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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Sie Aussichten der Reichssteuern

konservativen hinein, über die Grenzen Deutschlands hinaus. Von den Thronen,
aus den Parlamenten, von der Presse der gesamten Kulturwelt ergeht der Ruf:
So geht es nicht weiter!" Windthorst entgegnete damals ungerührt, er habe
vom Vorredner erwartet, er werde zeigen, daß die Erhöhung der Kriegsstärke
noch Aufschub gestatte; dafür sei aber der Beweis nicht einmal versucht worden.

Für die Fähigkeit unsers Volks, auch ferner noch einige Gelder für die
große Gemeinschaft des Reichs aufzubringen, lassen sich denn doch manche
Zahlen aufführen. Die vor einigen Monaten ausgeschriebne dreiprozentige
Reichsanleihe vo" 160 Millionen Mark wurde mehr als vierfach gezeichnet
("73 Millionen). Die 140 Millionen preußische Konsols standen sast vierfach
zur Verfügung (533 Millionen); Berlin zeichnete daraus 360, Frankfurt a. M.
70, Nürnberg 49, München 32, Hamburg 22 Millionen Mark, Also mehr
als eine Milliarde wollte da flüssig werden. Im Königreich Sachsen ist nach
der Leipziger Zeitung das Einkommen der Grundbesitzer in der Zeit von 1879
bis 1891 um 24 Prozent, das Lvhneinkommen um 93 Prozent gestiegen. In
Hamburg gab es im Jahre 1887 162 Einwohner, die ein Einkommen von
zusammen 30,2 Millionen mit 1056000 Mark versteuerten. Nach den neueste"
Veröffentlichungen des dortigen stenerstatistischen Amts hatte sich die Zahl der
Millionäre bis zum Jahre 1891 auf 319 vermehrt. Sie entrichteten für ein
Gesamteinkommen von 64,2 Millionen 2274300 Mark an die Staatskasse.
In dem Fürstentum Reuß-Greiz (1890: 62754 Einwohner) wurden, nachdem
es kürzlich ein neues Einkommensteuergesetz bekommen hatte, 45 Millionen, nach
anderm Bericht sogar 56 Millionen Einkommen bekannt, während vorher nur
5 Millionen eingeschätzt worden waren. In den acht alten Provinzen Preu¬
ßens ist nach Hirths Annalen des deutschen Reichs in der Zeit von 1853 bis
1890 die Einwohnerzahl von 16 889000 auf 24062000, also um 42 Pro¬
zent gestiegen. Die Einkommen von weniger als 3000 Mark stiegen in dieser
Zeit um 42 Prozent, die von 3000 bis 36000 Mark um 333 Prozent, die
von 36000 bis 60000 Mark um 590 Prozent, die von 60000 bis 120000
Mark um 835 Prozent und die von mehr als 120000 Mark um 942 Prozent.

Freilich dürfen wir neben den günstigen auch die ungünstigen Zahlen
nicht verschweigen. In Preußen zahlten nach den neuesten stenerstatistischen
Erhebungen von 30 Millionen Einwohnern (1890: 29959388), die sich zu
6380000 Haushaltungen gruppiren, nur rund 2435000 Personen Einkommen¬
steuer, da sich ihr Einkommen jährlich ans 900 Mark und mehr belief. Es
ist anzunehmen, daß die Zahl der 2435000 höher stünde, wenn sich nicht
manche werte Deklcirantcn unter 900 Mark eingeschätzt hätten, die besser stehen.
Außerdem fehlen sämtliche steuerfähige Militärs und einige andre Staats¬
angehörige, denen wir noch besondre Aufmerksamkeit widmen werden. Immer¬
hin bleiben, wenn wir jenen 2,4 Bällionen einen Familienstand von 10 Mil¬
lionen Köpfen beimessen, reichlich 20 Millionen etwa in 4 Millionen Haus-


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konservativen hinein, über die Grenzen Deutschlands hinaus. Von den Thronen,
aus den Parlamenten, von der Presse der gesamten Kulturwelt ergeht der Ruf:
So geht es nicht weiter!" Windthorst entgegnete damals ungerührt, er habe
vom Vorredner erwartet, er werde zeigen, daß die Erhöhung der Kriegsstärke
noch Aufschub gestatte; dafür sei aber der Beweis nicht einmal versucht worden.

Für die Fähigkeit unsers Volks, auch ferner noch einige Gelder für die
große Gemeinschaft des Reichs aufzubringen, lassen sich denn doch manche
Zahlen aufführen. Die vor einigen Monaten ausgeschriebne dreiprozentige
Reichsanleihe vo» 160 Millionen Mark wurde mehr als vierfach gezeichnet
(«73 Millionen). Die 140 Millionen preußische Konsols standen sast vierfach
zur Verfügung (533 Millionen); Berlin zeichnete daraus 360, Frankfurt a. M.
70, Nürnberg 49, München 32, Hamburg 22 Millionen Mark, Also mehr
als eine Milliarde wollte da flüssig werden. Im Königreich Sachsen ist nach
der Leipziger Zeitung das Einkommen der Grundbesitzer in der Zeit von 1879
bis 1891 um 24 Prozent, das Lvhneinkommen um 93 Prozent gestiegen. In
Hamburg gab es im Jahre 1887 162 Einwohner, die ein Einkommen von
zusammen 30,2 Millionen mit 1056000 Mark versteuerten. Nach den neueste»
Veröffentlichungen des dortigen stenerstatistischen Amts hatte sich die Zahl der
Millionäre bis zum Jahre 1891 auf 319 vermehrt. Sie entrichteten für ein
Gesamteinkommen von 64,2 Millionen 2274300 Mark an die Staatskasse.
In dem Fürstentum Reuß-Greiz (1890: 62754 Einwohner) wurden, nachdem
es kürzlich ein neues Einkommensteuergesetz bekommen hatte, 45 Millionen, nach
anderm Bericht sogar 56 Millionen Einkommen bekannt, während vorher nur
5 Millionen eingeschätzt worden waren. In den acht alten Provinzen Preu¬
ßens ist nach Hirths Annalen des deutschen Reichs in der Zeit von 1853 bis
1890 die Einwohnerzahl von 16 889000 auf 24062000, also um 42 Pro¬
zent gestiegen. Die Einkommen von weniger als 3000 Mark stiegen in dieser
Zeit um 42 Prozent, die von 3000 bis 36000 Mark um 333 Prozent, die
von 36000 bis 60000 Mark um 590 Prozent, die von 60000 bis 120000
Mark um 835 Prozent und die von mehr als 120000 Mark um 942 Prozent.

Freilich dürfen wir neben den günstigen auch die ungünstigen Zahlen
nicht verschweigen. In Preußen zahlten nach den neuesten stenerstatistischen
Erhebungen von 30 Millionen Einwohnern (1890: 29959388), die sich zu
6380000 Haushaltungen gruppiren, nur rund 2435000 Personen Einkommen¬
steuer, da sich ihr Einkommen jährlich ans 900 Mark und mehr belief. Es
ist anzunehmen, daß die Zahl der 2435000 höher stünde, wenn sich nicht
manche werte Deklcirantcn unter 900 Mark eingeschätzt hätten, die besser stehen.
Außerdem fehlen sämtliche steuerfähige Militärs und einige andre Staats¬
angehörige, denen wir noch besondre Aufmerksamkeit widmen werden. Immer¬
hin bleiben, wenn wir jenen 2,4 Bällionen einen Familienstand von 10 Mil¬
lionen Köpfen beimessen, reichlich 20 Millionen etwa in 4 Millionen Haus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/347>, abgerufen am 04.07.2024.