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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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ohne schädliche Wirkung geblieben ist: das so laut und aufdringlich Hervor¬
tretelide Annoncen- und Reklameuwesen.

Das Annoncen- und Reklamenwesen hat mit dem, was wir unter dein
Namen "Presse" verstehen, ursachlich gar nichts zu thun. Es ist eine durch¬
aus selbständige Erscheinung, die nur von geschäftsmännischer Seite aus mit
der Tagespresse und andrer "Presse" verbunden wird.

Die vvlkswirtschaftlicheBerechtigung eiues maßvollen, anständigen Anuvnceu-
wesens soll durchaus nicht bestritten werden (wenn auch ebenso wenig bestritten
werden kann, daß die Annoncen vielfach zu schwindlerischer Ausbeutung eines
leichtgläubigen Publikums benutzt werden, ohne daß mit den jetzigen gesetzlichen
Bestimmungen dem entgegengetreten werden könnte); aber für die gesamte Presse,
namentlich für die Tagespresse ist dieses Annoncen- und Reklameuwesen gerade seit
der Aufhebung der Zeitungsstempelsteuer zu eiuer Macht Herangewachsen, auf der
bei einem sehr großen, wenn nicht dem größten Teile derselben die ganze Existenz
beruht. Daß aber diese Abhängigkeit vom Auuoneenwesen der Tagespresse im
allgemeinen zum Schaden gereicht, kann von einem idealen Standpunkte ans
nicht bestritten werden, und es würde nur heilsam sein, wenn dieses schon tief
eingerissene Abhängigkeitsverhältnis wieder mehr zurückgedrängt werden könnte.
Das ließe sich aber am besten ausführen durch Erhebung eiuer Jnseratensteuer,
durch die sich gleichzeitig eine ebenso berechtigte wie ergiebige Einnahmequelle
für den Staat schaffen ließe.

Die Ausführung dieses Planes erscheint zwar bei näherer Betrachtung
schwierig; denn mau wird es vielfach für wünschenswert halten, daß das be¬
rechtigte, ehrliche und anständige Annoneenwesen von einer solchen Steuer aus¬
geschlossen bleibe. Aber abgesehen davon, daß sich dieser Wunsch in der Praxis
durchaus unausführbar zeigen würde, kann auch in Wirklichkeit von einer
Schädigung von Rechten einer bestimmten Industrie, eiues bestimmten Geschäfts¬
zweigs, einer bestimmten Bevölkerungsklasse vor andern durch eine solche
Steuer nicht Wohl die Rede sei". Für die Zeitung selbst freilich, wie sie sich
in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, wird eine solche Abgabe sür ihren
Auuoueenteil nicht ohne Bedeutung sei", sie müßte natürlich zunächst die
Steuer zahlen; aber selbstverständlich werden sehr bald die Inserenten die.Haupt-
stenerzahler werden, und der berühmte "Erfolg durch Annoncen" kann das auch
sehr gut leisten.

Wenn die Besteuerung der Inserate vom vvlkStvirtschaftlichcn Standpunkte
von verschiednen Seiten als verwerflich bezeichnet wird, "weil sie die tägliche
geistige Nahrung des Volkes verteuere, weil sie an das Ungleiche schablvneu-
haft den gleichen Maßstab anlege und den Armen, der Beschäftign"!; sucht,
ebenso treffe, wie den Reichen, der seinen großen Besitz veräußern wolle," und
auch vom politischen Standpunkte, weil sie die Presse mehr und mehr dem
Großkapital in die Hunde treibe und die Verbindung dieser Mächte ihren


ohne schädliche Wirkung geblieben ist: das so laut und aufdringlich Hervor¬
tretelide Annoncen- und Reklameuwesen.

Das Annoncen- und Reklamenwesen hat mit dem, was wir unter dein
Namen „Presse" verstehen, ursachlich gar nichts zu thun. Es ist eine durch¬
aus selbständige Erscheinung, die nur von geschäftsmännischer Seite aus mit
der Tagespresse und andrer „Presse" verbunden wird.

Die vvlkswirtschaftlicheBerechtigung eiues maßvollen, anständigen Anuvnceu-
wesens soll durchaus nicht bestritten werden (wenn auch ebenso wenig bestritten
werden kann, daß die Annoncen vielfach zu schwindlerischer Ausbeutung eines
leichtgläubigen Publikums benutzt werden, ohne daß mit den jetzigen gesetzlichen
Bestimmungen dem entgegengetreten werden könnte); aber für die gesamte Presse,
namentlich für die Tagespresse ist dieses Annoncen- und Reklameuwesen gerade seit
der Aufhebung der Zeitungsstempelsteuer zu eiuer Macht Herangewachsen, auf der
bei einem sehr großen, wenn nicht dem größten Teile derselben die ganze Existenz
beruht. Daß aber diese Abhängigkeit vom Auuoneenwesen der Tagespresse im
allgemeinen zum Schaden gereicht, kann von einem idealen Standpunkte ans
nicht bestritten werden, und es würde nur heilsam sein, wenn dieses schon tief
eingerissene Abhängigkeitsverhältnis wieder mehr zurückgedrängt werden könnte.
Das ließe sich aber am besten ausführen durch Erhebung eiuer Jnseratensteuer,
durch die sich gleichzeitig eine ebenso berechtigte wie ergiebige Einnahmequelle
für den Staat schaffen ließe.

Die Ausführung dieses Planes erscheint zwar bei näherer Betrachtung
schwierig; denn mau wird es vielfach für wünschenswert halten, daß das be¬
rechtigte, ehrliche und anständige Annoneenwesen von einer solchen Steuer aus¬
geschlossen bleibe. Aber abgesehen davon, daß sich dieser Wunsch in der Praxis
durchaus unausführbar zeigen würde, kann auch in Wirklichkeit von einer
Schädigung von Rechten einer bestimmten Industrie, eiues bestimmten Geschäfts¬
zweigs, einer bestimmten Bevölkerungsklasse vor andern durch eine solche
Steuer nicht Wohl die Rede sei». Für die Zeitung selbst freilich, wie sie sich
in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, wird eine solche Abgabe sür ihren
Auuoueenteil nicht ohne Bedeutung sei», sie müßte natürlich zunächst die
Steuer zahlen; aber selbstverständlich werden sehr bald die Inserenten die.Haupt-
stenerzahler werden, und der berühmte „Erfolg durch Annoncen" kann das auch
sehr gut leisten.

Wenn die Besteuerung der Inserate vom vvlkStvirtschaftlichcn Standpunkte
von verschiednen Seiten als verwerflich bezeichnet wird, „weil sie die tägliche
geistige Nahrung des Volkes verteuere, weil sie an das Ungleiche schablvneu-
haft den gleichen Maßstab anlege und den Armen, der Beschäftign»!; sucht,
ebenso treffe, wie den Reichen, der seinen großen Besitz veräußern wolle," und
auch vom politischen Standpunkte, weil sie die Presse mehr und mehr dem
Großkapital in die Hunde treibe und die Verbindung dieser Mächte ihren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/250>, abgerufen am 24.08.2024.