, wird die Cigarre den höhern Preis ertragen, ohne daß die Einäscherung des nitotin- und nikotiauinhaltigen Krauts großen Rückgang erführe. Wir Pflichten der von Herrn v. Riedel in der bairischen Kammer gethanen Äußerung völlig bei. Aber entspricht der Beschluß der Finanzminister den voransgegangnen Kund- gebungen des Reichskanzlers und der Parteiführer? Das weitere Geldbedürfnis wird sich bald genug beim Neichsschatzsekretär einstellen. Dann giebt es kein Ausweichen mehr. Die Zölle und indirekten Steuern werden zur Genüge angespannt. Eine ergiebige Reichseinkommen- stener muß heran. Die ganze Stellung unsrer Fürsten würde dabei gewinnen, wenn sie Voraussicht bewiesen und einen gemeinsamen Beschluß herbeiführten, hier mit ihren etwa 125 selbständigen Familiengliedern einzugreifen. Seitdem, sich unsre Staatsoberhäupter im Verfassungsstaate die verantwortlichen Minister zur Seite berufen und dann in Übereinstimmung mit ihren ersten Räten die Bevollmächtigten zum Bundesrat ernennen, damit diese Körperschaft durch Mehrheitseutscheidnng beschließe, finden unsre Fürsten, abgesehen von ihrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/355>, abgerufen am 22.07.2024.