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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Vie Aussichten der Reichssteuern

Haltungen übrig, die mit einem Jahreseinkommen von 899, 500, 300 Mark
und weniger auskommen müssen, bis der Rest der Armenpflege anheim sällt.

Die Einkommen von 900 Mark an zeigten sich auf folgenden sieben
Stufen: 2118969 Personen wiesen 900 bis^ 3000 Mark auf; 3000 bis 6000
Mark 204714 Personen; 6000 bis 8000 Mark 38849 Personen; 8000 bis
9500 Mark 16532 Personen; 9500 bis 30000 Mark 46096 Personen;
30500 bis 100000 Mark 9039 Personen; 100000 bis 6760000 Mark
1659 Personen.

Weitere Schlüsse kaun man aus folgenden Angaben ziehen: Eine Schätzung
der Privatvermögen in Preußen, die dem Gesetzentwurfe über die Vermögens¬
steuer beigefügt war, gab als steuerpflichtig 73,8 Milliarden Mark an. Hierbei
sind die Vermögen unter 6000 Mark in der Hand von Personen, die weniger als
900 Mark Einkommen genießen, sowie die den Witwen und Minderjährigen
von nicht 1200 Mark Einkommen gehörigen Vermögen außer Betracht ge¬
lassen. Leider wurde der Wert der kleinen Vermögen, die doch gar sehr in
Betracht kommen, nicht festgestellt. Die 73,8 Milliarden Preußens würden
in dem Verhältnis von 3 zu 5 für ganz Deutschland 123 Milliarden ergeben.
Entrichten in Preußen 2435000 Personen Einkommensteuer, so würde das auf
Deutschland 4055000 Personen machen; und 4 Millionen Haushaltungen mit
20 Millionen Köpfen, die in Preußen jährlich mit weniger, zum Teil viel weniger
als mit 900 Mark auskommen müssen, würden in Deutschland 30 Millionen
Köpfe in 6 Millionen Haushaltungen betragen.

Groß sind die hier anschaulich gewordnen Abstünde. Zu groß; wer wollte
es leugnen? Wir fragen nicht, ob solche Verhältnisse erträglich sind, denn
sie werden ertragen. Wir enthalten uns eines Urteils, solange nicht ein ein¬
gehender Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten, namentlich mit Frankreich
und England, vorliegt. Von allen Seiten wird an der Verbesserung der
in den obigen Zahlen ausgedrückten Zustände gearbeitet, mit mehr oder weniger
Ernst und Geschick, vielfach mehr mit Worten als durch die That. Jeden¬
falls findet der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit, dessen Eintritt in
die Volkswirtschaft um die Mitte unsers Jahrhunderts Lorenz v. Stein als
den Beginn der vierten Epoche für die Volkswirtschaft bezeichnete, noch voll¬
auf zu thun. Kein Geringerer als Albert Schäffle hat bei Erörterung der
fünftägigen Sozialdebatte des Reichstags im Februar d. I. (Ur. 21 der "Zu¬
kunft) vor allen Dingen eine gründliche Reform des Armenwesens vom Reiche
verlangt, eine Aufgabe, deren Bedeutung, Schwierigkeit und Kostspieligkeit
einleuchtet. Welche Arbeit harrt da der Statistik! Und doch würde es nur
Vorarbeit sein.

Im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit wollen wir hier einmal am
entgegengesetzten Ende, bei dem höchsten Reichtum einsetzen.

Die preußische Stenerstatistik, die, wie wir sehen, bei einem Einkommen


Vie Aussichten der Reichssteuern

Haltungen übrig, die mit einem Jahreseinkommen von 899, 500, 300 Mark
und weniger auskommen müssen, bis der Rest der Armenpflege anheim sällt.

Die Einkommen von 900 Mark an zeigten sich auf folgenden sieben
Stufen: 2118969 Personen wiesen 900 bis^ 3000 Mark auf; 3000 bis 6000
Mark 204714 Personen; 6000 bis 8000 Mark 38849 Personen; 8000 bis
9500 Mark 16532 Personen; 9500 bis 30000 Mark 46096 Personen;
30500 bis 100000 Mark 9039 Personen; 100000 bis 6760000 Mark
1659 Personen.

Weitere Schlüsse kaun man aus folgenden Angaben ziehen: Eine Schätzung
der Privatvermögen in Preußen, die dem Gesetzentwurfe über die Vermögens¬
steuer beigefügt war, gab als steuerpflichtig 73,8 Milliarden Mark an. Hierbei
sind die Vermögen unter 6000 Mark in der Hand von Personen, die weniger als
900 Mark Einkommen genießen, sowie die den Witwen und Minderjährigen
von nicht 1200 Mark Einkommen gehörigen Vermögen außer Betracht ge¬
lassen. Leider wurde der Wert der kleinen Vermögen, die doch gar sehr in
Betracht kommen, nicht festgestellt. Die 73,8 Milliarden Preußens würden
in dem Verhältnis von 3 zu 5 für ganz Deutschland 123 Milliarden ergeben.
Entrichten in Preußen 2435000 Personen Einkommensteuer, so würde das auf
Deutschland 4055000 Personen machen; und 4 Millionen Haushaltungen mit
20 Millionen Köpfen, die in Preußen jährlich mit weniger, zum Teil viel weniger
als mit 900 Mark auskommen müssen, würden in Deutschland 30 Millionen
Köpfe in 6 Millionen Haushaltungen betragen.

Groß sind die hier anschaulich gewordnen Abstünde. Zu groß; wer wollte
es leugnen? Wir fragen nicht, ob solche Verhältnisse erträglich sind, denn
sie werden ertragen. Wir enthalten uns eines Urteils, solange nicht ein ein¬
gehender Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten, namentlich mit Frankreich
und England, vorliegt. Von allen Seiten wird an der Verbesserung der
in den obigen Zahlen ausgedrückten Zustände gearbeitet, mit mehr oder weniger
Ernst und Geschick, vielfach mehr mit Worten als durch die That. Jeden¬
falls findet der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit, dessen Eintritt in
die Volkswirtschaft um die Mitte unsers Jahrhunderts Lorenz v. Stein als
den Beginn der vierten Epoche für die Volkswirtschaft bezeichnete, noch voll¬
auf zu thun. Kein Geringerer als Albert Schäffle hat bei Erörterung der
fünftägigen Sozialdebatte des Reichstags im Februar d. I. (Ur. 21 der „Zu¬
kunft) vor allen Dingen eine gründliche Reform des Armenwesens vom Reiche
verlangt, eine Aufgabe, deren Bedeutung, Schwierigkeit und Kostspieligkeit
einleuchtet. Welche Arbeit harrt da der Statistik! Und doch würde es nur
Vorarbeit sein.

Im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit wollen wir hier einmal am
entgegengesetzten Ende, bei dem höchsten Reichtum einsetzen.

Die preußische Stenerstatistik, die, wie wir sehen, bei einem Einkommen


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[0348] Vie Aussichten der Reichssteuern Haltungen übrig, die mit einem Jahreseinkommen von 899, 500, 300 Mark und weniger auskommen müssen, bis der Rest der Armenpflege anheim sällt. Die Einkommen von 900 Mark an zeigten sich auf folgenden sieben Stufen: 2118969 Personen wiesen 900 bis^ 3000 Mark auf; 3000 bis 6000 Mark 204714 Personen; 6000 bis 8000 Mark 38849 Personen; 8000 bis 9500 Mark 16532 Personen; 9500 bis 30000 Mark 46096 Personen; 30500 bis 100000 Mark 9039 Personen; 100000 bis 6760000 Mark 1659 Personen. Weitere Schlüsse kaun man aus folgenden Angaben ziehen: Eine Schätzung der Privatvermögen in Preußen, die dem Gesetzentwurfe über die Vermögens¬ steuer beigefügt war, gab als steuerpflichtig 73,8 Milliarden Mark an. Hierbei sind die Vermögen unter 6000 Mark in der Hand von Personen, die weniger als 900 Mark Einkommen genießen, sowie die den Witwen und Minderjährigen von nicht 1200 Mark Einkommen gehörigen Vermögen außer Betracht ge¬ lassen. Leider wurde der Wert der kleinen Vermögen, die doch gar sehr in Betracht kommen, nicht festgestellt. Die 73,8 Milliarden Preußens würden in dem Verhältnis von 3 zu 5 für ganz Deutschland 123 Milliarden ergeben. Entrichten in Preußen 2435000 Personen Einkommensteuer, so würde das auf Deutschland 4055000 Personen machen; und 4 Millionen Haushaltungen mit 20 Millionen Köpfen, die in Preußen jährlich mit weniger, zum Teil viel weniger als mit 900 Mark auskommen müssen, würden in Deutschland 30 Millionen Köpfe in 6 Millionen Haushaltungen betragen. Groß sind die hier anschaulich gewordnen Abstünde. Zu groß; wer wollte es leugnen? Wir fragen nicht, ob solche Verhältnisse erträglich sind, denn sie werden ertragen. Wir enthalten uns eines Urteils, solange nicht ein ein¬ gehender Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten, namentlich mit Frankreich und England, vorliegt. Von allen Seiten wird an der Verbesserung der in den obigen Zahlen ausgedrückten Zustände gearbeitet, mit mehr oder weniger Ernst und Geschick, vielfach mehr mit Worten als durch die That. Jeden¬ falls findet der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit, dessen Eintritt in die Volkswirtschaft um die Mitte unsers Jahrhunderts Lorenz v. Stein als den Beginn der vierten Epoche für die Volkswirtschaft bezeichnete, noch voll¬ auf zu thun. Kein Geringerer als Albert Schäffle hat bei Erörterung der fünftägigen Sozialdebatte des Reichstags im Februar d. I. (Ur. 21 der „Zu¬ kunft) vor allen Dingen eine gründliche Reform des Armenwesens vom Reiche verlangt, eine Aufgabe, deren Bedeutung, Schwierigkeit und Kostspieligkeit einleuchtet. Welche Arbeit harrt da der Statistik! Und doch würde es nur Vorarbeit sein. Im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit wollen wir hier einmal am entgegengesetzten Ende, bei dem höchsten Reichtum einsetzen. Die preußische Stenerstatistik, die, wie wir sehen, bei einem Einkommen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/348>, abgerufen am 24.07.2024.