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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Kongreß liegenden zwanzig Jahre scheinen für die Entwicklung des kollegialen
Geistes nicht gerade förderlich gewesen zu sein. Mancher ging, viel beschäftigt,
seine eignen Wege und vergaß dabei nach und nach, daß er doch eigentlich
auch Teil eines Ganzen sei, das erst durch die feste Verbindung der einzelnen
Glieder wirklich lebensfähig werden kann. So kam es, daß es nicht wenige
vorzogen -- ich sehe dabei natürlich von denen ab, die wirklich ernstliche
Gründe fernhielten --, sich zunächst einmal den Verlauf der Sache aus der
Ferne anzusehen, erst andre den Grund aufführen zu lassen, ehe sie sich
selbst am Weiterbau beteiligten. Glücklicherweise fehlte es trotzdem unter den
Fünfzig, die sich in den letzten Septembertagen in Nürnberg versammelten,
nicht an Namen, die einen guten Klang haben, und es fehlte auch den Be¬
ratungen nicht der Erfolg. Es liegt nicht in meiner Absicht, eine Schilderung
des Kongresses bis zu den geselligen Vereinigungen herab zu geben, ich kann
meinen Bericht auch nicht auf die fast durchweg sehr Lehaltreichen Vorträge
ausdehnen, die mit den Erörterungen wichtiger Fragen in angenehmer Weise
abwechselten -- sie werden in einer von dem Bureau des Kongresses heraus¬
zugebenden Schrift gedruckt werden --, vielmehr glaube ich der Bedeutung
des Kongresses am meisten zu entsprechen, wenn ich vor allem auf die Fragen
organisatorischer Art hinweise.

Die Satzungen für die künftigen Versammlungen, über die Dr. Haendcke
aus Bern berichtete, und deren Schlußfassung, die durch eine Kommission nicht
ohne bedeutende Abweichungen von dem ursprünglichen Entwurf festgestellt
worden war, Professor Schmarsow aus Leipzig mit klaren, überzeugenden
Worten darlegte, wurden einstimmig abgenommen. Damit sind die kunsthisto¬
rischen Kongresse zu einer Thatsache geworden, mit der man künftig zu rechnen
haben wird. Die Vereinigung der Kunsthistoriker wird es möglich machen,
die Forderungen der Kunstgeschichte nachdrücklicher als bisher zu betonen, die
Öffentlichkeit wird gezwungen werden, ihr, der sie mehr zu verdanken hat, als
sie vielleicht glaubt, Beachtung zu schenken, und der Staat wird ihr in größerm
Maße als bisher seine Fürsorge angedeihen lassen müssen. "Es ist -- sagt
Konrad Lange in seinein vortrefflichen Buche über die künstlerische Erziehung
der deutscheu Jugend, das jeder, der es mit der Kunst ernst nimmt, gelesen
haben sollte--, es ist eine alte Wahrheit, daß nur der etwas durchsetzt, der
sich immer und immer wieder meldet." Die kunsthistorischen Kongresse können
aber dazu helfen, daß wir uns "immer und immer wieder melden." Und das
ist notwendig, "so lange in unsern Finanzministerien noch nicht die Anschauung
durchgedrungen ist, daß Ausgaben sür die künstlerische Erziehung des Volkes
ein Kapital sind, das im Laufe der Jahre tausendfache Zinsen trügt." Daß
auch in der zwischen deu einzelnen Versammlungen liegenden Zeit die Inter¬
essen der Kunstgeschichte vertreten werden, dafür wird ein vom Kongreß aller
sechs Jahre nen zu wählender "ständiger Ausschuß" sorgen oder in besonders


Kongreß liegenden zwanzig Jahre scheinen für die Entwicklung des kollegialen
Geistes nicht gerade förderlich gewesen zu sein. Mancher ging, viel beschäftigt,
seine eignen Wege und vergaß dabei nach und nach, daß er doch eigentlich
auch Teil eines Ganzen sei, das erst durch die feste Verbindung der einzelnen
Glieder wirklich lebensfähig werden kann. So kam es, daß es nicht wenige
vorzogen — ich sehe dabei natürlich von denen ab, die wirklich ernstliche
Gründe fernhielten —, sich zunächst einmal den Verlauf der Sache aus der
Ferne anzusehen, erst andre den Grund aufführen zu lassen, ehe sie sich
selbst am Weiterbau beteiligten. Glücklicherweise fehlte es trotzdem unter den
Fünfzig, die sich in den letzten Septembertagen in Nürnberg versammelten,
nicht an Namen, die einen guten Klang haben, und es fehlte auch den Be¬
ratungen nicht der Erfolg. Es liegt nicht in meiner Absicht, eine Schilderung
des Kongresses bis zu den geselligen Vereinigungen herab zu geben, ich kann
meinen Bericht auch nicht auf die fast durchweg sehr Lehaltreichen Vorträge
ausdehnen, die mit den Erörterungen wichtiger Fragen in angenehmer Weise
abwechselten — sie werden in einer von dem Bureau des Kongresses heraus¬
zugebenden Schrift gedruckt werden —, vielmehr glaube ich der Bedeutung
des Kongresses am meisten zu entsprechen, wenn ich vor allem auf die Fragen
organisatorischer Art hinweise.

Die Satzungen für die künftigen Versammlungen, über die Dr. Haendcke
aus Bern berichtete, und deren Schlußfassung, die durch eine Kommission nicht
ohne bedeutende Abweichungen von dem ursprünglichen Entwurf festgestellt
worden war, Professor Schmarsow aus Leipzig mit klaren, überzeugenden
Worten darlegte, wurden einstimmig abgenommen. Damit sind die kunsthisto¬
rischen Kongresse zu einer Thatsache geworden, mit der man künftig zu rechnen
haben wird. Die Vereinigung der Kunsthistoriker wird es möglich machen,
die Forderungen der Kunstgeschichte nachdrücklicher als bisher zu betonen, die
Öffentlichkeit wird gezwungen werden, ihr, der sie mehr zu verdanken hat, als
sie vielleicht glaubt, Beachtung zu schenken, und der Staat wird ihr in größerm
Maße als bisher seine Fürsorge angedeihen lassen müssen. „Es ist — sagt
Konrad Lange in seinein vortrefflichen Buche über die künstlerische Erziehung
der deutscheu Jugend, das jeder, der es mit der Kunst ernst nimmt, gelesen
haben sollte—, es ist eine alte Wahrheit, daß nur der etwas durchsetzt, der
sich immer und immer wieder meldet." Die kunsthistorischen Kongresse können
aber dazu helfen, daß wir uns „immer und immer wieder melden." Und das
ist notwendig, „so lange in unsern Finanzministerien noch nicht die Anschauung
durchgedrungen ist, daß Ausgaben sür die künstlerische Erziehung des Volkes
ein Kapital sind, das im Laufe der Jahre tausendfache Zinsen trügt." Daß
auch in der zwischen deu einzelnen Versammlungen liegenden Zeit die Inter¬
essen der Kunstgeschichte vertreten werden, dafür wird ein vom Kongreß aller
sechs Jahre nen zu wählender „ständiger Ausschuß" sorgen oder in besonders


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/275>, abgerufen am 22.07.2024.