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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die Aussichten der Reichssteuern

MWer Bereitwilligkeit der Staatsbürger zum Steuerzahler -- so
meinte und lehrte David Heinrich Rau vor fünfzig Jahren --
kommen wir um so näher, je vollkommner der Staat wird und je
einsichtsvoller seine Angehörigen werden. Der Alte hat es nicht
mehr erlebt -- er starb im März 1870 --daß sich über den
deutschen Vundesstaaten das Reich erhob, daß wir muntern Staatsbürger auch
Reichsbürger geworden sind und neben den ansehnlichen Staatssteuern anch
artige Zolle, Stempel und Steuern an das Reich entrichten.

Die Haushaltszahlen der fünfundzwanzig Vundesstaaten und des Reichs¬
landes, wie wir sie in dem Statistischen Jahrbuche des Gothaischen Hofkalen¬
ders für 1893 finden, ergeben die Summe von 2461 Millionen Mark. Dazu
kommt das Neichsbndget mit 1257 Millionen, das macht zusammen 3718 Mil¬
lionen Mark. Ja, wir gewöhnen uus in großen Verhältnissen an große
Summen.

Bleiben wir beim Reiche stehen. Eine verfassungsmäßig beschlossene und
ausgeschriebne Auflage an Zöllen und Steuern wird von unsern Landsleuten
ohne Weigern und Murren erlegt. Ein Zeugnis zweiten Grades würde uns
also Rau im Fache des Steuerentrichtens wohl nicht versagen. Sollten wir
es aber nicht mit der Zeit noch zur 2" und zur 1 bringen?

In der noch vorhandnen Gleichgiltigkeit gegen den Reichsgedanken finden
jene Politiker das rechte Fahrwasser, die es zu dem Ruhme gebracht haben,
stets zu verneinen. Sie werfen sich zu Schutzleuten unsers Geldbeutels
ans, halten auf Rechte und Freiheiten der Einzelnen und kehren sich wenig
daran, was ein geeinigtes Volk von fünfzig Millionen ausrichten soll, weil
es dazu fähig ist. Ihnen ist das Reich nur gemeinsames Kriegsbollwerk,
Rechtsschutzanstalt und Berkehrsgebiet. Uns gilt das Reich zugleich und nament-


Ärenzbvteu IV 1898 4-j


Die Aussichten der Reichssteuern

MWer Bereitwilligkeit der Staatsbürger zum Steuerzahler — so
meinte und lehrte David Heinrich Rau vor fünfzig Jahren —
kommen wir um so näher, je vollkommner der Staat wird und je
einsichtsvoller seine Angehörigen werden. Der Alte hat es nicht
mehr erlebt — er starb im März 1870 —daß sich über den
deutschen Vundesstaaten das Reich erhob, daß wir muntern Staatsbürger auch
Reichsbürger geworden sind und neben den ansehnlichen Staatssteuern anch
artige Zolle, Stempel und Steuern an das Reich entrichten.

Die Haushaltszahlen der fünfundzwanzig Vundesstaaten und des Reichs¬
landes, wie wir sie in dem Statistischen Jahrbuche des Gothaischen Hofkalen¬
ders für 1893 finden, ergeben die Summe von 2461 Millionen Mark. Dazu
kommt das Neichsbndget mit 1257 Millionen, das macht zusammen 3718 Mil¬
lionen Mark. Ja, wir gewöhnen uus in großen Verhältnissen an große
Summen.

Bleiben wir beim Reiche stehen. Eine verfassungsmäßig beschlossene und
ausgeschriebne Auflage an Zöllen und Steuern wird von unsern Landsleuten
ohne Weigern und Murren erlegt. Ein Zeugnis zweiten Grades würde uns
also Rau im Fache des Steuerentrichtens wohl nicht versagen. Sollten wir
es aber nicht mit der Zeit noch zur 2» und zur 1 bringen?

In der noch vorhandnen Gleichgiltigkeit gegen den Reichsgedanken finden
jene Politiker das rechte Fahrwasser, die es zu dem Ruhme gebracht haben,
stets zu verneinen. Sie werfen sich zu Schutzleuten unsers Geldbeutels
ans, halten auf Rechte und Freiheiten der Einzelnen und kehren sich wenig
daran, was ein geeinigtes Volk von fünfzig Millionen ausrichten soll, weil
es dazu fähig ist. Ihnen ist das Reich nur gemeinsames Kriegsbollwerk,
Rechtsschutzanstalt und Berkehrsgebiet. Uns gilt das Reich zugleich und nament-


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[0345] [Abbildung] Die Aussichten der Reichssteuern MWer Bereitwilligkeit der Staatsbürger zum Steuerzahler — so meinte und lehrte David Heinrich Rau vor fünfzig Jahren — kommen wir um so näher, je vollkommner der Staat wird und je einsichtsvoller seine Angehörigen werden. Der Alte hat es nicht mehr erlebt — er starb im März 1870 —daß sich über den deutschen Vundesstaaten das Reich erhob, daß wir muntern Staatsbürger auch Reichsbürger geworden sind und neben den ansehnlichen Staatssteuern anch artige Zolle, Stempel und Steuern an das Reich entrichten. Die Haushaltszahlen der fünfundzwanzig Vundesstaaten und des Reichs¬ landes, wie wir sie in dem Statistischen Jahrbuche des Gothaischen Hofkalen¬ ders für 1893 finden, ergeben die Summe von 2461 Millionen Mark. Dazu kommt das Neichsbndget mit 1257 Millionen, das macht zusammen 3718 Mil¬ lionen Mark. Ja, wir gewöhnen uus in großen Verhältnissen an große Summen. Bleiben wir beim Reiche stehen. Eine verfassungsmäßig beschlossene und ausgeschriebne Auflage an Zöllen und Steuern wird von unsern Landsleuten ohne Weigern und Murren erlegt. Ein Zeugnis zweiten Grades würde uns also Rau im Fache des Steuerentrichtens wohl nicht versagen. Sollten wir es aber nicht mit der Zeit noch zur 2» und zur 1 bringen? In der noch vorhandnen Gleichgiltigkeit gegen den Reichsgedanken finden jene Politiker das rechte Fahrwasser, die es zu dem Ruhme gebracht haben, stets zu verneinen. Sie werfen sich zu Schutzleuten unsers Geldbeutels ans, halten auf Rechte und Freiheiten der Einzelnen und kehren sich wenig daran, was ein geeinigtes Volk von fünfzig Millionen ausrichten soll, weil es dazu fähig ist. Ihnen ist das Reich nur gemeinsames Kriegsbollwerk, Rechtsschutzanstalt und Berkehrsgebiet. Uns gilt das Reich zugleich und nament- Ärenzbvteu IV 1898 4-j

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/345>, abgerufen am 30.06.2024.