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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Otto Ludwigs gesammelte Schriften

haben, wird ihn höher ehren und seinem Gedächtnis besser dienen, als steinerne
und eherne Bildsäulen.*) In sechs stattlichen Bänden liegt uns nun eine
Ausgabe vor, die, was den Takt in der Auswahl und die Sorgfalt in der
Behandlung des Textes betreffen, den Bergleich mit den besten unsrer deutschen
Dichteransgaben aushalten kann. Eingeleitet wird die Sammlung durch eine
meisterhafte Biographie aus der Feder eiues Literarhistorikers, dem es in
diesem Falle zu gute kommt, daß er zugleich ein Dichter, ein Erzähler von
lebendiger Anffassnngstraft und künstlerischem Feingefühl ist. Mit Recht hat
A. Sauer in seiner Kritik der Ausgabe (Deutsche Litterntnrzeitnng vom 18. März
1893) hervorgehoben, daß die biographische Einleitung von Adolf Stern zu
einem ganzen, selbständigen Buche ausgereift sei. "Das einfache und schlichte
Leben des großen Dulders, der sich selbst einen Sohn der Einsamkeit nennt,
ist hier einfach und schlicht und dennoch weit ausgreifend und tief gründend
erzählt. Die ganze Tragödie des schlichtesten Heldentums wird uns hier von
einer sichern Künstlerhand mit mächtiger Wirkung vorgeführt. Wie der Dichter,
sucht auch sein Biograph die reichste Kunst gern im ärmsten Wort. Wir haben
wenig biographische Darstellungen, die wir dieser warmherzige" und doch von
Überschätzung freien Schilderung an die Seite setzen könnten."

Adolf Stern ist auch der Hauptherausgeber der neuen Ausgabe, er hat
fünf Bände besorgt. Erich Schmidt nur den Band, der die dramatischen Frag¬
mente enthält. Den Plan zu einer Biographie Ludwigs hatte Stern schon
gefaßt und auszuführen begonnen, noch ehe an die Sammlung der Werke ge¬
dacht wurde, da er längst erkannt hatte, daß dieses stille und scheinbar ein¬
tönige Dichterleben doch weit wechselvoller und anziehender war, als es nach
der kurzen Skizze Heydrichs den Anschein hatte. Die Lebenschronik war frei¬
lich bald geschrieben, denn um äußern Ereignissen und Wandlungen war Lud¬
wigs Lebensgang so arm, wie kaum ein Dichterleben; um so reicher war er
an innern Erfahrungen, an schweren Seelenknmpfen, ja er bot für den, der es
verstand, die geheimen Fäden dieses reichen Gemütslebens zu einem Ganzen
znsammenzuweben, das Bild einer Dichterentwicklung einzig in seiner Art.
Natürlich war diese Arbeit nicht leicht. Der Verfasser, ein Vierteljahrhundert
jünger als Ludwig, war nnr in seinen Jünglingsjahren dem Dichter persön¬
lich nahe getreten. Aber er hat ihn verstanden wie wenige. Gleich bei der
ersten Begegnung im Sommer des Jahres 1855, die er lebendig und mit den
anziehendsten Einzelheiten mitteilt, machte die imponirende Erscheinung des
schwergeprüften Dichters einen großen Eindruck auf ihn. Sagt er doch selbst:
"Noch uach Monaten konnte ich merken, daß jedes von Ludwigs Worten, selbst



Der Landesherr Otto Ludwigs, der kunstsinnige Herzog von Meiningen, hat in¬
zwischen eine Nronzelmste des Dichters von einem der genialsten Bildhauer der Gegenwart,
D. N. von Adolf Hildebrandt, ausführen lassen.
Grenzboten IV 1893 33
Otto Ludwigs gesammelte Schriften

haben, wird ihn höher ehren und seinem Gedächtnis besser dienen, als steinerne
und eherne Bildsäulen.*) In sechs stattlichen Bänden liegt uns nun eine
Ausgabe vor, die, was den Takt in der Auswahl und die Sorgfalt in der
Behandlung des Textes betreffen, den Bergleich mit den besten unsrer deutschen
Dichteransgaben aushalten kann. Eingeleitet wird die Sammlung durch eine
meisterhafte Biographie aus der Feder eiues Literarhistorikers, dem es in
diesem Falle zu gute kommt, daß er zugleich ein Dichter, ein Erzähler von
lebendiger Anffassnngstraft und künstlerischem Feingefühl ist. Mit Recht hat
A. Sauer in seiner Kritik der Ausgabe (Deutsche Litterntnrzeitnng vom 18. März
1893) hervorgehoben, daß die biographische Einleitung von Adolf Stern zu
einem ganzen, selbständigen Buche ausgereift sei. „Das einfache und schlichte
Leben des großen Dulders, der sich selbst einen Sohn der Einsamkeit nennt,
ist hier einfach und schlicht und dennoch weit ausgreifend und tief gründend
erzählt. Die ganze Tragödie des schlichtesten Heldentums wird uns hier von
einer sichern Künstlerhand mit mächtiger Wirkung vorgeführt. Wie der Dichter,
sucht auch sein Biograph die reichste Kunst gern im ärmsten Wort. Wir haben
wenig biographische Darstellungen, die wir dieser warmherzige» und doch von
Überschätzung freien Schilderung an die Seite setzen könnten."

Adolf Stern ist auch der Hauptherausgeber der neuen Ausgabe, er hat
fünf Bände besorgt. Erich Schmidt nur den Band, der die dramatischen Frag¬
mente enthält. Den Plan zu einer Biographie Ludwigs hatte Stern schon
gefaßt und auszuführen begonnen, noch ehe an die Sammlung der Werke ge¬
dacht wurde, da er längst erkannt hatte, daß dieses stille und scheinbar ein¬
tönige Dichterleben doch weit wechselvoller und anziehender war, als es nach
der kurzen Skizze Heydrichs den Anschein hatte. Die Lebenschronik war frei¬
lich bald geschrieben, denn um äußern Ereignissen und Wandlungen war Lud¬
wigs Lebensgang so arm, wie kaum ein Dichterleben; um so reicher war er
an innern Erfahrungen, an schweren Seelenknmpfen, ja er bot für den, der es
verstand, die geheimen Fäden dieses reichen Gemütslebens zu einem Ganzen
znsammenzuweben, das Bild einer Dichterentwicklung einzig in seiner Art.
Natürlich war diese Arbeit nicht leicht. Der Verfasser, ein Vierteljahrhundert
jünger als Ludwig, war nnr in seinen Jünglingsjahren dem Dichter persön¬
lich nahe getreten. Aber er hat ihn verstanden wie wenige. Gleich bei der
ersten Begegnung im Sommer des Jahres 1855, die er lebendig und mit den
anziehendsten Einzelheiten mitteilt, machte die imponirende Erscheinung des
schwergeprüften Dichters einen großen Eindruck auf ihn. Sagt er doch selbst:
„Noch uach Monaten konnte ich merken, daß jedes von Ludwigs Worten, selbst



Der Landesherr Otto Ludwigs, der kunstsinnige Herzog von Meiningen, hat in¬
zwischen eine Nronzelmste des Dichters von einem der genialsten Bildhauer der Gegenwart,
D. N. von Adolf Hildebrandt, ausführen lassen.
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[0185] Otto Ludwigs gesammelte Schriften haben, wird ihn höher ehren und seinem Gedächtnis besser dienen, als steinerne und eherne Bildsäulen.*) In sechs stattlichen Bänden liegt uns nun eine Ausgabe vor, die, was den Takt in der Auswahl und die Sorgfalt in der Behandlung des Textes betreffen, den Bergleich mit den besten unsrer deutschen Dichteransgaben aushalten kann. Eingeleitet wird die Sammlung durch eine meisterhafte Biographie aus der Feder eiues Literarhistorikers, dem es in diesem Falle zu gute kommt, daß er zugleich ein Dichter, ein Erzähler von lebendiger Anffassnngstraft und künstlerischem Feingefühl ist. Mit Recht hat A. Sauer in seiner Kritik der Ausgabe (Deutsche Litterntnrzeitnng vom 18. März 1893) hervorgehoben, daß die biographische Einleitung von Adolf Stern zu einem ganzen, selbständigen Buche ausgereift sei. „Das einfache und schlichte Leben des großen Dulders, der sich selbst einen Sohn der Einsamkeit nennt, ist hier einfach und schlicht und dennoch weit ausgreifend und tief gründend erzählt. Die ganze Tragödie des schlichtesten Heldentums wird uns hier von einer sichern Künstlerhand mit mächtiger Wirkung vorgeführt. Wie der Dichter, sucht auch sein Biograph die reichste Kunst gern im ärmsten Wort. Wir haben wenig biographische Darstellungen, die wir dieser warmherzige» und doch von Überschätzung freien Schilderung an die Seite setzen könnten." Adolf Stern ist auch der Hauptherausgeber der neuen Ausgabe, er hat fünf Bände besorgt. Erich Schmidt nur den Band, der die dramatischen Frag¬ mente enthält. Den Plan zu einer Biographie Ludwigs hatte Stern schon gefaßt und auszuführen begonnen, noch ehe an die Sammlung der Werke ge¬ dacht wurde, da er längst erkannt hatte, daß dieses stille und scheinbar ein¬ tönige Dichterleben doch weit wechselvoller und anziehender war, als es nach der kurzen Skizze Heydrichs den Anschein hatte. Die Lebenschronik war frei¬ lich bald geschrieben, denn um äußern Ereignissen und Wandlungen war Lud¬ wigs Lebensgang so arm, wie kaum ein Dichterleben; um so reicher war er an innern Erfahrungen, an schweren Seelenknmpfen, ja er bot für den, der es verstand, die geheimen Fäden dieses reichen Gemütslebens zu einem Ganzen znsammenzuweben, das Bild einer Dichterentwicklung einzig in seiner Art. Natürlich war diese Arbeit nicht leicht. Der Verfasser, ein Vierteljahrhundert jünger als Ludwig, war nnr in seinen Jünglingsjahren dem Dichter persön¬ lich nahe getreten. Aber er hat ihn verstanden wie wenige. Gleich bei der ersten Begegnung im Sommer des Jahres 1855, die er lebendig und mit den anziehendsten Einzelheiten mitteilt, machte die imponirende Erscheinung des schwergeprüften Dichters einen großen Eindruck auf ihn. Sagt er doch selbst: „Noch uach Monaten konnte ich merken, daß jedes von Ludwigs Worten, selbst Der Landesherr Otto Ludwigs, der kunstsinnige Herzog von Meiningen, hat in¬ zwischen eine Nronzelmste des Dichters von einem der genialsten Bildhauer der Gegenwart, D. N. von Adolf Hildebrandt, ausführen lassen. Grenzboten IV 1893 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/185>, abgerufen am 04.07.2024.