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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die Krisis in Amerika

Frankreich schon lange besser für uns. Und doch muß gerade sie die Veränderung
in der Stimmung ihrer Landsleute im Reichsland am besten kennen und am
deutlichsten die Gefahr sehen, die ihrer Heimat im Kriegsfalle droht. Ver¬
fasser und Übersetzer der vorliegenden Schrift haben beide ein Verständnis für
die Wichtigkeit dieser Gruppe, die jedenfalls einen wesentlichen Anteil un den
Anfeindungen und Verleumdungen Deutschlands hat, die oft an ganz unbetei¬
ligten Orten, selbst in Lokalblättern der Schweiz, Belgiens, Spaniens, Rumä¬
niens, sogar in südamerikanischen Zeitungen plötzlich auftauchen. Oft haben
diese haßerfüllten Ergüsse Beobachtern der "öffentlichen Meinung" den Ge¬
danken an einen wohlgeleiteten nichtamtlichen, vielleicht aber zu Zeiten auch
halbamtlichen Minenkrieg gegen Deutschland und den Dreibund nahegelegt.
Ans die Bedeutung solcher Kundgebungen in unsern zwei neutralen Nachbar¬
staaten, der Schweiz und Belgien, haben auch die Grenzboten mitunter hin¬
gewiesen. Wenn es der vorliegenden Schrift gelingt, in französischen Kreisen
Ansichten über Elsaß-Lothringen zu verbreiten, die nicht durch die Gläser dieser
Gesellschaft gesehen sind, so wird sie ein nützliches Werk gethan haben. In
die Kreise der elsaß-lothringischen Vereine in Frankreich selbst einzudringen,
dürfte ihr leider schon darum schwer werden, weil man in Deutschland über
deren Organisation sehr wenig unterrichtet zu sein scheint. Jedenfalls wünsche"
wir von Herzen, das; es ihr gelinge.




Die Krisis in Amerika

an hört allgemein von Europäern, die in diesem Jahre die Welt¬
ausstellung besucht und sich bei dieser Gelegenheit ein klein wenig
mehr als sonst mit amerikanischen Verhältnissen befaßt haben,
die Vereinigten Staaten gingen unwiderruflich ihrem Bankerott
entgegen, wenn nicht sofort die Sherman-Me aufgehoben würde,
wie sie ja auch einzig und allein für den großen Krach des letzten Sommers
verantwortlich gemacht werden müsse. Diese Ansicht ist falsch; das Silber¬
gesetz hat die herrschenden Mißstände nur zum Teil veranlaßt.

Die Vereinigten Staaten haben sich seit dreißig Jahren eines ungestörten
Friedens zu erfreuen gehabt. Handel, Gewerbe und Ackerbau konnten daher
einen ungeahnten Aufschwung nehmen. Überall entstanden neue Fabriken und
industrielle Unternehmungen, die es alle bald zu großer Blüte brachten. Die
herrschende Partei, die republikanische, war vierundzwanzig Jahre ungestört
am Ruder und lenkte das Staatsschiff ganz nach ihrem Belieben. Hohe Zölle


Die Krisis in Amerika

Frankreich schon lange besser für uns. Und doch muß gerade sie die Veränderung
in der Stimmung ihrer Landsleute im Reichsland am besten kennen und am
deutlichsten die Gefahr sehen, die ihrer Heimat im Kriegsfalle droht. Ver¬
fasser und Übersetzer der vorliegenden Schrift haben beide ein Verständnis für
die Wichtigkeit dieser Gruppe, die jedenfalls einen wesentlichen Anteil un den
Anfeindungen und Verleumdungen Deutschlands hat, die oft an ganz unbetei¬
ligten Orten, selbst in Lokalblättern der Schweiz, Belgiens, Spaniens, Rumä¬
niens, sogar in südamerikanischen Zeitungen plötzlich auftauchen. Oft haben
diese haßerfüllten Ergüsse Beobachtern der „öffentlichen Meinung" den Ge¬
danken an einen wohlgeleiteten nichtamtlichen, vielleicht aber zu Zeiten auch
halbamtlichen Minenkrieg gegen Deutschland und den Dreibund nahegelegt.
Ans die Bedeutung solcher Kundgebungen in unsern zwei neutralen Nachbar¬
staaten, der Schweiz und Belgien, haben auch die Grenzboten mitunter hin¬
gewiesen. Wenn es der vorliegenden Schrift gelingt, in französischen Kreisen
Ansichten über Elsaß-Lothringen zu verbreiten, die nicht durch die Gläser dieser
Gesellschaft gesehen sind, so wird sie ein nützliches Werk gethan haben. In
die Kreise der elsaß-lothringischen Vereine in Frankreich selbst einzudringen,
dürfte ihr leider schon darum schwer werden, weil man in Deutschland über
deren Organisation sehr wenig unterrichtet zu sein scheint. Jedenfalls wünsche»
wir von Herzen, das; es ihr gelinge.




Die Krisis in Amerika

an hört allgemein von Europäern, die in diesem Jahre die Welt¬
ausstellung besucht und sich bei dieser Gelegenheit ein klein wenig
mehr als sonst mit amerikanischen Verhältnissen befaßt haben,
die Vereinigten Staaten gingen unwiderruflich ihrem Bankerott
entgegen, wenn nicht sofort die Sherman-Me aufgehoben würde,
wie sie ja auch einzig und allein für den großen Krach des letzten Sommers
verantwortlich gemacht werden müsse. Diese Ansicht ist falsch; das Silber¬
gesetz hat die herrschenden Mißstände nur zum Teil veranlaßt.

Die Vereinigten Staaten haben sich seit dreißig Jahren eines ungestörten
Friedens zu erfreuen gehabt. Handel, Gewerbe und Ackerbau konnten daher
einen ungeahnten Aufschwung nehmen. Überall entstanden neue Fabriken und
industrielle Unternehmungen, die es alle bald zu großer Blüte brachten. Die
herrschende Partei, die republikanische, war vierundzwanzig Jahre ungestört
am Ruder und lenkte das Staatsschiff ganz nach ihrem Belieben. Hohe Zölle


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[0302] Die Krisis in Amerika Frankreich schon lange besser für uns. Und doch muß gerade sie die Veränderung in der Stimmung ihrer Landsleute im Reichsland am besten kennen und am deutlichsten die Gefahr sehen, die ihrer Heimat im Kriegsfalle droht. Ver¬ fasser und Übersetzer der vorliegenden Schrift haben beide ein Verständnis für die Wichtigkeit dieser Gruppe, die jedenfalls einen wesentlichen Anteil un den Anfeindungen und Verleumdungen Deutschlands hat, die oft an ganz unbetei¬ ligten Orten, selbst in Lokalblättern der Schweiz, Belgiens, Spaniens, Rumä¬ niens, sogar in südamerikanischen Zeitungen plötzlich auftauchen. Oft haben diese haßerfüllten Ergüsse Beobachtern der „öffentlichen Meinung" den Ge¬ danken an einen wohlgeleiteten nichtamtlichen, vielleicht aber zu Zeiten auch halbamtlichen Minenkrieg gegen Deutschland und den Dreibund nahegelegt. Ans die Bedeutung solcher Kundgebungen in unsern zwei neutralen Nachbar¬ staaten, der Schweiz und Belgien, haben auch die Grenzboten mitunter hin¬ gewiesen. Wenn es der vorliegenden Schrift gelingt, in französischen Kreisen Ansichten über Elsaß-Lothringen zu verbreiten, die nicht durch die Gläser dieser Gesellschaft gesehen sind, so wird sie ein nützliches Werk gethan haben. In die Kreise der elsaß-lothringischen Vereine in Frankreich selbst einzudringen, dürfte ihr leider schon darum schwer werden, weil man in Deutschland über deren Organisation sehr wenig unterrichtet zu sein scheint. Jedenfalls wünsche» wir von Herzen, das; es ihr gelinge. Die Krisis in Amerika an hört allgemein von Europäern, die in diesem Jahre die Welt¬ ausstellung besucht und sich bei dieser Gelegenheit ein klein wenig mehr als sonst mit amerikanischen Verhältnissen befaßt haben, die Vereinigten Staaten gingen unwiderruflich ihrem Bankerott entgegen, wenn nicht sofort die Sherman-Me aufgehoben würde, wie sie ja auch einzig und allein für den großen Krach des letzten Sommers verantwortlich gemacht werden müsse. Diese Ansicht ist falsch; das Silber¬ gesetz hat die herrschenden Mißstände nur zum Teil veranlaßt. Die Vereinigten Staaten haben sich seit dreißig Jahren eines ungestörten Friedens zu erfreuen gehabt. Handel, Gewerbe und Ackerbau konnten daher einen ungeahnten Aufschwung nehmen. Überall entstanden neue Fabriken und industrielle Unternehmungen, die es alle bald zu großer Blüte brachten. Die herrschende Partei, die republikanische, war vierundzwanzig Jahre ungestört am Ruder und lenkte das Staatsschiff ganz nach ihrem Belieben. Hohe Zölle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/302>, abgerufen am 22.07.2024.