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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Eine Jnseratensteuer

Einfluß noch steigern werde, so ist das eine Kampfweise, die sehr viel
Ähnlichkeit hat mit der in agitatorischen Zeitungsartikeln. Die Jnseratensteuer
wird durchaus nicht an Ungleiches schablonenhaft den gleichen Maßstab legen,
sondern sowie die Kosten der Annonce "eines Armen, der Beschäftigung sucht,"
gewöhnlich nur einen Bruchteil ausmachen werden von den Kosten der Annonce
eines Reiche", der seinen großen Besitz veräußern will, so wird sich in gleichem
Verhältnis auch die Jnseratensteuer verhalten.") Und was den andern Ein-
wurf betrifft, daß das in der Presse arbeitende Großkapital von einer Jn-
serateusteuer Vorteil haben würde, so ist diese Behauptung doch wohl mehr als
kühn; gerade das Gegenteil wird wohl das Richtige sein.

Nach dem Gesetz vom 29. Juni 1861 unterlagen der Stempelsteuer nußer
den Zeitungen und Zeitschriften auch -- H 1 3 - "Anzeigeblätter aller Art,
die Anzeigen gegen Jnsertionsgebühren aufnehmen, es mögen diese Blätter in
Verbindung mit andern Steuerpflichtige" oder nicht steuerpflichtigen erscheinen,
oder ausschließlich zur Aufnahme von Anzeigen bestimmt sein." Durch das
Reichspreßgefetz vom 7. Mai 1874 fiel mit dem ganzen Gesetz vom 29.Juni 1861
auch diese Bestimmung. Sie hätte, unbeschadet dessen, was damals unter
Preßfreiheit verstanden wurde, und was wir auch heute noch unter diesem
Begriffe verstehen, bestehen bleiben sollen. Denn nun entstand eine Tages¬
presse, von der ein großer Teil einen ganz eigentümlichen Charakter angenommen
hat. Diese Blätter haben nicht mehr den Zweck, Stimme der öffentlichen
Meinung zu sein über politische, soziale und sonstige allgemein interessirende
Fragen, sondern sie sind weiter nichts als "Anzeigeblätter." Sie segeln zwar
unter der Flagge von politischen ni^d volkswirtschaftlichen Zeitungen, prahlen
in der Regel mit ihrem "objektiven, unparteiischen Standpunkte," verfolgen aber
im Grunde nur das Ziel, eine" Rahmen für möglichst viel bezahlte Annoncen
zu bilden. Und mit welchen Mitteln wird hier gearbeitet, um Leser und
Abonnenten zu gewinnen! Gerade in den letzten Jahren hat diese Erscheinung
in Bedenken erregender Weise überHand genommen, und heute wird in dieser
Beziehung das Mögliche geleistet. Es ist bekannt genug, mit welchen Lock¬
speisen der redaktionelle Teil dieser Tagespresse, "die geistige Nahrung des
Volkes," ausgestattet sein muß, um immer wieder seinen Zweck zu erreichen.

Dazu kommt noch, daß der Kaufpreis solcher "Jnsertionsvrgane ersten
Ranges" bei der großen Masse bezahlter Annoncen selbstverständlich viel nie¬
driger gestellt werden kann, als es sonst nach den redaktionellen Leistungen
und "ach der Größe der Zeitungen möglich wäre. Bei der Berücksichtigung
dieses Umstandes muß es sogar auffallen, daß z. B. die Pvstverivaltuug
"licht schon längst darauf gekommen ist, in der Zeitungspvstgebühr Unterschiede



Die eine Annonce muß freilich "lindester^ zwei, die untre brnuch! nur vier Zeilen trug
D, N. zu sein.
Eine Jnseratensteuer

Einfluß noch steigern werde, so ist das eine Kampfweise, die sehr viel
Ähnlichkeit hat mit der in agitatorischen Zeitungsartikeln. Die Jnseratensteuer
wird durchaus nicht an Ungleiches schablonenhaft den gleichen Maßstab legen,
sondern sowie die Kosten der Annonce „eines Armen, der Beschäftigung sucht,"
gewöhnlich nur einen Bruchteil ausmachen werden von den Kosten der Annonce
eines Reiche», der seinen großen Besitz veräußern will, so wird sich in gleichem
Verhältnis auch die Jnseratensteuer verhalten.") Und was den andern Ein-
wurf betrifft, daß das in der Presse arbeitende Großkapital von einer Jn-
serateusteuer Vorteil haben würde, so ist diese Behauptung doch wohl mehr als
kühn; gerade das Gegenteil wird wohl das Richtige sein.

Nach dem Gesetz vom 29. Juni 1861 unterlagen der Stempelsteuer nußer
den Zeitungen und Zeitschriften auch — H 1 3 - „Anzeigeblätter aller Art,
die Anzeigen gegen Jnsertionsgebühren aufnehmen, es mögen diese Blätter in
Verbindung mit andern Steuerpflichtige« oder nicht steuerpflichtigen erscheinen,
oder ausschließlich zur Aufnahme von Anzeigen bestimmt sein." Durch das
Reichspreßgefetz vom 7. Mai 1874 fiel mit dem ganzen Gesetz vom 29.Juni 1861
auch diese Bestimmung. Sie hätte, unbeschadet dessen, was damals unter
Preßfreiheit verstanden wurde, und was wir auch heute noch unter diesem
Begriffe verstehen, bestehen bleiben sollen. Denn nun entstand eine Tages¬
presse, von der ein großer Teil einen ganz eigentümlichen Charakter angenommen
hat. Diese Blätter haben nicht mehr den Zweck, Stimme der öffentlichen
Meinung zu sein über politische, soziale und sonstige allgemein interessirende
Fragen, sondern sie sind weiter nichts als „Anzeigeblätter." Sie segeln zwar
unter der Flagge von politischen ni^d volkswirtschaftlichen Zeitungen, prahlen
in der Regel mit ihrem „objektiven, unparteiischen Standpunkte," verfolgen aber
im Grunde nur das Ziel, eine» Rahmen für möglichst viel bezahlte Annoncen
zu bilden. Und mit welchen Mitteln wird hier gearbeitet, um Leser und
Abonnenten zu gewinnen! Gerade in den letzten Jahren hat diese Erscheinung
in Bedenken erregender Weise überHand genommen, und heute wird in dieser
Beziehung das Mögliche geleistet. Es ist bekannt genug, mit welchen Lock¬
speisen der redaktionelle Teil dieser Tagespresse, „die geistige Nahrung des
Volkes," ausgestattet sein muß, um immer wieder seinen Zweck zu erreichen.

Dazu kommt noch, daß der Kaufpreis solcher „Jnsertionsvrgane ersten
Ranges" bei der großen Masse bezahlter Annoncen selbstverständlich viel nie¬
driger gestellt werden kann, als es sonst nach den redaktionellen Leistungen
und »ach der Größe der Zeitungen möglich wäre. Bei der Berücksichtigung
dieses Umstandes muß es sogar auffallen, daß z. B. die Pvstverivaltuug
»licht schon längst darauf gekommen ist, in der Zeitungspvstgebühr Unterschiede



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D, N. zu sein.
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[0251] Eine Jnseratensteuer Einfluß noch steigern werde, so ist das eine Kampfweise, die sehr viel Ähnlichkeit hat mit der in agitatorischen Zeitungsartikeln. Die Jnseratensteuer wird durchaus nicht an Ungleiches schablonenhaft den gleichen Maßstab legen, sondern sowie die Kosten der Annonce „eines Armen, der Beschäftigung sucht," gewöhnlich nur einen Bruchteil ausmachen werden von den Kosten der Annonce eines Reiche», der seinen großen Besitz veräußern will, so wird sich in gleichem Verhältnis auch die Jnseratensteuer verhalten.") Und was den andern Ein- wurf betrifft, daß das in der Presse arbeitende Großkapital von einer Jn- serateusteuer Vorteil haben würde, so ist diese Behauptung doch wohl mehr als kühn; gerade das Gegenteil wird wohl das Richtige sein. Nach dem Gesetz vom 29. Juni 1861 unterlagen der Stempelsteuer nußer den Zeitungen und Zeitschriften auch — H 1 3 - „Anzeigeblätter aller Art, die Anzeigen gegen Jnsertionsgebühren aufnehmen, es mögen diese Blätter in Verbindung mit andern Steuerpflichtige« oder nicht steuerpflichtigen erscheinen, oder ausschließlich zur Aufnahme von Anzeigen bestimmt sein." Durch das Reichspreßgefetz vom 7. Mai 1874 fiel mit dem ganzen Gesetz vom 29.Juni 1861 auch diese Bestimmung. Sie hätte, unbeschadet dessen, was damals unter Preßfreiheit verstanden wurde, und was wir auch heute noch unter diesem Begriffe verstehen, bestehen bleiben sollen. Denn nun entstand eine Tages¬ presse, von der ein großer Teil einen ganz eigentümlichen Charakter angenommen hat. Diese Blätter haben nicht mehr den Zweck, Stimme der öffentlichen Meinung zu sein über politische, soziale und sonstige allgemein interessirende Fragen, sondern sie sind weiter nichts als „Anzeigeblätter." Sie segeln zwar unter der Flagge von politischen ni^d volkswirtschaftlichen Zeitungen, prahlen in der Regel mit ihrem „objektiven, unparteiischen Standpunkte," verfolgen aber im Grunde nur das Ziel, eine» Rahmen für möglichst viel bezahlte Annoncen zu bilden. Und mit welchen Mitteln wird hier gearbeitet, um Leser und Abonnenten zu gewinnen! Gerade in den letzten Jahren hat diese Erscheinung in Bedenken erregender Weise überHand genommen, und heute wird in dieser Beziehung das Mögliche geleistet. Es ist bekannt genug, mit welchen Lock¬ speisen der redaktionelle Teil dieser Tagespresse, „die geistige Nahrung des Volkes," ausgestattet sein muß, um immer wieder seinen Zweck zu erreichen. Dazu kommt noch, daß der Kaufpreis solcher „Jnsertionsvrgane ersten Ranges" bei der großen Masse bezahlter Annoncen selbstverständlich viel nie¬ driger gestellt werden kann, als es sonst nach den redaktionellen Leistungen und »ach der Größe der Zeitungen möglich wäre. Bei der Berücksichtigung dieses Umstandes muß es sogar auffallen, daß z. B. die Pvstverivaltuug »licht schon längst darauf gekommen ist, in der Zeitungspvstgebühr Unterschiede Die eine Annonce muß freilich »lindester^ zwei, die untre brnuch! nur vier Zeilen trug D, N. zu sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/251>, abgerufen am 25.08.2024.